Und es hat Klick gemacht. Über Liebe, Treue und Bestand einer Beziehung. Teil 2 unserer Technikserie als Liebesbrief. Diesmal: das SPD-Pedal.

Christoph Heigl
Christoph Heigl


Liebstes SPD-Pedal!

Wie soll ich beginnen? Lange drängt es mich schon, diesen Schritt zu wagen und über unsere Beziehung öffentlich zu schreiben. Das ist vielleicht ungewöhnlich, viele Liebesbriefe mit SPD als Adressat gibt es derzeit nicht. Dass ich mit dir aber schon viel länger zusammen bin als mit meiner Frau, macht es richtig romantisch. Und bitte nicht weinen.

Wir kennen uns jetzt seit fast 30 Jahren. Es muss so 1991 gewesen sein und Liebe auf den ersten Klick. Bis dahin musste ich meine Schuhe, eigene Mountainbike-Schuhe gab es ja noch kaum, umständlich mit diesen wenig eleganten Haken und Riemen ans Pedal binden. Und dann kamst du! Metallisch, exotisch und anmutig! Aus dem fernen Japan, vom netten Herrn Shozaburo Shimano in die Welt gesetzt, du hast fortan als Klickpedal mein Leben versüßt. Erstmals konnte ich mit Schuhen Teil des Rades werden. Meine erste fixe Beziehung! Erstmals konnte ich meine Knaben-Power richtig in die Kurbel wuchten. Erstmals konnte ich mein Rad gegen die Schwerkraft vom Boden schweben lassen, Bunnyhop nannten wir das damals, wie niedlich. Aber verzeih mir bitte, liebes SPD-Pedal, dass ich in meinen Schülertagen nicht mein ganzes Geld in dich als 737er-Pedal investierte, mein Taschengeld reichte nur für das 535er. Aber schön warst du trotzdem.

SPD-Pedal

Und wie beständig deine Schönheit ist! Egal, welches Kleid du trägst, du hast dich über die Jahre kaum verändert. Ich liebte dich als 535er, als 747er, aktuell wieder als 520er. Neben dir wirken selbst Monroe, Deneuve und Bellucci wie vergängliche Sternchen. Angelina Jolie? Nie gehört.

Und dabei gestehe ich öffentlich: Ich habe dich nie gut behandelt. Ich habe dich mit Schuhen getreten, mit Abertausenden Tritten misshandelt, um Gatsch und Schnee herauszuklopfen. Da kapitulieren Skibindungen, du nicht. Du hast stets Würde und Haltung bewahrt. Gut, am Anfang bin ich noch ein paar Mal samt Bike umgefallen, weil du mich so gar nicht loslassen wolltest. Mittlerweile kriegen wir unsere On-Off-Beziehung ganz gut hin. Wobei deine SPD-Platten in den Schuhen etwas mehr Trennungsangst haben. Beim Versuch, sie beim Kauf neuer Schuhe von den Sohlen zu lösen (meist übertreibt man eben bei den 5 bis 6 Newtonmetern beim Reinschrauben, sicher ist sicher), muss meistens eine Dose WD-40 als Scheidungsanwalt her. Du trennst dich eben nicht gerne.

Ich bekenne weiter, ich habe auch nie aktiv an unserer Beziehung gearbeitet. Manche verwöhnen ihre Liebsten mit Öl, gelegentlich mit einer Packung Schmierfett. Manche befreien sie vom Korsett und legen das Innerste frei, um nach vielen Jahren allfälliger Reibungsverluste und Konflikte vorzubeugen. Ich habe das nie gemacht. Ein Mal ein Tropferl Öl zu Weihnachten oder nach einer Woche Gardasee – mehr hast du nie bekommen. Und du? Warst du nachtragend? Nie. Still hast du die Entbehrungen ertragen. Deine Lager laufen auch nach mehr als 20 Jahren noch seidenweich. Ach, und was war das für ein Spaß, als wir dem gemeinsamen Fremdgehen gefrönt haben. Weißt du noch, wie wir als Mountainbiker bei den Rennradfahrern gewildert haben?  Die mögen das ja gar nicht, wenn was aus der Mountainbike-Ecke kommt. Mountainbike-Schuhe und -Pedale am Rennrad? Igitt, das passt einfach nicht. Aber wir beide haben diese Blicke genossen. Auf der Radstrecke beim Ironman in Podersdorf, im Vorjahr bei Pacos Fuga vom

Glockner nach Grado, was haben wir gelacht. Und denen haben wir es gezeigt, was? Wir waren immer ein Team. Gemeinsam haben wir Protestlieder gesungen und Leserbriefe geschrieben, um die größte Ungerechtigkeit der Radwelt aufzuzeigen: Dass bei Biketests und Vorstellungen das Gesamtgewicht des Rades immer OHNE Pedale angegeben wird, halten wir beide für Ignoranz, Respektlosigkeit und Geringschätzung deiner Leistungen. Dabei haben dich so viele kopiert, keiner hat dich erreicht. Für mich bleibst du das beste Mountainbike-Produkt aller Zeiten: unkaputtbar, immer kompatibel, günstig. Ich darf dich auch bescheiden nennen.

Ich fand es auch nie störend, dass ich auf Schritt und Tritt an deine Anwesenheit erinnert werde. Das Klick, Klick, Klick beim Gehen mit Radschuhen auf Fliesenböden würde ich vermissen, wenn es einmal nicht mehr wäre. Und die anderen mit ihren neumodernen Flatpedals? Ha, diese Modefutzis! Bärentatzen haben wir doch früher verächtlich gesagt und mit dem Finger auf sie gezeigt. Und jetzt? Flätpädls. Wir stehen drüber, wir haben auch die Monroe überlebt.

Auf weitere Jahre und noch viele Klicks.

In großer Verbundenheit,
Dein Christoph 

Shimano Pedaling Dynamics


Infos, ganz unromantisch

SPD heißt Shimano Pedaling Dynamics und ist das Schuh-Pedal-System des japanischen Komponentenriesen Shimano, das seit den Anfängen mit dem legendären 737er im Jahr 1990 Maßstäbe setzt. Davor mussten Radschuhe umständlich mit Haken und Riemen an den Pedalen fixiert werden.

In die Sohle des  SPD-kompatiblen Schuhs wird mit zwei Inbusschrauben eine versenkte Pedalplatte („Cleats“) montiert. Damit „klickt“ man in den Pedalen ein und hat einen festen Halt und beste Kraftübertragung. Die Einstiegs- und Auslösehärte kann man einstellen. Anfänger fürchten zunächst die Sturzgefahr beim Stehenbleiben, es braucht ein wenig Übung. Zum Ausklicken dreht man in der Regel die Ferse nach außen („single release“), bei einigen löst das Pedal auch nach innen aus („multi release“). Im Falle eines Sturzes sollte das Pedal ähnlich der Skibindung durch Druck auslösen.

Aktuell gibt es elf unterschiedliche reine MTB-Pedalmodelle, sie hören auf in alter Shimano-Tradition wohlklingende Namen wie PD-M9000, PD-M8020, PD-M520 oder PD-M545. Zusätzlich gibt es für Einsteiger Touringpedale und sogenannte Click’r-Pedale, die leichter auslösen und auch in einseitigen Versionen angeboten werden. Die „Cleats“ heißen lautmalerisch SM-SH56 oder SH-SM51.

Im Rennradbereich ist SPD seit 1992 auf dem Markt, mittlerweile als SPD-SL (größere  Schuhplatte, drei Inbusschrauben) der Standard neben Hauptkonkurrent Look.