Das Duell: Wir testen ein Fatbike gegen ein modernes Gravelbike. Welches entpuppt sich als beste Alternative für Winterbiker? Wo liegen die Stärken und Schwächen der beiden extremen Konzepte?

Christoph Heigl
Christoph Heigl

Ladies first und gleich vorweg: Noch nie in der langjährigen Geschichte von SPORTaktiv hat es ein Testbike der Damenwelt in unserer Redaktion so angetan. Was steht denn da Fesches im Radkeller? Wem gehört das hübsche Ding? So lauteten die Fragen auch derer, die sich noch nie für ein Zweirad interessiert haben. Und zugegeben: Das Bergamont-Gravelbike ist ein Feschak. Mit seinem dezenten Rahmen und der bunten Gabel steht es echt knackig da und verdreht den Damen zu Recht die Augen. Aber auch den Männern. Genug geflirtet, jetzt wird gearbeitet. Der Brad Pitt unter den Zweirädern muss zum Duell. Und da tritt ihm ein wilder Hund entgegen, der Bruce Willis auf Rädern, das Fatbike von White. Keine Tiefschläge, Burschen, es schauen Damen zu.

BOOM ODER GAG?
Wenn es ins Gelände geht, bilden beide Typen die extremsten Pole des Radspektrums und werden genauso stark gehyped wie kritisiert. Böse Zungen sprechen von Marketing- und Nischenprodukten, nur erfunden, um noch ein paar Bikes in den Markt zu pressen. Gag oder vollwertiges Bike? Das Bergamont Grandurance Elite provoziert Reaktionen, die Hamburger Hersteller deklarieren es als „All Road“: mit einem Rennradlaufsatz als normales Straßenrennrad verwendbar, sonst eben als Cyclocrosser oder neumodern Gravelbike (Gravel, dt. Schotter, Kies). Die Grenzen verschwimmen auch in der Praxis: Auf Asphalt dämpfen die 35 mm breiten und leicht profilierten Noppenreifen (Druckempfehlung 3 bis 5 bar, wir fuhren mit rund 4 bar) Unebenheiten und Asphaltkanten weg. Man scheint zu schweben. Dafür fehlt die nervöse Giftigkeit und Aggressivität eines Straßenracers.

Im leichten Gelände kommt die aufrechte Sitzposition zum Tragen: Auf Forststraßen fliegt die Schönheit (9,2 kg) wie ein superleichtes Mountainbike-Hardtail bergauf. Der leichteste Gang der 2 x 11-Schaltung ist 34-32, damit schafft man jede Straße, aber keine steilen Geländepassagen. Mit flachen Waldwegen hat das Bergamont null Probleme und rollt souverän. Machen wohl die wenigsten, aber die respektlosen SPORTaktiv-Tester haben das Bergamont in schweres und steiles Gelände bergab gezwungen (Trails, Wurzeln, Kanten, Steine) – da kommt es an seine Grenzen, bleibt aber erstaunlich stabil. Die 160er-Scheibenbremsen sind eine Wucht, frech ist Brad Pitts kleines Gatsch-Verhüterli über dem Vorderrad. Brettert man im Downhill über Wurzelteppiche fühlt man sich an die Anfänge der Mountainbikes um 1990 erinnert: schmale Reifen, hart, ungefedert. Aber hat uns das nicht auch damals schon Spaß gemacht? Die Fahrtechnik bekommt jedenfalls kräftig Nachhilfe, wenn man das Gravelbike durch echtes Gelände scheucht. Der unten etwas ausgestellte Lenker ist bombig.

DIE SOUNDKULISSE
Jetzt das ebenfalls ungefederte White 5 Fat Lite vor den Vorhang. Alleine schon der Sound der 4,5 Zoll breiten Reifen auf Asphalt! Es wummert und brummt wie der Verstärker einer E-Gitarre, den man voll aufdreht, die Gitarre aber nicht ansteckt. Wwwwwmmmmm! Den Luftdruck haben wir auf radikale 0,5 bar abgesenkt. Damit federn die Reifen beim Aufsitzen schon gute zwei Zentimeter ein und in Asphaltkurven hat man das Gefühl, man muss einen Schützenpanzer ums Eck dirigieren. Doch dieser Zweiradpanzer wurde ohnedies fürs Gelände entworfen. Dort glänzte unser auch nicht ganz hässliches 16,2 kg-Brockerl mit fantastischem Reifengrip. Ein durchrutschendes Hinterrad gibt es selbst auf nassen Wurzeln nicht. Bergab fährt sich das Bike wie ein Monstertruck, man wummert über alles drüber. Wurzeln, herumliegendes Geäst? Die riesigen Räder schlucken alles und rutschen nie weg. Mit Federgabel wäre unser Bruce Willis ein echter Die-Hard. Der Redaktionsschluss kam leider vor dem großen Schnee, in der weißen Pracht wird die Traktion noch erstaunlicher sein. Limitierend ist nur die eigene Power und die 2 x 9-Schaltung unseres Fatbikes (leichtester Gang 22-32).

Zurück in den Radkeller und Eindrücke sammeln. Beide Bikes machen irrsinnig viel Spaß, man hat ständig ein Grinsen im Gesicht. Aber beide sind keine First-Bike-Lösungen, der Einsatzbereich ist zu schmal. Für Rennradfahrer, die kein Mountainbike brauchen, ist ein Gravelbike aber eine sinnvolle Erweiterung für schlechte Wege und Witterung. Eine Alternative zum reinrassigen Mountainbike kann es nie sein. Ähnlich verhält es sich mit dem Fatbike. Hat man schon drei Bikes im Keller, darf das vierte ruhig ein Fatbike sein. Für mehr fehlt es an Alltagstauglichkeit. Unser Fazit: Beide Bikes sind wie alkoholfreies Bier. Passt nicht immer und überall, aber am Tag X super.