Spaß und starke Leistungen im Laufen in Symbiose – dafür steht der Ultraläufer Florian Neuschwander wie kein Zweiter. Der Garmin-Athlet verriet uns, was ihn antreibt und wie er die Entwicklung im Laufsport sieht.
Es heißt, du hast deinen ersten Lauf in Jeans bestritten. Wie kam das?
Es war 1997 ein Forstlauf von Bekannten und meine Mutter hatte mich mitgenommen, eigentlich zum Zuschauen. Dann haben sie mich gefragt, ob ich nicht mitlaufen will, und ich bin einfach mitgelaufen.
Wie ging es mit dir und dem Laufsport weiter? Und wann hast du gemerkt, dass Trainingspläne und Stabitraining nichts für dich sind?
1998 habe ich mit der klassischen Leichtathletik angefangen. Da habe ich ganz klassisch nach Plan trainiert und natürlich auch Stabitraining gemacht. Seit 2005 trainiere ich mich selbst und Stabi mach ich eigentlich nie. Nach striktem Plan trainiere ich bekanntermaßen nicht, aber ich hab meinen Plan im Kopf und weiß nach 26 Jahren genau, was ich trainieren muss, um mein Ziel zu erreichen. Die Tartanbahn mag ich immer wieder gern.
Was ist es, was dir am Laufen ganz offensichtlich so viel Spaß macht?
Ganz klar, dass es so facettenreich ist. Man kann auf der Bahn trainieren und wenn das langweilig ist, wechselt man auf längere Distanzen oder Marathon. Wenn das auch keinen Spaß mehr macht, geht es ein bisschen weiter als Marathon und man probiert sich mal an einem Ultralauf. Und Ultra ist nicht gleich Ultra: Flach, Straße, Mixed-Wald, dann wieder ganz technisches alpines Gelände. Und selbst wenn man keine Wettkämpfe läuft, kann man sich seine eigenen Challenges suchen. Bei der Haustür raus – das ist immer wie ein kleines Abenteuer.
Du läufst heute erfolgreich auf Ultradistanzen – und dann wieder mal einen schnellen Zehner in knapp über 30 Minuten. Wie geht das?
Im letzten Februar bin ich bei minus 4 Grad 30:27 gelaufen über 10 km flach, obwohl ich mich da eher für einen Ultralauf vorbereitet habe. Das kam spontan, weil ich mich danach gefühlt habe. Das spüre ich, wenn die Beine morgens irgendwie kribbeln: Jetzt könnte ich einen schnellen Zehner rennen. Dann geh ich raus und mach das.
Du läufst im Winter auch im tiefen Schnee auf deinen Hausberg in Inzell. Andererseits hast du eine starke Affinität zum Laufbandlaufen. Was ist da die Klammer?
Draußen geht es um Natur, Erlebnis, Adventure. Im Schnee kommt es ja auf keine Zeit an, das ist Ausdauertraining und ein bisschen was erleben, rausgehen, frische Luft genießen. Andererseits kann man im Winter, wenn Schnee auf den Bergen liegt, kein Tempotraining machen. Da weiche ich dann auf die Straße aus und wenn das Wetter schlecht ist, gehe ich gern aufs Laufband. Das sind dann hauptsächlich schnelle Einheiten.
Nach striktem Plan trainiere ich nicht, aber ich hab meinen Plan im Kopf und weiß nach 26 Jahren genau, wie ich meine Ziele erreiche.
Du hast 2021 einen 100-km-Laufband-Weltrekord aufgestellt in 6:26:08 Stunden – den kann man übrigens auf Youtube in voller Länge anschauen ...
Garmin #beat100flow war eine Megaaktion, echt krass, da war ich auf den Punkt topfit. Ich habe mich echt lang vorbereitet auf diesen 100-km-Weltrekord. Ja, das Video gibt es auf Youtube. Ich weiß nicht, für wen das interessant ist – sechseinhalb Stunden durchzugucken ist wahrscheinlich ein bisschen zäh. Aber die entscheidenden Phasen kann man sich sicher mal ansehen.
Wie kommen dir Ideen zu deinen Projekten – wie: „Laufen von Laufen nach Laufen“ mit 550 km und 10.300 hm in sechs Tagen?
Die Ideen kommen mir meist während dem Training. Hier hab ich konkret zuerst den Ort in Bayern an der Grenze zu Salzburg entdeckt, witzig, ein Ort namens Laufen. Irgendwie bin ich später auf Laufen bei Basel gekommen. Von Laufen nach Laufen laufen, das wär’s doch. Ich hab nachgeschaut, direkter Weg so 500 Kilometer. Dann ist das in meinem Kopf und ich komme von so einer Idee nicht mehr los. Zwei, drei Jahre später habe ich es dann umgesetzt.
Von 550 Kilometern lässt du dich nicht abschrecken?
Das hatte ich so auch noch nie gemacht. Das Spannende an solchen Sachen ist: Klar, ich kann weit und schnell rennen – aber mehrere Tage hintereinander jeden Tag so weit ist halt schon krass. Aber es hat Megabock gemacht. Wir hatten einen Live-Tracker, wo man alles mitverfolgen konnte. Da standen im Wald Leute im Nirgendwo und haben auf mich gewartet, um mitzulaufen. Das war richtig cool. Von den 550 Kilometern bin ich vielleicht 100 allein gelaufen.
Gibt es auch für dich Läufe, die keinen Spaß machen, richtig zäh sind?
Natürlich gibt es auch welche. Wenn man sich auf etwas vorbereitet, dann braucht man lange Läufe, und die langen, vor allem wenn man Pace trainiert oder so, sind mitunter schon zäh. In der Vorbereitung auf den 100-km-Weltrekord habe ich ein paar 50-km-Läufe auf dem Laufband gemacht. 50 km am Laufband als Trainingslauf in 3:45er- Pace – jo, da muss man sich schon ein bisschen überwinden.
Hast du eine Mentalstrategie, die bei solchen Läufen hilft?
Meistens suche ich mir Ablenkung. Bei „Von Laufen nach Laufen laufen“ wusste ich durch das Live-Tracking ja, da kann jederzeit einer um die Ecke stehen und da gibt es kein Aufgeben, weil die Leute warten halt, die wollen mitlaufen. Bei schwierigen Einheiten verabrede ich mich auch gern mit einem Kumpel auf Zwift oder auch draußen vor Ort, wenn ich gar keinen Bock habe. Wenn man nicht allein ist, zieht man es zu zweit durch.
Anlass unseres Gesprächs ist das Jubiläum „20 Jahre Garmin Forerunner“. Wenn du die Laufsportszene 2003 und 2023 vergleichst, was sind signifikante Unterschiede?
Das hat sich natürlich megakrass entwickelt, gerade im Ultratrail-Bereich. Ich bin ja schon 26 Jahre dabei und habe eigentlich alles erlebt. Früher als Bahnläufer bin ich auch deutsche Meisterschaften gelaufen – man hat damals ab und zu von einem Ultralauf gehört, aber das war lang nicht so populär wie jetzt. Ultralauf, Traillauf, Extremlauf – das hat sich enorm entwickelt. Aber auch in der Leichtathletik ist die Entwicklung brutal, ein Weltrekord nach dem anderen. Und Communitys, Lauftreffs, Laufcrews – die gab es früher auch nicht.
Und wie siehst du konkret die Entwicklung im Bereich der Laufuhren?
Auch da ist die Entwicklung riesig. Ich besitze den allerersten Garmin Forerunner noch – nicht meiner von damals, den habe ich noch mal nachorganisiert, aber genau den hatte ich tatsächlich: ein Riesengerät. Er hat schon geil funktioniert. Jetzt sind wir beim 965er-Forerunner, den nutze ich natürlich auch. Man kann im Prinzip alles messen und es ist für jeden etwas dabei.
Welche Funktionen sind für dich auf deinem Leistungslevel relevant? Auch die Herzfrequenzmessung etwa – oder kennst du dich so gut, dass du die nicht brauchst?
Doch, eigentlich nutze ich die auch, gerade wenn ich speziell auf etwas trainiere: Als ich etwa für den schnellen Zehner trainiert habe, habe ich auch nach Herzfrequenz trainiert. Bei Ultraläufen geht es eher nach Dauer und Höhenmetern. Spannend finde ich auch die Alltagsfunktionen, die HRV oder den Schlafbericht: Das hilft alles sehr bei der Trainingsplanung.
Protokollierst du noch jeden gelaufenen Kilometer?
Ja, es sind jetzt deutlich über 130.000. Früher habe ich alles mit Hand aufgeschrieben, seit 2018 habe ich alles gemessen und lade es auf Garmin Connect hoch. Somit habe ich immer einen guten Überblick über mein Training. Mit 130.000 Kilometern bin ich im Prinzip dreimal um die Welt gerannt.