Kult-Stürmer Stefan Maierhofer über Training in Zeiten der Coronakrise, seine Prioritätenliste, den Reiz der Mission bei der WSG Tirol und warum der 37-Jährige noch zwei Jahre auf höchstem Niveau mitmischen will.
Als wir Stefan Maierhofer zum Interview erreichen, hat er gerade seine morgendliche Laufrunde beendet. Mit dem coronabedingten Ende des Trainingsbetriebs bei der WSG Tirol fuhr der Stürmer in sein Elternhaus nach Niederösterreich, wo er derzeit eine Wohnung im Dachgeschoss bewohnt und sich streng an die vorgeschriebene Isolation hält. „Wissenschafter, Ärzte und Experten wissen jetzt genau, was am besten für uns alle ist. Ich kann nur an jeden dringend appellieren, sich deren Vorgaben zu fügen“, sagt er zum Beginn des Gespräches. Und lässt in den kommenden 30 Minuten keinen Zweifel daran, dass es in Zeiten wie diesen viel Wichtigeres als das reine sportliche Resultat gibt.
Ganz Österreich ist im Ausnahmezustand, für Profisportler wie dich ist die Situation aber noch mal speziell, weil ihr auf körperliche Fitness angewiesen seid und nicht wisst, ob und wann die Saison weitergeht.
Direkt vor meinem Haus sind Felder, dort bin ich gerade acht Kilometer locker laufen gegangen. Das gehört zu meinem persönlichen Heimprogramm. Vom Verein haben wir einen Plan bekommen, den wir absolvieren sollen. Ich fürchte, auf diese Art und Weise wird es noch einige Zeit gehen müssen.
Wie groß ist die Gefahr, bei den fußballspezifischen Sachen abzubauen? Das ist ja mit Einzeltraining nicht kompensierbar.
Ich hab in dem Punkt etwas Erfahrung aus der Zeit, als ich vereinslos war. Du kannst einen gewissen Grad an Fitness halten, das tägliche Training, wie wir es gewohnt sind, lässt sich natürlich nicht vollständig ersetzen. Das Arbeiten in der Gruppe, das Mobilisieren, die eineinhalb gemeinsamen Stunden auf dem Platz. Vor allem geht es jetzt darum, nicht allzu viel abzubauen.
Mit Einzeltraining habe ich Erfahrung aus der Zeit, als ich vereinslos war. Du kannst einen gewissen Grad halten.
Du hast ergänzend zum Training immer wieder CrossFit gemacht.
Das geht momentan natürlich auch nicht wirklich. Ich hab ein Tabata-Programm (Anm.: basiert auf kurzen, heftigen Intervallen mit noch kürzeren Erholungspausen) für daheim zusammengestellt, das ziehe ich durch. 10, 15 Runden, dann habe ich einen ähnlichen Effekt. Leider habe ich hier keine Klimmzugstange, die geht mir ab, das ersetze ich durch Liegestütze am Boden oder andere Übungen. Das ist, ich weiß, Jammern auf hohem Niveau. Ich versuche die Situation, so gut es geht, zu meistern.
Die Meisterschaft ist unterbrochen, keiner weiß, wie lange und ob es überhaupt weitergeht. Schwer für den Kopf?
Ganz ehrlich: Aufgrund meines Alters, meiner Karriere und in Relation zu dem, was ich schon erlebt habe, ist das meine geringste Sorge. Das Wichtigste jetzt ist die Gesundheit aller Menschen, aller Mitbürger. Das hat oberste Priorität. Andere, die gerade um ihre Existenz bangen, erleben in diesen Wochen eine richtig schwere Zeit. Wenn ich jetzt anfangen würde, in irgendeiner Form zu jammern, wäre das diesen Leuten gegenüber extrem unfair. Man darf nur eins nicht vergessen.
Und zwar?
An den Profivereinen, ob in Österreich oder woanders, hängen auch richtig viele Arbeitsplätze. Da geht es längst nicht nur um den Fußballer selbst. Da geht es teils um Existenzen, in einer kleineren Liga wie Österreich vielleicht sogar mehr als in den großen Ländern. Dagegen sollte man das rein Sportliche derzeit relativieren.
Finde ich gut, dass du das so sagst, zumal die WSG ja zuletzt einen Lauf hatte. Sieben Punkte aus den letzten drei Spielen, beim letzten Match gegen Hartberg hast du mit einem Tor und einem Assist deine Scorer-Maschine angeworfen.
Rein aus sportlicher Sicht ist die Unterbrechung für uns natürlich bitter. Andererseits haben wir es geschafft, dass wir jetzt nicht mehr Letzter sind, das könnte ja auch entscheidend sein. Trotzdem ist meine große Hoffnung die, dass wir in ein paar Wochen den Betrieb fortsetzen und alles auf regulärem sportlichen Weg entscheiden können. Auch wenn dies aus heutiger Sicht schwer vorstellbar ist. Das liegt aber nicht in unserer Hand. Aber noch mal: Das ist alles nichts im Vergleich zu der Frage, wie jeder einzelne Mitbürger jetzt aus der Krise herauskommt.
Die Absage der Euro ist bitter! Auch für mich, ich habe mir noch Hoffnungen auf eine Einberufung gemacht.
Was hat dich im Jänner an der Herausforderung gereizt, Wattens vor dem Abstieg zu retten?
Kurz nachdem ich meinen Vertrag in Aarau aufgelöst habe, hat mich meine Berateragentur „Sportscon“ sofort mit Trainer Thomas Silberberger zusammengebracht. Dieser hat mir sofort aufgezeigt, dass ich als Typ, als Spieler, als Persönlichkeit und Motivator ein wichtiges Puzzlestück sein könnte, um den Klassenerhalt zu schaffen. Ich hatte das Gefühl, dass er und Sportdirektor Stefan Köck davon wirklich überzeugt waren. Das und die Aussicht, mit 37 Jahren noch einmal Bundesliga zu spielen, hat mich bewogen, diese spannende Herausforderung anzunehmen. Das haben mir ja viele Leute nicht mehr zugetraut.
Mal angenommen, die Saison wird zu Ende gespielt. Was spricht sportlich dafür, dass ihr den Klassenerhalt packt?
Wir haben in den vier Spielen seit der Winterpause gezeigt, was in uns steckt. Im Gegensatz zum Herbst stehen jetzt Spieler am Platz, die die Lehren aus den ersten 18 Runden gezogen haben (lacht). Und die eine Menge Erfahrung haben, mit Zlatko Dedic bilde ich ja einen 72-jährigen Sturm. Was mir auffällt: Durch die Erfolgserlebnisse steigt bei Spielern wie Michael Svoboda oder Lukas Grgic das Selbstvertrauen, das ihnen hilft, jetzt besser ihre Qualitäten abzurufen. Oder ein Florian Rieder, der im Herbst nicht sein ganzes Potenzial ausschöpfen konnte, jetzt aber in drei Spielen vier Assists abgeliefert hat. Gerade diese Spieler versuche ich zu pushen, sie dazu zu bringen, ihr volles Leistungsvermögen abzurufen.
Dein Vertrag läuft bis Sommer. Und dann?
Derzeit schwer zu sagen. Im Fall des Klassenerhalts verlängert sich der Vertrag automatisch. Ich kann mir gut vorstellen, noch ein oder vielleicht sogar zwei Saisonen im obersten Haus dranzuhängen. Außerdem hat mir der Klub die Möglichkeit gegeben, als Individual- und Co-Trainer in Bereiche hineinzuschnuppern, die für die Zeit nach meiner Karriere extrem interessant sind. Spätestens 2022 möchte ich die UEFA- Pro-Lizenz erwerben, den A-Schein habe ich ja schon.
Die Saison hätte in die EURO münden sollen, die wurde Mitte März um ein Jahr verschoben. Du bist selbst 19-facher Nationalspieler: Wie sehr leidet ein Spieler, für den das Turnier womöglich eine Once-in-a-Lifetime-Geschichte gewesen wäre?
Das ist schon extrem bitter! Auch für mich, ich hab mir natürlich auch noch Chancen ausgerechnet (lacht laut). So ein Turnier ist ein Highlight für alle, Spieler und Fans, das möchte jeder erleben. Jetzt müssen wir uns halt noch ein Jahr gedulden.