Freeriden liegt voll im Trend. Frauen allerdings greifen (noch) eher selten zu den breiten Powder-Latten. Spezielle Ladys-Freeride-Kurse sind ein Versuch, für mehr Geschlechterparität abseits der Pisten zu sorgen – und SPORTaktiv-Redakteurin Claudia Riedl machte bei einem Kurs in Ischgl (T) den Selbstversuch. „Schneedeckentauchen" inklusive ...
Von Claudia Riedl
Da das Fahren im Gelände seit einigen Wintern Hochkonjunktur erlebt, hat sich der Tourismusverband Paznaun-Ischgl in Tirol zusammen mit der Skischule Ischgl ein besonderes Angebot überlegt: die „Ladies Freeride Xperience". Mit dem einfachen Ziel, dass der Freeride-Trend auch in der Damenwelt noch stärker Fuß fasst.
Kurz erklärt: Bei diesem Ladies-Camp tauchen Frauen für einen Tag mit einem speziellen Einsteigerkurs in Ischgl in die Welt abseits der präparierten Skipisten ein – Skiverleih, Verpflegung und Wellness inklusive. Wer das Paket bucht, bekommt zudem einen Einführungskurs in Schnee- und Lawinenkunde, lernt die Vorteile von Freeride-Skiern kennen und trainiert sogar Körperspannung und Gleichgewicht. Frauen im „Abseits"? Klingt doch gut, hat sich auch SPORTaktiv-Redakteurin Claudia Riedl gedacht und schon im vorigen Winter als Freeride-Frischling einen Selbstversuch im Geländeskifahren gewagt – und lässt das Erlebte und Gelernte hier Revue passieren ...
Skifahren durch unberührten Schnee abseits der markierten Skipisten. Zugegeben, in die ehrliche Vorfreude auf dieses Off-Piste-Fahren hat sich schon während der Anreise etwas Sorge gemischt, war ich doch zuletzt überhaupt recht wenig auf den Skiern gestanden. In der Unterkunft in Galtür angekommen, habe ich dann auch gleich meine tapferen Mitstreiterinnen getroffen: 16 Ladys unterschiedlichsten Alters (von 20 bis 50 Jahren) haben sich von diesem speziellen Freeride-Package anlocken lassen. Nur der Vollständigkeit halber: Im regulären Fall sind die Damengruppen nicht so groß bemessen – ab diesem Winter ist das Paket für 2 bis 5 Freundinnen buchbar und als Tagespauschale angelegt.
BEWÄHRUNGSPROBE
Weiter geht's mit meinem Kurs-Tagebuch: Nach der Anreise ging es für unsere Frauengruppe ab nach Ischgl, genauer zur Silvretta-Arena, einem grenzüberschreitenden Wintersportgebiet, das Österreich mit der Schweiz verbindet und neben zahlreichen präparierten Pisten auch ein riesiges Off-Piste-Areal im Angebot hat. Die passenden Freeride-Ski für unsere ersten Schwünge im Tiefschnee standen wie versprochen kostenlos zum Verleih zur Verfügung.
Da wir uns als Freeride-Neulinge natürlich nicht ohne ausgebildete Führung ins Gelände stürzen konnten, haben uns drei Powder-Guides aus der Skischule Ischgl unter ihre Fittiche genommen und jede Dame mit einem LVS-Gerät (Lawinenverschüttetensuchgerät) ausgestattet – Sicherheit muss schließlich sein! In zwei Gruppen aufgeteilt (Anfänger und Fortgeschrittene) ging es dann gleich zum Üben auf den ersten Hang. In welcher Gruppe ich als Freeride-„Nackerbatzl" war, erklärt sich wohl von selbst ... Um gleich mal auf den Punkt zu kommen: Eine gute Figur auf der präparierten Skipiste zu machen, ist für viele keine Hexerei. Beim Freeriden hingegen kommt man als Anfänger in eher selten ohne „Gesicht-Schneedecken-Berührung" den Hang hinunter. Und das, obwohl unsere Guides jede Menge nützliche Fahrtipps parat hatten. Die da wären:
- Nur keine Rückenlage! „Viele Anfänger glauben, dass man sich beim Freeriden nach hinten lehnen muss, damit vorn die Skispitzen rauskommen. Stimmt aber nicht! In steilem Gelände sollte man in Mittellage fahren, um das Tempo kontrollieren und die Ski besser steuern zu können", erklärt Freeride-Guide Hannes Walser von der Skischule Ischgl. Eine schmale Skiführung und eine etwas aufrechtere Position des Oberkörpers ermöglichen ebenfalls ein leichteres Drehen der Ski im tiefen Schnee.
- Zentrale Stellung auf dem Ski! Man sollte gut ausbalanciert auf dem Ski stehen, also den Körperschwerpunkt genau über der Bindung haben. Ist das Körpergewicht auf die ganze Fußsohle verteilt, fällt das Navigieren leichter. Hüfte, Knie und Sprunggelenk sind angewinkelt, Hände und Stöcke gehören nach vorne ins Sichtfeld des Fahrers.
- Hoch-/Tiefbewegung! Beim Kurvenfahren kann man sich die Vorteile des sogenannten „Rebound-Effekts" zunutze machen. Durch eine Hoch-/Tiefbewegung im Knie- und Sprunggelenk sowie das Verlagern der Belastung von vorne nach hinten wird der Ski aus dem Schnee an die Oberfläche gehoben. Extra-Tipp: Etwas mehr Druck auf den Außenski verhindert, dass dieser in einer Kurve „ausschert".
Ein paar Übungsfahrten und einige „Schneeküsse" später hoben wir uns dann tatsächlich mit unseren Powderschwüngen vom Fahrstil eines „Skikindergartlers" ab.
WENN JEDE SEKUNDE ZÄHLT
Auch für die Lawinenkunde hat man sich beim Freeride-Kurs ausgiebig Zeit genommen. Unsere Guides führten uns nicht nur nochmals ausführlich in die korrekte Handhabung eines LVS-Geräts ein, sondern erklärten auch, welche Ausrüstung für sichere Ausflüge ins Gelände nötig ist. Denn egal, wo und mit wem man unterwegs ist – ein paar „Security-Begleiter" sind beim Off-Piste-Fahren unerlässlich.
- LVS-Gerät: Dieses elektronische Gerät mit Sende- und Suchbetrieb dient der Lawinenverschüttetensuche und gehört zur Standardausrüstung eines Freeriders. Mit seiner Hilfe lässt sich eine andere mit einem eingeschalteten LVS-Gerät ausgestattete Person in einer Lawine anpeilen und schnell orten. Das Gerät gehört übrigens nicht in den Rucksack, sondern muss eng am Körper getragen werden.
- Sonde: Mit der Lawinensonde kann ein verschüttetes Opfer im Lawinenkegel aufgespürt und die exakte Verschüttungstiefe ermittelt werden.
- Schaufel: Ohne eine Lawinenschaufel hat man praktisch keine Chance, einen Verschütteten aus einem Lawinenkegel zu befreien, denn der Schnee hat im Kegel eine sehr hohe Dichte und wird hart wie Beton.
Neben dieser Standard-Sicherheitsausrüstung, wie man sie vom Skitourensport kennt, sollten auch beim Freeriden noch andere nützliche Utensilien wie ein Erste-Hilfe-Paket, eine Rettungsdecke oder ein Seil im Rucksack mitgeführt werden. Und die Profis, aber auch immer mehr Freizeit-Freerider zählen verstärkt den Lawinen-Airbag zu ihren ständigen Begleitern. Was dieser Airbag kann, welche Modelle es gibt, erfährst du hier.
So kurzweilig und lustig unsere Guides bei der Freeride-Schulung waren – in Sachen Schutz und Sicherheit sind auch sie auf der Spaßbremse gestanden. „Denkt immer dran: Ihr bewegt euch im freien, unberührten Gelände!, wo selbst bei größter Vorsicht immer ein Restrisiko bleibt! Nur mithilfe einer guten Ausrüstung ist man in der Lage, einem Verschütteten rasch zu helfen oder aber man kann selbst gefunden werden." Die Erklärung, dass bereits nach 10 bis 15 Minuten die Überlebenschancen eines Verschütteten unter der weißen Decke immer mehr gegen Null absinken, hat zusätzlich für die nötige Aufmerksamkeit bei der Sicherheitseinschulung gesorgt.
TEST BESTANDEN
Zu guter Letzt hat unsere Frauengruppe nochmals die pulvrigen Tiefschneepisten unsicher gemacht, bevor uns die Guides mit gutem Gewissen und den besten Wünschen aus der „Freeride-Grundschule" entließen. Mein Resümee: Das „Ladies Freeride Xperience"-Package (Details im Kasten unten) ist ein tolles Angebot für Skisportlerinnen, die in komprimierter Form das erste Mal Freeride-Luft schnuppern, die richtige Fahrtechnik erlernen und wichtige Informationen zur Lawinenverschüttetensuche erhalten möchten. Die Bezeichnung „Anfängerkurs" allerdings ist mit Vorsicht zu genießen. Denn um den Freeride-Einstiegskurs zu belegen, sollte man schon eine geübte Skifahrerin sein und etwa vor „schwarzen" Pisten nicht zurückschrecken. Ladys, auf die das aber zutrifft, kann ich nur ermuntern, es mir gleichzutun – und in diesem Winter in einem „Ladys-Freeride-Camp" einzuchecken!
„LADIES FREERIDE XPERIENCE" IN ISCHGL |
Im Paket sind folgende Leistungen inkludiert:
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Das Paket ist direkt bei der Skischule Ischgl buchbar und kostet ab € 109,– p. P./Tag. Für 2–5 Personen. |
Alle Infos: www.skischule-ischgl.at |
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