Urlaub mit dem Rennrad? Der darf gerne zum Trainingslager ausarten. Gewusst wie, macht er sich aber auch im Urlaubskalender von ­Genießern und Familien gut.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Souplesse, sie steht für dieses ganz besondere Fahrgefühl, das nur ein perfekt abgestimmtes Rennrad zu bieten weiß. Diese schwer in Worte zu fassende Leichtigkeit, das Zusammenspiel aus mühelos dynamischem Vorwärtskommen und dennoch präzisem Feedback vom Untergrund. Es ist der Heilige Gral der Rennradcommunity. Klar, mit perfektem Setup lässt sich dieses Gefühl auch zwischen Berufspendlern entlang der Stadtausfahrten oder entlang der heimischen Hausrunde finden. Schöner ist es aber doch, wenn man der Souplesse auch noch ein landschaftliches Krönchen ans Haupt heftet. Wenn der Radius am Rennrad auch enorm und die Auswahl an Routen in der Heimat groß sein mag. Irgendwann wird es einfach Zeit etwas zu erleben, das es zu Hause weder zu sehen noch zu fühlen oder zu riechen gibt. Raus aus dem Alltag, rein in den (Rennrad-)Urlaub.

Möglichkeiten für Abwechslung, die wissen die österreichischen Straßen und Sträßchen zur Genüge zu bieten. Endlos lange, teils von legendärem Ruf begleitete Alpenpässe vor dramatischer Kulisse am Weg durch die Vegetationszonen. Endlose Weiten vorbei an Feldern durch Weingärten und traditionsreiche Kellergassen. Knackige Hügellandschaften mit märchenhaften Mischwäldern, duftenden Streuobstplantagen und urigen Buschenschenken. Durch endlose Täler, rund um glasklare oder tiefblau schimmernde Seen und entlang uralter Handelsrouten und Flussläufe – all das, was Rennradfahren ausmacht, gibt es in unserer Heimat auch zu erfahren. Man muss nur wissen, wohin man reist. Eine ganze Reihe von Regionen haben Rennradfahrer als gern gesehene Gäste ins Visier genommen und schaffen ganz gezielte Angebote, um den bunten Urlaubern im engen Lycra unvergessliche Erlebnisse zu schaffen.

Weit mehr als nur eine Straße
Unvergessliche Erlebnisse am Rennrad, dafür braucht es aber weitaus mehr als nur asphaltierte Straßen. Denn niemand setzt sich mehrere Stunden ins Auto oder in den Zug, um dann am Urlaubsort zwischen Blechkaravanen und im Sog viel zu knapp überholender Lastkraftwagen seine Kilometer abzuspulen. Rennraddestinationen brauchen verkehrsarme Routen, brauchen einsame Nebenstraßen und Güterwege, weiß auch Anja Gleichweit, Bikeguide aus der Ost­steiermark. Rennradgäste, so fasst es Christian Riedel von Wörthersee Tourismus in Hinsicht auf den Verkehr überzeichnet zusammen, suchen nach attraktivem, gern auch selektivem Gelände und Routen, die nicht potenziell lebensgefährlich sind. Stress auf der Straße – dafür kann man schließlich auch zu Hause bleiben. 

Einzig wer die großen Namen der Alpenpässe ins Visier nimmt, der muss sich die herrlichen Serpentinen und Panoramen unweigerlich mit Motorrädern, Sportwagenfahrern, Bussen und Wohnmobilisten teilen. Doch auch hier lässt sich auf verkehrsarme Tages- und Saisonzeiten ausweichen. Mancherorts werden gar verkehrsfreie Tage einzig und allein für Rennradfahrer angeboten. 

Rennradurlaub für jedermann?
Gemessen am (E-)Mountainbike sieht Riedel die Gruppe der Rennradurlauber weitaus kleiner, meist sportlicher orientiert. „Nicht jeder hält sich ein Rennrad im ‚Drahtesel-Stall‘. Wer sich aufs Rennrad setzt, der will meist nicht einfach nur ein bisschen damit herumkurven, sondern sucht gezielt nach erfahrenswerten Spots oder attraktiven Trainingskilometern“, weiß der Kärntner.

Die großen (und kleinen) Rennraddestinationen machen für Riedel und Gleichweit auch das Angebot an Routen besonders. Ein Blick auf Strava und Co. verrät die Geheimnisse der Locals, viele Regionen und auch Hotels stellen ebenfalls „ihre“ Geheimtipps abseits der stark frequentierten Straßen als GPS-Dateien zur Verfügung. „Geniale Touren und ein Kulissenwechsel hinter dem Lenker“, das ist für Riedel Pflicht. „Und quälende Anstiege bleiben mit tollem Panorama einfach ewig in Erinnerung“, ergänzt er augenzwinkernd. 

Aber um breit aufgestellt zu sein, genügt es nicht nur Höhenmeter- und Distanzkracher zu bieten. Diese haben zwar eine magische Strahlkraft, sind aber in der Praxis nicht jedermanns Sache. Ein breites Portfolio an Touren unterschiedlicher Länge und Schwierigkeit ist daher auch für Gleichweit enorm wichtig. Auch, um Einsteigern Varianten bieten zu können, welche sie nicht überfordern.

Berge, Pässe, Flachland und Hügel – Österreich hat alles zu bieten, wonach das Rennradherz verlangt!

Trainierer, Genießer, Familien
Der klassischste aller Rennradurlaube ist wohl jener mit dem Radverein oder die Trainingswoche mit Freunden. Früher ging es dafür auf spanischsprachige Inseln, heute gewinnen aber je nach Saisonzeitpunkt auch heimische Regionen den Zuspruch der hochsportiven Zielgruppe. Im steirischen Thermen- & Vulkanland lassen sich etwa schon Grundlagenkilometer sammeln, wenn anderswo noch der Schnee liegt, schwärmt Gleichweit. Meist, bestätigt auch Andrea Huter von der Outdooregion Imst, suchen sich die trainierenden Gäste ihre Urlaubsregion je nach geplantem Training aus. Berge und Pässe als Vorbereitung auf Radmarathons, flachere oder hügelige Trainingsstrecken im Frühjahr für das Grundlagentraining. Gern wird auch eine Marathonteilnahme mit Urlaub verknüpft und auch spezielle Trainings- und Vorbereitungscamps sind ein großes Thema. Anja Gleichweit richtet mit dem „Female Cycling Base Camp“ sogar ein spezielles Camp nur für Frauen aus.

Gerade in den Sommermonaten haben sich aber auch immer mehr Regionen und Hotels auf Familien eingestellt. Morgens eine Trainingsrunde für Mama, nachmittags eine für Papa und die Kinder sind mit Seen, Bergen, diversen Ausflugszielen und dem Angebot im Hotel den ganzen Tag beschäftigt. Spezielle Kinderbetreuungsangebote können da jungen Eltern sogar eine der raren gemeinsamen Ausfahrten ermöglichen.

In den touristisch ruhigeren Monaten des Jahres kommt der Genuss ins Spiel. Radurlaub in Verbindung mit hochwertigem Wellness­angebot steht hoch im Kurs. Schließlich will man sich von seinen Touren standesgemäß erholen. Und auch die Kulinarik rückt hier vielfach stark in den Fokus. Für Riedel ist gerade der Herbst die Zeit der entspannten Enthusiasten. Fit von einer langen Saison lassen sie es gern mal ruhiger angehen, nehmen sich ein paar Tage Zeit fürs Rennrad, sind aber auch anderen Angeboten gegenüber offen und lassen die Saison gemütlich ausklingen. Perfekt auch für Paare oder befreundete Paare, bei denen nicht alle Partner gern und viel im Sattel sitzen. Bei einer wohltuenden Massage und beim vormittäglichen Seelen-Baumel – so munkelt man – soll schon so mancher ganz übersehen haben, dass der Partner seit drei Stunden am Rennrad zirkuliert. Rennradurlaub mit Wellness für den einen – Wellness mit Rennradfahren für den anderen.