Anna Spielmann ist erst 26 und war bis Ende 2021 eine von Österreichs Besten im Cross Country. Jetzt bestreitet sie E-MTB-Rennen. Einblicke in eine junge Sportart, über die von außen noch viel Unwissenheit und Vorurteile herrschen.
Anna, kannst du uns einen ganz kurzen Abriss deiner Karriere geben?
Mit 10 Jahren, 2008, hab ich mit Mountainbiken angefangen und bin die klassische Haiminger Mountainbikeschiene durchlaufen: von klein auf bis zum Weltcup. Ich war im Heeresleistungssportzentrum, bin in der Elite und in der U23 den gesamten Weltcup gefahren. Ende 2021 hab ich dann entschieden, dass ich es lasse. Mitte 2022 ist das Angebot von Haibike gekommen, die WES-Serie und EDR-E zu fahren. Seit 2023 fahre ich E-Bike-Rennen.
Hast du über das Angebot länger nachdenken müssen?
Nur insofern, als ich mir bei einem Endurorennen knapp davor das Becken gebrochen hatte. Die Bedenkzeit, die ich mir nahm, war darauf gemünzt, ob ich das Risiko eingehe, mich noch einmal so schwer zu verletzen. Als die Verletzung abgehakt war, war für mich recht schnell klar, dass ich es mache.
Vorbehalte gegenüber dem E-MTB als Sportgerät gab es keine?
Viele denken, es ist nicht anstrengend. Stimmt überhaupt nicht, es ist gleich anstrengend wie Cross Country, teilweise sogar mehr. Die Belastung ist eine andere, eine Ganzkörperbelastung und nicht nur in den Beinen. Mittlerweile ist mein Training genauso anspruchsvoll, aber eben viel oberkörperlastiger. Ich habe 50 Kilo, das Rad fast 25 – damit du das lenken kannst, musst du im Oberkörper Gewicht halten können. Die Konkurrenz ist im E-MTB-Weltcup jedoch noch viel kleiner als im normalen Cross Country: Du fährst, wenn es viel sind, gegen 25 andere Frauen.
Du hast im März 2023 angefangen, im Mai das erste Rennen bestritten und bist gleich Dritte geworden.
Ja genau. Das war schon eher überraschend. Es ist etwas ganz anderes, gerade das Bergauffahren. Das ist etwas, das du lernen musst und das auch viele unterschätzen: Die Strecken, die wir im Weltcup fahren, kannst du mit einem normalen Bike gar nicht aufwärts fahren. Das ist so steil, da brauchst du die Unterstützung. Das ist auch das, was E-Mountainbiken ausmacht.
Es ist also im Prinzip eine andere Sportart und Fahrtechnik. Ist dir die Umstellung leichtgefallen?
Ich war technisch immer schon recht talentiert, das ist mir sicher entgegengekommen. Bergauf ist es eine andere Sportart – bergab sitze ich immer noch auf einem Rad. Du musst auch wissen, wie der Motor reagiert. Ich bin jedenfalls in der Vorbereitung damals vor einem Jahr täglich extrem viel gefahren, habe möglichst viele Stunden am Bike verbracht, um das Gefühl für den Motor zu bekommen.
Bei 25 km/h wird auch bei euch die Unterstützung jedenfalls eingestellt. Gibt es dennoch Unterschiede zu den kaufbaren Bikes?
Ja, die Unterstützung geht maximal bis 25 km/h. Wir testen beispielsweise immer wieder Prototypen von neuer Software. Die Fahrtechnik, die wir verwenden, hat auch ihre Eigenheiten: Wenn ich bergauf in eine Kurve reinfahre, die sich mit 25 km/h nicht ausgeht, bin ich trotzdem im Wiegetritt und bremse nebenbei. Das ist wie beim Motocross: Du dosierst über die Bremse die Power des Motors.
Wie schaut dein Training sonst aus? Die Kraftkomponente hast du vorhin schon erwähnt – Ausdauer, Fahrtechnik: Wie lässt sich das kombinieren?
Ein Riesenthema ist auch noch, schnell reagieren zu können, wenn etwas im Weg ist, etwas Unvorhergesehenes eintritt, weil du mit dem E-Bike überall schneller hinfährst. Es ist viel mehr Oberkörpertraining und viel mehr koordinativ. Etwa Übungen auf Pezzibällen, auch mit schweren Gewichten. Im Winter ist auch noch eine große Ausdauerkomponente dabei.
Wird der Motor auf die jeweilige Fahrerin sowie auf Strecken speziell abgestimmt?
Es gibt von Bosch die eBike Flow-App, da kannst du die Dynamik, die Reaktionsfähigkeit einstellen. Das sind schon Tools, die wir verwenden. Aber das ist nicht speziell für die Rennen, die kann jeder normale E-MTB-Nutzer verwenden.
Du fährst zwei Serien, die E-Cross Country-Serie WES und die Enduroserie EDR-E. Wie sieht es mit der Wertigkeit der beiden Serien aus?
Von der Wahrnehmung von außen ist das recht ähnlich, aber die Wertigkeit ist völlig anders. Du machst in den Serien ja auch ganz andere Sachen. Enduro fährst du im Prinzip nur bergab, im WES fährst du eine Runde. Im Enduro sind die Downhills einfach noch böser, teilweise mit 10-Meter-Sprüngen. Das bist du nicht gewohnt, wenn du vom Cross Country kommst. Aber Enduro ist auch ein Supertraining, brutal anstrengend, aber ich nehme auch für die WES-Serie extrem viel mit.
Wenn ich bergauf in eine Kurve reinfahre, bin ich trotzdem im Wiegetritt und bremse nebenbei – wie beim Motocross.
Es ist ja eine sehr junge Wettbewerbssportart. Wie hat es sich schon entwickelt, und wohin kann’s gehen?
Ich glaube zunächst, dass E-Biken sehr wichtig für die Hersteller ist – bei 80 % verkauften E-Bikes. Wenn ein Rad Weltmeister werden kann oder Weltcups gewinnt, dann lässt es sich gut verkaufen. Insgesamt ist es sicher ausbaufähig: Gerade die WES-Serie muss, denke ich, an andere Events gekoppelt sein.
Im Moment ist das nur bei der Weltmeisterschaft der Fall ...
Genau, beim Cross Country und WES ist nur die WM gemeinsam, die Weltcups sind getrennt. Die EDR-E ist dagegen mit der normalen EDR-Serie gekoppelt. Das funktioniert auch besser, einfach weil mehr Rennen an einem Wochenende stattfinden.
2023 hast du im letzten Rennen der WES-Serie deinen ersten Sieg gefeiert. Geht es heuer so weiter?
Das hab ich geschafft, ja, und das Ziel wäre, dort anzuknüpfen. Die Konkurrenz schläft natürlich nicht, aber ja: Das ist im Prinzip das Ziel für heuer. Das größte Ziel wäre, bei der WM in Andorra Ende August eine Medaille mitzunehmen.