Neben den Bergen wird der Wald für immer mehr Menschen zum Sehnsuchtsort. Leider herrscht im Forst nicht immer nur idyllisches Miteinander: Was dürfen Sportler und Erholungssuchende in den Wäldern, die großteils in privatem Besitz sind?

Christof Domenig
Christof Domenig


In Japan heißt es „Shinrin Yoku“ und hat viel Tradition – bei uns kommt „Waldbaden“ erst seit Kurzem richtig in Mode. Gemeint ist das Eintauchen in einen Wald mit allen Sinnen. Dass Körper, Geist und Seele in den Wäldern profitieren, bestätigt zunehmend auch die Wissenschaft. So sollen Terpene – ätherische Öle, die von Nadeln und Blättern abgegeben werden und die Waldluft anreichern – das Immunsystem unterstützen und krebsvorbeugend wirken. Auch als Laie kann man freilich leicht feststellen, dass Stress und Alltagssorgen in einem Wald rasch in den Hintergrund treten. Und dass die Ruhe und Kühle im Kontrast zu lauten, hektischen und heißen Städten Seelenbalsam sind. Leider trübt auch manches die Idylle: Erholungssuchende beklagen Tendenzen, dass Waldgebiete zunehmend gesperrt und die Zugänge zu den grünen Erholungsoasen erschwert würden. Von dubiosen „Betreten verboten“-Tafeln oder „vergessenen“ Hinweisen auf Forst­arbeiten ist öfters zu hören. Auf der anderen Seite berichten Waldbesitzer und Forstwirte von Störung der Tier- und Zerstörung der Pflanzenwelt durch mehr und rücksichtslosere Gäste. Von Ignoranz von Besuchern, die Hinweistafeln auf Forstarbeiten ignorieren und sich damit potenziell in Gefahr bringen, wird ebenso berichtet wie von ausgerissenen und „entsorgten“ Schildern.

Fragt sich zunächst: Was darf man eigentlich im Wald? Wie verhält man sich naturgerecht und so, dass das Miteinander zwischen Besitzern, beruflichen Waldnutzern und Erholungssuchenden möglichst gelingt? Eines sei noch vorweggeschickt: Die Problematik des Mountainbikens in Wäldern und auf Forststraßen soll hier nur am Rande Thema sein (mehr dazu siehe im Kasten hinten): Das ist in Österreichs Wäldern bekanntlich überall dort verboten, wo es nicht ausdrücklich durch den Eigentümer erlaubt ist – und ein Thema für sich. Hier wollen wir uns mit jenen Erholungssuchenden, die zu Fuß die grünen Lungen aufsuchen, beschäftigen. Rund die Hälfte Österreichs ist bewaldet, der weitaus überwiegende Teil davon in privatem Besitz: So viel zur Ausgangslage. Wanderer, Sportler und andere Erholungssuchende sind daher Gäste im Wald – denen der Gesetzgeber aber auch Rechte einräumt: Mit dem Forstgesetz von 1975 ist es grundsätzlich jedermann erlaubt, Wälder „zu Erholungszwecken“ zu betreten. Ein Recht, für das etwa die alpinen Vereine in Österreich lange gekämpft haben.

Juristisch spricht man von Wegefreiheit – „ein Betretungs- und Aufenthaltsrecht beinhaltet jedoch den gesamten Wald“, erklärt der auf Freizeitrecht spezialisierte Jurist Dr. Wolfgang Stock. Man darf also auch querfeldein gehen oder laufen, zumindest in einem „gewöhnlichen“ Wald. Anders schaut das in einem Naturschutzgebiet oder in den Nationalparks aus, hier muss man auf den Wegen bleiben. „Betreten verboten“ gilt immer auch in einem aufgeforsteten Jungwald, in dem die Bäume unter drei Meter hoch sind. Bei Forstarbeiten können Grundbesitzer Betretungsverbote verhängen, die mit Schildern kundgemacht werden. Verständlich, denn werden etwa Bäume gefällt, würde für Passanten tatsächlich Lebensgefahr herrschen. Zeitliche Beschränkung auf die Tagesstunden, um sich in einem Wald zu erholen, gibt es keine, auch wenn Schilder manchmal anderes suggerieren. „Das Betretungsrecht gilt 24 Stunden am Tag“, weiß Jurist Stock.

Schonender Umgang
Nicht alles, was erlaubt ist, muss freilich im Sinne des Naturschutzes sein? Also nachgefragt bei Regina Hrbek, Leiterin der Naturschutzabteilung der Naturfreunde Österreich: Auch, um Konflikte nicht weiter anzuheizen, empfiehlt ­Hrbek: „Auf Wanderwegen sollte man schon aus Sicherheitsgründen bleiben. Und die Natur so wenig wie möglich verletzen.“ Zum Thema Blumen pflücken rät etwa die Naturschützerin: „Ein Foto ist auch schön und viel länger haltbar.“ Grundsätzlich appelliert Hrbek an schonenden Umgang. So, wie es schon der Hausverstand gebiete. Wo sich Recht und Hausverstand treffen, ist, dass durch Besucher keine Schäden im Wald entstehen dürfen. Nicht als Schäden gelten etwa ein geknickter Ast oder Fußbadrücke beim normalen Betreten – doch was darüber hinausgeht, ist schon nicht erlaubt. Etwa ein eingeritztes Herzerl in einer Baumrinde. Was gibt es zur Lautstärke zu sagen? „Sich in normaler Lautstärke unterhalten, um das Wild vorzuwarnen. Wildtiere erschrecken eher, wenn man durch den Wald schleicht und dann plötzlich vor ihnen steht“, sagt Regina Hrbek. In Waldstücken befinden sich auch oft Boulder- und Kletterfelsen. „Felsen im Wald sind gleich wie Waldboden zu behandeln“, sagt Jurist Stock. Verboten sind aber auch hier jedwede Veränderungen ohne Zustimmung des Waldbesitzers, etwa Bohrhaken anzubringen.

Zwei Seelen in einer Brust
Leider hapere es bei vielen Erholungssuchenden schon bei den einfachsten Grundregeln – berichtet Fritz Wolf. Der Oberösterreicher ist Waldbesitzer, Jäger und Förster und hat einst die Waldpädagogik nach Österreich gebracht. Mit seinem Sohn betreibt der heute 70-Jährige die Waldschule Almtal, rund 150 Führungen machen Vater und Sohn Wolf in ihren Wäldern pro Jahr. Etwa für die Angebotsgruppe „Waldness“, die den Erholungsort Wald in den Mittelpunkt ihres touristischen Konzepts stellt. Fritz Wolf stöhnt: „Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust – als Vermittler der Natur einerseits und andererseits Beschützer und Bewahrer des Waldes.“ 

Nur ein paar Beispiele, die Wolf nennt: „Wege werden neben den Bestehenden angelegt, kleine Fichten ausgerissen, Bäume umgeschnitten.“ Um das „sensible Ökosystem Wald“ zu schützen, versuchten Jäger und Förster aufklärend zu wirken – bei Hinweisen auf Fehlverhalten von Erholungssuchenden bekäme man jedoch oft grobe Beschimpfungen zur Antwort. Konflikte hätten in den letzten Jahren deutlich zugenommen, sagt Wolf. Und auch: „Der gut gepflegte Wald in Österreich ist zum Großteil den kleinen Waldbesitzern und Bauern geschuldet.“ Konfliktpotenzial liegt übrigens sogar in der Formulierung „zu Erholungszwecken“: Um Gruppen entgeltlich in einem Wald zu führen und anderen Menschen den Erholungsraum professionell näherzubringen, bedarf es der Zustimmung des Waldbesitzers. Das ist durch ein OGH-Urteil so entschieden, weiß Jurist Stock. Und das könnte sogar für Bergführer zum Problem werden, die einfach Gäste auf einem Wanderweg durch einen Wald hindurch in die Berge führen. 

Was man abschließend raten kann?
Eine differenzierte Sichtweise, Verständnis für den jeweils anderen Blickwinkel bei Erholungssuchenden und Waldbesitzern, nicht nur auf dem eigenen Recht beharren. Geholfen wäre auch schon, wenn sich alle Beteiligten an ein Sprichwort hielten: „Wie man in den Wald ­hineinruft, so kommt es zurück ...“

Offene Forststrassen dank Corona?
In den Zeiten der Corona-Beschränkungen wurden die Wälder in vielen Gebieten Österreichs zum noch beliebteren Rückzugs-, Erholungs- und Sportplatz als sonst. Spaziergänger, Wanderer, Hundebesitzer, Läufer, Walker und Mountainbiker haben – solo oder im Familienverbund – in der Nähe von Ballungsräumen wie Wien und Graz für regelrechte Hot­spots gesorgt. Mit Folgen auch für die Biker: In einigen Gegenden kam es zu altbekannten Konflikten Grundbesitzer/Wanderer/Biker/E-Biker, was Verbote, Sperren und neue Verbotsschilder zur Folge hatte. 

Im Internet-Talk „Tretlager“ kam es zu einem überraschenden Ansatz: Der bikeaffine Jurist Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrs­sicherheit (KfV) meinte, dass es aufgrund der Corona-Beschränkungen bei Sportplätzen, Fitnessklubs und Vereinen gar nicht so abwegig sei, eine vorübergehende Öffnung der Forststraßen zu erwirken. Damit könnten Hotspots entschärft und der Bevölkerung mehr Möglichkeiten geboten werden, im geforderten Abstand Sport zu betreiben. Rene Sendlhofer-Schag (Geschäftsführer von bikefex.at) schlug darauf eine Freigabe aller Forststraßen und Wanderwege im Sommer vor: „Am Ende der Saison ziehen wir einen Schlussstrich: Gab es vermehrt Konflikte? Hat es funktioniert? Wo waren die Probleme, wo lief es gut?“ Man könne zeigen, dass die flächendeckende Wegfreigabe für Mountainbiker nicht zu Sodom und Gomorrha führt. Auch Tourismus und lokale Politik zeigen Initiative und suchen Lösungen.

Von Christoph Heigl

Tipp
Dr. Wolfgang Stock: „Berg frei – Weg frei?!“ Die Naturfreunde Österreich haben die Broschüre über das Wegerecht herausgegeben. 

Gratis-Download unter: umwelt.naturfreunde.at im Bereich Service > Infofolder und Broschüren