Eine schweigend verbrachte Fackelwanderung ist nur eine von vielen Überraschungen, die der dreifache Olympiasieger Felix Gottwald heute in seinen Mentaltraining-Seminaren parat hat. SPORTaktiv war bei einem „Impulstag“ dabei und sprach mit Gottwald über Regeneration in hektischen Zeiten.

Felix, du bringst in deinen Seminarenden Menschen die Stille näher und ermutigst sie dazu, sich Zeit für sich selbst zu schenken. Daher ein kurzer Rückblick: Hast du dir selbst bei deiner zweijährigen „Auszeit“ auch Zeit für dich geschenkt?

Eigentlich habe ich mir keine Auszeit genommen, sondern meine Karriere beendet. Wenn du so etwas von Beginn an nur als Pause konzipierst, kannst du vom Kopf her gar nicht so loslassen, wie ich das geschafft habe. Ich habe dann zuerst äußerlich und innerlich in meinem Leben „aufgeräumt“, anschließend mit viel Muße – und vor allem selbst – mein Buch geschrieben, und dabei gemerkt: Viele Leute könnten sich da etwas mitnehmen.

Und wie kam es zu deinem Wiedereinstieg in den Sport?

Nach dem ersten Gedanken daran hab ich mir genug Zeit gegeben, in mich reinzuhören, ob ich das wirklich will, hab es einmal trainingsmäßig versucht. Mir war klar: Wenn ich es mach, dann als reines „Genussprojekt“. Das haben mir der Verband und Trainer Günther Chromecek zugesichert.

Wie wichtig war diese Pause für deine Erfolge danach – noch ein Olympiasieg und zwei Weltmeistertitel?

Das ist natürlich rein spekulativ. Ich war gewiss im Kopf frisch, aber in erster Linie hatte ich einen völlig anderen, entspannteren Zugang zum Spitzensport als zuvor. Es waren sicher die schönsten Jahre, ich hab sie bis auf ganz wenige Tage ausgekostet. Und gleichzeitig war mir zu jeder Zeit klar: Nach zwei Jahren ist endgültig Schluss. Seit diesem Schlusstrich vor nun gut eineinhalb Jahren habe ich durch meine Vorträge so viele großartige Begegnungen machen dürfen, dass mir im Rückblick die Jahre im Spitzensport noch viel sinnvoller erscheinen.

Was uns zu deinen Vorträgen bringt: Was ist deine Botschaft?

Man muss unterscheiden: Das eine sind die „Impulstage“. Ich möchte dort zunächst dazu ermutigen, bewusst Lärm und Geschwindigkeit radikal zu reduzieren. Es beginnt am Abend, und ich kann versprechen, dass nach nur zwei Stunden jeder Einzelne das Tempo deutlich heruntergefahren hat. Insgesamt will ich den Teilnehmern 20 Stunden lang Impulse mit auf den Weg geben, die zeigen, dass es ganz einfach ist, etwas für sich selbst zu tun. Man muss es nur tun. Die erweiterte intensivere Form sind dann die „Re-Sourcetage“, wo man einfach Zeit braucht, um loszulassen und sich einzulassen. Aber sie sind sicher das noch intensivere Erlebnis.

Woher kommt es deiner Meinung nach, dass heute so viele verlernt haben, zu entspannen?

Einerseits hat natürlich in der heutigen Zeit die Informationsflut enorm zugenommen, mit Handy, E-Mail usw. Andererseits hat schon George Orwell gesagt: „Die Zeit vergeht nicht schneller, wir eilen nur beschleunigt an ihr vorbei“. Das Handy kann ja auch ein Vorteil sein: Wenn ich auf einen wichtigen Anruf warte, kann ich heute trotzdem auf einen Berg gehen. Die Kunst ist es, wieder zu lernen, dass ich mir Zeit für mich selbst nehme.

Viele merken wahrscheinlich gar nicht, wenn das Verhältnis zwischen Anspannung und Entspannung nicht mehr passt, oder?

Stimmt, viele können das gar nicht – sich selber zu beobachten, zu merken, wie man sich eigentlich fühlt. Dabei ist jeder selbst sein bester Coach. Muss dich erst jemand von außen, zum Beispiel aus deiner Familie, darauf aufmerksam machen, dass etwas nicht passen könnte, dann ist das schon ein großes Warnsignal.

Gibt es noch mehr Warnsignale, auf die man achten kann?

Wenn dich zum Beispiel Lapalien aufregen. Sicher auch Krankheit oder im Sport häufige Verletzung, wobei die Kunst wäre, schon vorher zu erkennen, dass die Balance nicht stimmt.

Würdest du sagen, dass du heute ein relaxteres Leben führen kannst als damals als Spitzensportler?

Ich glaub nicht, dass man das eine gegen das andere aufwiegen kann. Die Zeit als Sportler war schön. Ich sag immer: Wenn du einen Beruf wählst, den du von Herzen gern machst, brauchst du keinen Tag zu „arbeiten“. Das ist bei mir heute genauso wieder der Fall, auch wenn es manchmal tough ist. Aber wenn man einen Schritt aus sich heraustritt, kommt man drauf, dass man sich den Stress ganz allein auflädt. Natürlich achte ich auf eine gute Ausgeglichenheit: Stell dir vor, wie glaubwürdig ich wäre, wenn ich selber gestresst im Seminar auftauche? Ich hab Zeiten mit Terminen und solche, wo ich keine Termine annehme. So bin ich für die toughe Zeit immer gerüstet.


DER OLYMPIASIEGER
FELIX GOTTWALD (36) ist Österreichs erfolgreichster Olympiasportler. Der ehemalige Nordische Kombinierer wurde 2006 Olympiasieger im Sprint und in der Mannschaft, 2010 noch einmal in der Mannschaft. Ebenfalls dreimal wurde er Weltmeister, zweimal 2011, unmittelbar vor Karriereende. Gesamt 18 Olympia- und WM-Medaillen.
Gottwald galt während seiner aktiven Laufbahn als „Vorzeigesportler“ und war für seine mentale Stärke wie für sein Interesse an Mentaltraining bekannt. Erstes Karriereende 2007, dabei entstand das Buch „Ein Tag in meinem Leben“. Comeback 2009, nach großen Erfolgen Karriereende 2011.
Seit 2011 bietet Felix Gottwald Seminare für mentale Stärke (siehe Kasten rechts) an. Ende 2011 erschien sein Hörbuch „Die Stille zum Erfolg.“
KONTAKT:www.felixgottwald.at