Weltweit nutzen Sportler die GPS-App Strava, um ihre Leistungen zu messen und zu vergleichen. Auch in Österreich wird es unter Profis und Hobbyradsportlern immer beliebter. Die Jagd nach „Kronen" und Bestzeiten macht Spaß – hat aber auch einige Schattenseiten.

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Früher war es Jägerlatein an Stammtischen und in Vereinslokalen. Wie schnell warst du? Welche Zeit hast du? Da konnte man schon einmal kräftig übertreiben, Fabelzeiten erfinden und Heldenstatus unter seinen Kollegen erlangen. Angeberei ist in Zeiten von GPS vorbei, jetzt wachen Sportuhren wie Garmin, Polar und Suunto und eine Heerschar von Satelliten über unsere Leistungen. Und die lügen nicht.

Viele Internetseiten und Apps sind in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen, die diese GPS-Daten grafisch auf Kartenmaterial darstellen und vergleichbar machen. Als Nummer eins unter den sozialen Plattformen für (Rad-)Sportler hat sich der US-Anbieter Strava etabliert (siehe Kasten unten). Und so heißt es statt frei erfundenem Jägerlatein nun: „If it's not on strava, it didn't happen." Zeige deine Daten, oder keiner glaubt es.

Landauf, landab rittern nun vornehmlich Rennradfahrer und Mountainbiker (unter Läufern ist die Plattform noch nicht so präsent) um Bestzeiten auf völlig frei wählbaren Segmenten. Der Schnellste bekommt als Prämie eine virtuelle Krone zu seinem Usernamen und die Bezeichnung „King of the Mountain" (König der Berge), oder kurz KOM. Die schnellste Dame ist die „Queen of the Mountain".

PROFIS GEGEN AMATEURE
Dieses Phänomen greift unter Hobbysportlern genauso um sich wie unter Profis. Leistungen werden vergleichbar. Rund um seine Heimatstadt Lienz etwa ist Mountainbike-Marathon-Weltmeister Alban Lakata sehr aktiv und Inhaber vieler KOMs, an denen sich dort die Ehrgeizigen (erfolglos) messen. Rund um Innsbruck sind es die Downhiller und Enduro-Kaiser, die auf steilsten Abfahrten mit ihren Daten für Staunen sorgen. Rund um Graz haben die beiden Radprofis Stephan Rabitsch und Georg Preidler viele Daten und Kronen gesammelt. Wobei man natürlich nie weiß, ob die Jungs gerade voll Stoff geben, dass sich die Pedale biegen oder freihändig fahrend eine Banane abschälen.

Auch von den Profirennen wie Paris-Roubaix, dem Giro oder der Tour de France gibt es beeindruckende Werte und Zahlen. Laut Strava verwenden weltweit mehr als 600 Profisportler diese Plattform, insgesamt waren es im letzten Jahr 304 Millionen Aktivitäten. In Österreich, Deutschland und der Schweiz hat Strava rund eine Million User, eine genauere Zahl wird nicht veröffentlicht. Sehr wohl haben wir auf Anfrage andere interessante, Österreich-spezifische Daten bekommen – siehe hier. Der Hobby-Kurbler freut sich, wenn er irgendwo in einer Bestenliste vor einem Profi oder bekannten Namen aufscheint. Als Anerkennung geben sich die Sportler gegenseitig „Kudos", das ist der „Daumen hoch" in der Strava-Welt.

NICKNAMES UND PSEUDO-PROFILE
Tierisch ernst darf man Strava und die Jagd nach Bestzeiten aber nicht nehmen. Davon zeugen allein schon die witzigen Nicknames und Pseudo-Profile. Man ist nicht zum wahren Namen verpflichtet. Rund um Los Angeles hält beispielsweise ein gewisser „Axl Rose" einige Bestzeiten. Man darf getrost ausschließen, dass es sich dabei um den Sänger von Guns'n'Roses handelt.

Zudem machen sich Strava-Nutzer einen Spaß daraus, ihre Trainingseinheiten mit lustigen Namen und kreativen Fotos zu zieren. „Heim zur Mutti" kann ein Track genauso heißen wie „Kaffee bei der Ex", „Leiden ohne Ende", „Welcome to the Jungle" oder „Ab in den Süden". Auch bei den Segmenten gibt es keine Regeln, sie können viele, viele Kilometer lang sein oder kurz wie ein Zebrastreifen oder eine Fußgängerunterführung („Vorsicht, Stiiiiiiiege"). Und zur Klarstellung: Im „Real Life", im Gelände oder in der Stadt, sieht man den Beginn und das Ende der Segmente natürlich nicht, man kann sie aber auf den Karten und der App fast auf den Meter genau identifizieren.

DIE BESTZEIT IM KOPF
Im Königreich der virtuellen Kronen gibt es aber auch ein paar Schattenseiten und ein paar Punkte, die zum Nachdenken anregen. Erstens gibt es viele, die beim Sport einfach nur das Gefühl des Freiseins und keinerlei Leistungsdruck spüren wollen. Die verzichten gerne auf Pulsmesser, Tacho und sonstigen technischen Schnickschnack. Und zweitens regt die Jagd nach Bestzeiten auch zum Rasen und rücksichtslosen Fahren an. Vor allem bei Mountainbikern im Gelände soll es da schon zu bösen Unfällen oder Konflikten mit Wanderern gekommen sein, wenn man als „Segment Hunter" den Trail oder die Forststraße auf der Jagd nach dem KOM mit einer Rennstrecke verwechselt. In Deutschland gab es Fälle, wo sich Justizorgane und Forstbedienstete selbst als User auf Strava eingeloggt haben und Biker, die auf illegalen Streckenabschnitten gefahren sind, ausgeforscht haben.

Ganz blöd erwischt hat es 2016 den französischen Radprofi Arnaud Démare. Er war beim Straßenklassiker Mailand-San Remo gestürzt und hatte etwa 30 Sekunden auf das Feld verloren. Beim folgenden Anstieg namens „Cipressa" flog er laut Auskunft seiner Gegner „mit doppelter Geschwindigkeit" an ihnen vorbei. Später gab es Anschuldigungen, der Franzose habe sich beim Fenster seines Teamfahrzeuges angehalten (im Jargon „sticky bottle"), um aufzuholen. Jedenfalls gewann Demare das Rennen noch und stellte seine Daten auf Strava. Dadurch fand man schnell heraus, dass er auf dem „Cipressa" eine fantastische Bestzeit aufgestellt hatte. Fast zu schnell, um wahr zu sein. Démare löschte seine Daten daraufhin, eine offizielle Untersuchung wurde eingeleitet, die Daten später wieder raufgeladen. Démare wurde nie ganz reingewaschen und Strava galt fortan als Beweismittel.

Findet man übrigens Daten und Fabelzeiten, die nicht korrekt erscheinen, kann man das Strava melden. Nach Überprüfung werden Bestzeiten vereinzelt wieder gelöscht. Noch ungelöst ist übrigens das „Problem", dass neuerdings motorisierte E-Biker neue Rekorde markieren, Strava aber nicht zwischen normalen und E-Bikern unterscheiden kann.

GLÄSERNE HOBBYSPORTLER
Mit der Funktion Strava Metro stellen die Amerikaner ihre gesammelten Daten zudem weltweit mehr als 100 Städten zur Verfügung. Städteplaner erhalten damit ein profundes Analysetool und erfahren, wo und wann Radfahrer und Pendler (und Läufer) die Radwege in der Stadt nutzen und welche sie links liegen lassen. Sogar wie lange sie an den Ampel stehen, wird erfasst. Damit kann die Infrastruktur einer Stadt profitieren. Bei der Planung neuer Bike- und Rennrad-Routen hilft die bestens funktionierende Kartenfunktion von Strava.

Strava hat mittlerweile Büros in San Francisco (USA, Zentrale), Hannover (GER) und Bristol (UK) und 130 Angestellte. Die User-Zahlen von Strava sind beeindruckend: Pro Sekunde werden weltweit 16 Aktivitäten hochgeladen, zehn Millionen pro Woche. Im Jahr 2016 haben sich Sportler gegenseitig 1,3 Milliarden Kudos gegeben. Mit weltweiten Pendler-Initiativen und Sportveranstaltungen wie Trail-Raids will man sich als ernst zu nehmender Partner etablieren. Und dem Jägerlatein ein für alle Mal den Garaus machen.
 

FACTS ZU STRAVA
Was ist Strava?„Strava" ist Schwedisch und bedeutet „etwas anstreben", auf Englisch „strive". Strava versteht sich als soziales Netzwerk für Athleten und ist mit der Zentrale in San Francisco die weltweit führende App bzw. Website, die mittels GPS am Handy oder der Fitnessuhr die Strecken von Radfahrern, Läufern und Schwimmern aufzeichnet.
Segmente, KOM und QOM: Bestimmte und frei wählbare Strecken in Städten oder im Gelände werden von den Nutzern auf Onlinekarten als „Segmente" bezeichnet, benannt und liefern dann eine Rangliste aller Zeiten, die registrierte Strava-Nutzer dort erreichen. Der oder die Schnellste bekommt eine (virtuelle) Krone zu seinem Namen und ist auf diesem Segment der King of the Mountain (KOM), der König des Bergs, oder die Queen of the Mountain (QOM), die Königin.
Features und Kosten:Weitere Features von Strava umfassen Routenplanung und Trainingssteuerung. Die tadellos ausgestattete Basis-App ist kostenlos, „Strava Premium" mit erweiterten Features und Analysen kostet 7,49 Euro pro Monat oder 59,99 Euro pro Jahr.
Wie funktioniert es?Zuerst muss man sporteln und schwitzen und einen GPS-Track anlegen. Dann lädt man seine Fahrt oder den Lauf vom Handy oder der Sportuhr auf Strava.com oder via App hoch – der Track kann 100 km lang oder auch aberwitzig kurz sein. Daraufhin kann man auf der Onlinekarte ein oder mehrere Segmente definieren und ihnen einen Namen geben.
Die Wettkämpfe:Fortan wird jeder Strava-Nutzer, der durch dieses Segment fährt oder läuft, registriert und in einer Rangliste aufgenommen: Der Wettkampf beginnt. In der Statistik kann man wöchentliche, monatliche und jährliche Leistungen und Fortschritte von sich und anderen Sportler sehen.
Freunde und Kudos:Zudem werden einem wie bei Facebook Freunde vorgeschlagen, denen man folgen kann. Ihren Leistungen kann man „Kudos" (wörtlich Ehre, Ruhm) geben, so heißt die Daumen-hoch-Funktion bei Strava.


Alle Infos: www.strava.com