Ob 10K, Halbmarathon oder volle 42,195 km-Distanz, ob ganz vorne oder mittendrin im Feld, eines eint alle Laufwettkämpfer: Der Wunsch, einen flotteren Schuh als im Long Jog an den Füßen zu haben. Aber für wen passt welcher schnelle Laufschuh?
Das adrenalinbedingte Zappeln und Hüpfen im Startbereich, die Euphorie nach dem Startschuss, wenn sich das Feld in Bewegung setzt. Vom Hochgefühl nach erreichtem selbstgesteckten Zeitziel ganz zu schweigen. Sie rufen endlich wieder, die großen (Wien, Linz, Salzburg ...) und vielen kleineren Laufevents im Land. Besonders erfreulich, dass die jüngsten Anmeldezahlen bei den großen Marathons international wie national vielerorts erstmals jene der Vorcoronazeit sogar übertrafen.
Und die Tendenz zeigt weiter nach oben. „Wir vermuten weiterhin ein Wachstum der Läufer und Läuferinnen in den kommen Jahren, gerade auch bei der jüngeren Generation“, berichtet Arne Tinnemeyer, PR & Influencer Specialist „DACH“ bei Brooks. Schon jetzt bemerke man die Beliebtheit des „schnellen“ Laufschuh-Segments, erklärt Tinnemeyer. „Gerade die junge Generation ist sehr zugänglich für die kompetitive Seite des Laufens“, weiß der Brooks-Experte.
Klar, ein schneller Schuh ist noch einmal ein Zusatz-Motivator in einem Wettkampf. Aber welcher „Schnelle“ passt eigentlich für wen? In Halbmarathons braucht die Weltklasse rund eine Stunde, schnelle Hobbyläufer sind um die 1:30 und die Masse vielleicht 2 Stunden unterwegs. In Marathons liegt laut Salomon-Berechnungen die durchschnittliche Finisher-Zeit jenseits von 4 Stunden. So unterschiedlich wie also die Distanzen und wie es auch die Laufgeschwindigkeiten sind, so unterschiedlich gelagert ist auch das Segment der schnellen Schuhe am Laufschuhmarkt.
Schnelle Schuhe mit Carbon
Beginnen wir bei der Carbonklasse. Auch dort gibt es heute nicht ein einziges Topmodell (solche, wie wir in unseren Top 6 im Anschluss vorstellen) jeder Marke, sondern unterschiedlich ausgerichtete Modelle. Fast 40 Prozent der Finisher in Marathonfeldern waren zuletzt mit Carbonschuhen unterwegs, weiß Jennifer Hernandez von Asics anhand von Erkundungen, die der japanische Laufschuhgigant angestellt hat.
Im Asics-Portfolio gibt es aktuell mit Carbonplatte den Metaspeed Sky bzw. Edge für die Elite. Sowie den Magic Speed für eine breitere Zielgruppe. Für einen Elite-Schuh wie den Metaspeed brauche man auf jeden Fall eine starke Lauftechnik und die Fähigkeit, eine schnelle Geschwindigkeit zu laufen. In einem solchen Schuh solle man „die Carbonplatte gut treffen bzw. tendenziell auf dem Vorfuß laufen“, sagt Hernandez. „Man kann sich die Platte wie einen Bogen vorstellen, der gespannt und losgelassen wird.“ Um über die Ferse gelaufen zu werden, ist der Metaspeed nicht ausgelegt. Ja, ein falscher Laufstil kann sogar die Belastung, etwa aufs Schienbein, deutlich erhöhen. Gutmütiger und für eine breitere Zielgruppe ist das zweite Asics-Carbonmodell, der Magic Speed, ausgelegt. Mit ihm würden „Ambitionierte, die vielleicht einen Marathon unter drei Stunden laufen möchten“, ebenfalls gut zurechtkommen. Die Carbonplatte ist bei beiden Schuhen übrigens etwas anders integriert – im Metaspeed Sky liegt die Platte direkt unter dem Fuß, darunter folgt die Dämpfung. Beim Magic Speed ist die Platte dagegen oben und unten in Dämpfungsschaum „eingepackt“ – was ein Teil der Erklärung für das unterschiedliche Verhalten ist.
Von Salomon gibt es ebenfalls zwei Carbon-Road-Modelle: Topmodell ist der S/LAB Phantasm 2, der gemeinsam mit 2:05-Marathonläufer Matthias Kyburz entwickelt wurde. „Carbonplatten fangen, so wie sie eingebaut sind, bei rund 14 km/h bzw. einer Pace von 4:30 min/km wirklich zu wirken an, bei Läufern von 4:00 ist der Effekt meist am größten“, erklärt Salomons Tobias Bogner. Zur Veranschaulichung: Eine 4:30er-Durchschnitts-Pace führt zur Marathonzeit rund um 3 Stunden, 4:00 min/km zu ungefähr 2:48 h. Für eine breite Zielgruppe ist der zweite Carbonschuh, der S/LAB Spectur, gedacht. „Wenn man es an Zeiten festmachen will, ist der S/LAB Spectur der Schuh für eine Pace von 4:30 min aufwärts, der S/LAB Phantasm 2 jener für die andere Seite der Bandbreite, also darunter.“
Laut Datenblatt unterscheiden sich beide Salomon-Modelle im Gewicht lediglich um 16 g, die Unterschiede sind allerdings deutlich größer. „Obermaterial und Ferse des S/LAB Spectur sind darauf ausgelegt, den Schuh länger zu tragen und mehr Komfort zu haben.“ Die festere, breitere Fersenkonstruktion des S/LAB Spectur gebe mehr Halt und stabilisiere die Abrollbewegung.
Bei Brooks gibt es den Hyperion Elite 4 PB als Carbon-Topmodell. „Ein Eliteschuh für trainierte, erfahrene Läufer“, so definiert Arne Tinnemeyer dessen Zielgruppe. Natürlich werden auch heutige Carbonschuhe nicht von der Platte allein definiert, Dämpfung über die Zwischensohlenschäume macht einen wesentlichen Teil des Pakets aus.
Die Schnellen ohne Carbon
Es gibt auch schnelle Laufschuhe ohne Platten mit besonders reaktiven, „schnellen“ Varianten der modernen Dämpfungsschäume. Bei Brooks fällt etwa der Hyperion Max 2 ins schnelle Segment, „ein Trainings- und Marathonschuh, der einen enormen Vortrieb und eine sehr dicke Dämpfungssohle hat“, sagt Tinnemeyer. Mit etwas weniger Dämpfung, aber ebenfalls sehr reaktiv fällt der Hyperion 2 aus, den es zusätzlich in einer stabileren „GTS“-Variante gibt.
Schnelle Schuhe wie diese ohne Platte können alle tragen, die sich seriös auf einen Laufevent vorbereitet haben – betont auch Asics-Expertin Hernandez, auf den Asics Superblast 2 und den Novablast 5 gemünzt. „Der Novablast ist etwas direkter, der Superblast der topkomfortable, energetische Schuh.“ Beide sind Neutralschuhe, allerdings geben sie konstruktionsbedingt auch ein gewisses Maß an Halt, wie die Asics-Expertin erläutert: Der Fuß steht in heutigen Dämpfungsschuhen nicht oben auf der Zwischensohle, sondern ist in diese eingebettet, der Schaum links und rechts etwas hochgezogen, was automatisch Halt gibt. Und das reaktive Material gibt im Abrollen und Abstoßen einen trampolinartigen Push nach vorne. Die „dicken“ Schuhe sind heute erstaunlich leicht, der Superblast 2 wiegt etwa 249 g in Männer-Mustergröße.
Bei Salomon ist der Aero Glide 3 jener Schuh ohne Carbon mit der höchsten Energierückgabe. „Ein Schuh mit 40 mm unter der Ferse, mit genauso viel Dämpfung wie ein hoher Marathonschuh, aber ohne Platte. Und mit hervorragenden Rebound-Werten“, weiß Tobias Bogner.
Unsere Profiathleten brauchen ihre Schuhe mindestens vier bis fünf Wochen vor dem Wettkampf.
Tipps zum Einlaufen
Ob mit oder ohne Carbon: Der Schuh sollte eingelaufen werden, damit sich Füße und Körper an das veränderte Laufgefühl gewöhnen. „Unsere Profiathleten brauchen die Schuhe 4 bis 5 Wochen vor einem Wettkampf“, rät Arne Tinnemeyer, sich hier etwas abzuschauen. Schnelle Läufe und solche im geplanten Wettkampftempo wie auch ausdauernde Long Jogs sollten in einer langsam gesteigerten Einlaufphase absolviert werden. Und auch die Rennsocken sollten dabei getragen werden. Ein Long Run über 70 % der Distanz sollte schließlich auch dabei sein, rät Salomons Tobias Bogner. Wenn hier alles passt, bist du für den Wettkampf mit deinem schnellen Schuh gerüstet.