Schuhe, Schuhe, Schuhe. 18 Laufschuhmarken zählt der Markt. Wie findet man bei der schier unbegrenzten Auswahl den Richtigen? Die Beratung macht’s. Worauf es dabei ankommt. 
 

Klaus Molidor
Klaus Molidor
Podoskop, Pronation, Probelauf

Aller Anfang ist nackt. Idealerweise. Denn vor dem Anziehen eines Laufschuhs steht einmal das Ausziehen der Alltagsschuhe und Socken. Und dann geht es auf das Podoskop. „Das ist eine Glasplatte, unter der Spiegel angebracht sind“, erklärt Werner Lichtenwörther vom „Wemove Runningstore“ in Wien. Seit 20 Jahren ist der Niederösterreicher schon in der Branche tätig. „Mit dem Podoskop sieht man auf die Unterseite der Füße und kann über den Abdruck schon einmal sehen, wie Längs- und Quergewölbe des Fußes beschaffen sind und wie es um die Beinachse bestellt ist.“

So beginnt eine Beratung, wenn Leute im Geschäft den Wunsch nach einem Laufschuh äußern. „Das machen wir eigentlich immer. Auch bei Stammkunden, die schon viele Jahre laufen, denn diese Parameter können sich über die Jahre durchaus ändern“, sagt Lichtenwörther. Neben dem statischen Befund der Füße kommt, wie beim Arzt, eine Art Anamnesegespräch dazu. Also: Wie viel jemand läuft, auf welchem Untergrund, in welchem Tempo und welche Ziele er oder sie verfolgt. „Danach habe ich schon ein Spektrum an Schuhen im Kopf, die ich dem Kunden vorschlagen kann.“ Auf den statischen folgt der dynamische Befund. Sprich: Man läuft vor einer Kamera, die auf die Beine fokussiert ist, ein paar Meter. „Dabei schauen wir nicht nur, wie der Fuß aufsetzt und was das Sprunggelenk macht, sondern vor allem auch, was das Knie macht.“ 

Durch den dynamischen Befund sieht man dann genau, ob der Läufer eher einen Stabil- oder Neutralschuh benötigt. „Dafür geb ich immer Schuhe zum Probieren, die wenig Stütze haben. Dadurch sieht man besser, ob sie auch benötigt wird“, erklärt Lichtenwörther. Sonst würden viele Läufer bei einem Stabilschuh landen, ohne ihn wirklich zu benötigen. Zu viel Stütze kann auch falsch sein. „Das ist heute ganz anders als vor 10, 15 Jahren. Damals war es ein Verkaufsargument zu sagen, dass der Schuh eine starke Stütze hat.“
In dieser Zeit wurde bei der Beratung auch hauptsächlich auf das Sprunggelenk geschaut.


„Ist es nach innen gekippt, hieß es gleich: Stabilschuh“, erinnert sich der 42-Jährige. Erst vor ein paar Jahren hat sich die Doktrin geändert und es wird geschaut, ob das Knie gerade über dem Fuß bleibt. „Hat jemand O-Beine und geht das Knie tendenziell nach außen, gleicht die nach innen gerichtete Bewegung des Sprunggelenks das Ganze aus und du bist mit einem Neutralschuh bestens bedient.“ Was den Stabilschuh-Boom ziemlich beendet hat. „Der hatte sicher auch damit zu tun, dass man auf Laufbändern mehr zur Pronation, also zum Nach-innen-Knicken neigt als auf der Straße“, sagt Lichtenwörther. Darum lässt er seine Kunden auch auf einer kleinen Laufbahn im Geschäft laufen. Das ist dann so, wie man selbst im Freien laufen würde, und keine Laborsituation.

Die dynamische Analyse schränkt das Spektrum an möglichen Schuhen dann weiter ein. Schließlich bleiben vier, fünf Modelle übrig. „Am Ende entscheidet dann das Gefühl“, sagt Lichtenwörther. „Zu dem Zeitpunkt probierst du Modelle, die man von der Beratungsseite alle für deinen Fuß, deinen Laufstil und deine Ambitionen empfehlen kann. Jeder empfindet aber etwas anderes als gut, bequem, richtig.“ Das lasse sich nicht über einen Kamm scheren. Einen Unterschied macht da auch die Schuhgröße. Es ist ein Unterschied, ob sich, sagen wir, 80 Kilogramm auf einen Schuh in Größe 42 oder 46 verteilen. Da fühlt sich dasselbe Modell mal härter, mal ­weicher an.“ Die richtige Schuhwahl braucht auch vor allem eines: Zeit. 30 Minuten sollte man dafür schon einplanen. „Es gibt aber auch Stammkunden, mit denen man sich über Trainings und Pläne unterhält, da kommt es schon vor, dass jemand auch eineinhalb Stunden hier ist.

Auf dem Laufband neigt man mehr zum Nach-innen-­Knicken als auf der Straße.

Werner Lichtenwörther

Einen Mythos entzaubert Lichtenwörther übrigens auch. Nämlich den, dass es sinnvoll ist, seinen alten Laufschuh zur Beratung mitzubringen. „Natürlich kann das interessant sein. Aber alle nutzen sich von der Außenseite der Ferse zuerst ab. Von der Abnützung auf einen Stil zu schließen, ist nicht wirklich möglich. Oder besser: Mit dem Podoskop und der dynamischen Analyse sieht man es viel besser.“ Die große Konkurrenz zur ausführlichen persönlichen Beratung ist freilich das Internet. „Natürlich findest du jeden Schuh irgendwo im Netz mit Sicherheit billiger als im Fachhandel“, sagt Lichtenwörther. Dass sich Leute bei ihm im Geschäft beraten lassen und mit dem Wissen dann online bestellen, „kommt schon vor“, sagt er. „Aber zu einem sehr, sehr geringen Prozentsatz.“ 

Manche Kunden kommen auch mit detaillierten Vorstellungen von einem Modell, weil sie sich im Internet schon ausführlich vorinformiert haben. „Das ist ein bisschen wie beim Autokauf“, schmunzelt Werner Lichtenwörther. In jedem Fall bittet er auch solche Kunden einmal über den Tellerrand zu blicken und zumindest ein zweites oder drittes Modell zu probieren. „Viele schwenken dann um.“ Und nehmen einen Schuh mit nach Hause, den sie ausführlich ausprobiert haben und der ihnen nicht nur Spaß am Laufen bringt, sondern womöglich auch Verletzungen erspart. Weil er eben nicht nur für den Fuß passt, sondern auch zum Läufer.

Jeder empfindet etwas anderes als gut, richtig und bequem.

Werner Lichtenwörther
Podoskop, Pronation, Probelauf: Wie man im Laufschuh-Dschungel den Richtigen findet
Podoskop, Pronation, Probelauf: Wie man im Laufschuh-Dschungel den Richtigen findet
Werner Lichtenwörther

ist Geschäftsführer vom Wemove Runningstore in Wien und seit 20 Jahren in der Branche tätig.