Lange galt die Sauna als Geheimtipp in der Regeneration, heute schlägt die Kälte in Form von Eisbädern und Kältekammern zurück. Doch hinter beiden Trends steckt eine Vielzahl gesundheitlicher Benefits.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer


Kälte? Die versuchen wir seit Menschengedenken zu vertreiben. Mit Feuer, mit Kleidung, mit besser beheizten Gebäuden oder gar Nomadentum und Wohnortwechsel. Aktuell, so scheint es, drängt sich die Fitnesswelt aber plötzlich um eisige Seen und Flüsse, klettert freiwillig in Kältekammern oder geißelt sich unter der kalten Dusche. Die Bewegung der vielleicht bequemsten aller Generationen zur unbequemen Kälte ist kaum zu übersehen. Vorreiter wie „Iceman“ Wim Hof, der bereits mit Sandalen und Shorts im Schatten des Everest-Gipfels umherkletterte oder unter Eisschollen taucht, versammeln mittlerweile eine große Anhängerschaft um sich. Doch was steckt hinter der wiederentdeckten Kraft der Kälte – und warum sollte man auch nach wie vor auf den „Klassiker“ Sauna setzen?

Cold exposure
„Cold exposure“ nennt die Fachwelt den aufkeimenden Trend zur Kälte. Und umspannt damit eine ganze Reihe von Anwendungen und Therapien, bei denen der Körper für kurze Zeit der Kälte ausgesetzt wird. Die Möglichkeiten reichen von der Kaltwasserdusche über ein gepflegtes „Eisbad“ im 2 bis 16 Grad kalten Wasser bis hin zur High-End-­Kryotherapie in eigens dafür gebauten Kältekammern. 

Gerade Letzteres, die Kryotherapie, beeindruckt mit nackten Zahlen. Entgegen den anderen Methoden macht sich der Anwender dabei zwar nicht nass, wird dafür innerhalb der Kammer für rund zwei bis vier Minuten trockener Luft mit wahrlich extremen Temperaturen ausgesetzt: -110 bis -160 Grad lesen sich jedenfalls als echte Ansage, sind mittlerweile aber in einer Reihe von Instituten, Wellnesshotels und Trainingszentren zu finden.

Das bedachte Spiel mit Kälte und Wärme ist eines der ältesten Gesundheitsrezepte der Menschheit.

Warum so kalt?
Warum in aller Welt man das bequeme Sofa verlassen und absichtlich in die von evolutionärer Aversion gezeichnete Kälte tauchen sollte? Fakt ist: Kältetherapie setzt den Körper positivem Stress, dem sogenannten Eustress, aus. Dieser hilft dabei, besser mit Distress, dem durch unzureichenden Schlaf, emotionale Faktoren, chronische Erkrankungen etc. verursachten negativen Stress zurechtzukommen. 

Speziell die Kryotherapie, so fasst Dieter Prommer, Sporttherapeut im Vivamayr Medical Health Resort Altaussee, zusammen, wirkt entzündungshemmend, immunstärkend, kann arthrotische Schmerzzustände, Muskelverspannungen und sogar milde Depressionen lindern. Ingrid Höller vom Quellenhof Luxury Resort Passeier erklärt: „Die Kryo-Kältetherapie aktiviert durch die extrem schnelle Abkühlung des Körpers Thermorezeptoren, die Blutgefäße ziehen sich zusammen. Beim Rückfluss des Blutes kommt es zu einer Blutgefäß-Erweiterung und einem sogenannten Flash-Effekt. Endorphine werden freigesetzt.“ Vorsicht ist dabei aber bei Vorbelastungen wie Durchblutungsstörungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Asthma oder Epilepsie geboten – daher: den Besuch einer Kältekammer unbedingt vorab mit dem Arzt abklären.

Für Sportler besonders interessant: Eine durch die Kälte getriggerte Immunantwort hilft dabei 24 bis 72 Stunden nach einer harten Trainingseinheit die Beschwerden (Muskelkater) zu lindern, kann nebenbei den Laktatabbau fördern. Das, so Prommer, verspricht schnellere Regeneration nach intensiven Trainingseinheiten. Da in der ersten Stunde nach dem Training einige entzündliche Reaktionen im Körper positiv auf das Muskelwachstum einwirken, wird Sportlern in der Aufbauphase empfohlen, Kälteanwendungen verzögert anzuwenden und nicht unmittelbar „abzukühlen“.

Belegt scheint, dass Kältetherapie das braune Fettgewebe im Körper aktiviert (dieses ist in der Lage durch die Oxidation von Fettsäuren Wärme zu produzieren, daher die Aktivierung durch Kälte). Dadurch werden mehr Kalorien verbrannt, was einerseits in der Reduktion von weißem Fett unterstützen, andererseits auch die Insulinsensibilität und ein etwaiges metabolisches Syndrom positiv beeinflussen kann.

Kryotherapie ermöglicht kurze, effiziente und schnelle Therapien. Man kann sich, so Höller, aber gerade als Hobbysportler zu Hause viel Gutes tun, indem man sich die Wirkungsweisen von Wechselbädern, Eistauchen etc. zunutze macht. Kalt-warm-duschen hilft in der Regeneration, die kalte Dusche, so die Expertin, unterstützt die Stärkung des Bindegewebes und der Abwehrkräfte. Wichtig ist dabei eine gewisse Regelmäßigkeit.

Wohlige Wärme
Das Spiel mit Kälte und Wärme, so scheint es, ist eines der ältesten Gesundheitsrezepte der Menschheit. Einer der frühesten überlieferten medizinischen Texte, der sogenannte Edwin-Smith-Papyrus aus dem alten Ägypten, dokumentiert genauso wie Überlieferungen von Hippocrates die Anwendung von heißem und kaltem Wasser zur Behandlung menschlicher Beschwerden. Neben warmen Quellen sind es heute vor allem die eingangs erwähnten, in Finnland seit Tausenden Jahren verbreiteten Saunen, welche im Wellness- und Erholungssektor auf großen Anklang stoßen.

Die Vorteile des Schwitzens in der Sauna? Saunieren, so Prommer, trainiert das kardiovaskuläre System. Im Wechsel von Hitze und Kälte dehnen sich die Gefäße aus und ziehen sich wieder zusammen, was die so wichtige Elastizität verbessert. Ein um bis zu 30 % erhöhter Puls wirkt auf den Kreislauf wie moderates Training. Studien deuten auch darauf hin, dass regelmäßiges Saunieren die Gefahr von tödlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduziert, weil Atmung und Blutkreislauf lernen, den Körper besser mit Sauerstoff zu versorgen und auf Blutdruckveränderungen zu reagieren. Teils erfahren auch Asthmatiker Erleichterung diverser Symptomatiken. Wer unter Bluthochdruck oder anderen Herz-Kreislauf-Problemen leidet, sollte vor dem Saunieren dennoch mit seinem Arzt Rücksprache halten.

Prommers Empfehlung: Je nach Gefühl sollte der Saunagang ca. 8 bis 20 Minuten dauern. Eine abschließende Abkühlung unterstützt den Körper in seiner Regulation. Dabei nicht direkt ins kalte Wasser springen, sondern langsam, ausgehend von den Extremitäten, abkühlen. Außerdem, so Dietmar Raich, Saunameister im Quellenhof Luxury Resort Passeier, wirkt Saunieren nur langfristig. Zumindest ein bis zwei Mal sollte man sich pro Woche Zeit nehmen, um die positiven Effekte nutzen zu können.

Kalt oder warm?
Ob man sich nun für Wärme oder Kälte entscheidet, hängt in erster Linie vom gewünschten Wirkungsbereich ab, wie Raich ausführt: „Liegen physische Beschwerden vor oder lautet das Ziel Regeneration bei Sportlern, dann ist sicherlich die Kryotherapie der richtige Ansatz. Geht es mehr um langfristige Entspannung, Wohlbefinden von Körper und Geist und um eine allgemeine Stärkung des Körpers sowie der Immunabwehr, so kann auf jeden Fall ein regelmäßiger Besuch in der Sauna empfohlen werden.“ 

Ingrid Höller

ist SPA-Leiterin im Quellenhof Luxury Resort Passeier in Südtirol.

WEB: www.quellenhof.it

Dietmar Raich

ist Saunameister im Quellenhof Luxury Resort Passeier in Südtirol.

WEB: www.quellenhof.it

Dieter Prommer

ist Sporttherapeut im Vivamayr Medical Health Resort in Altaussee (St). 

WEB: www.vivamayr.com