Vier Dinge, die du am Rad ausprobieren solltest, bevor die kalte Jahreszeit wieder vorbei ist.
Das neue Jahr beginnt im Dezember – zumindest für Radsportler. Die Bräunungsstreifen von den langen Ausfahrten im Sommer sind nur mehr vage zu erkennen. Die Form von damals ebenso. Jetzt ist es Zeit für einen Neustart, denken sich viele. Aber wie das zum Jahreswechsel halt so ist: Gute Vorsätze landen schnell ganz unten in der Ersatzteilkiste. Wir haben vier Motivationsbooster ausgegraben, mit denen ihr auch im längsten Winter nicht verzagt.
1. Einfach anders
Vielleicht habt ihr euch schon in der milden Septembersonne für den nächsten Radmarathon im Frühjahr angemeldet. Spätestens jetzt dämmert euch aber: Dafür braucht es Training. Am besten strukturiert. Am besten sofort. Blöd nur, dass die meisten Trainingshandbücher gleich mal lange, lockere Fahrten zu Beginn des Formaufbaus vorschlagen. Irgendwie spießt sich das mit Minusgraden, Dunkelheit und glatten Straßen. Eine Lösung: umgekehrte Periodisierung. Der Clou: Anders als üblich kommen nicht die langen Grundlagenausfahrten zuerst und die harten Tempoeinheiten dann, wenn das Rennen näher rückt. Hier beginnt ihr mit kurzen Einheiten mit hoher Intensität – also etwa Intervallen, bei denen ihr 30 Sekunden Vollgas fährt, dann 30 Sekunden locker kurbelt, und das Ganze etwa zehnmal wiederholt.
Das lässt sich wunderbar auf der Rolle im Wohnzimmer oder auf dem Mountain- oder Gravelbike bewerkstelligen. Erst wenn es draußen etwas wärmer wird und euer Auftritt mit Startnummer näher bevorsteht, macht ihr dann lange, lockere Einheiten – und bereitet euch damit auf den Tag X vor, an dem ihr auch mehrere Stunden im Sattel verbringt. Ein großer Verfechter dieses Ansatzes ist übrigens der Australier Brett Sutton – eine lebende Legende unter den Triathlon-Coaches, der unter anderem die vierfache Ironman-Weltmeisterin Daniela Ryf trainiert.
2. Einfach draußen
Der Winter ist lang. Das Büro ist stickig. Irgendwann braucht ihr einfach mal frische Luft. Aber die Überwindung ist zu groß? Einer, der sich überwunden hat – und immer wieder überwindet – ist Extremausdauersportler Michael Strasser. Für sein Projekt Ice 2 Ice radelte Strasser von Alaska nach Patagonien – zwei Weltgegenden, die nicht für ihre Palmen berühmt sind. Vorbereitung findet bei ihm daher auch im Winter zu einem großen Teil im Freien statt. Doch die Überwindung bleibt: „Die ersten zehn Minuten sind oft die härtesten. Wenn man einmal warmgefahren ist, dann ist es fast immer halb so schlimm. Je mehr einem Regen oder Kälte am Körper nagen, umso mehr g’spürt man sich auch“, verrät Strasser.
Sein Tipp: „Man muss sich vom Herbst an an die kühleren Temperaturen gewöhnen, dann ist es halb so schlimm. Wer immer draußen ist, der adaptiert sich sehr gut an die Kälte.“ Allerdings hat auch Strassers Liebe für’s Draußenfahren, das er auf Instagram unter dem Hashtag #365Outdoors dokumentiert, ihre Grenzen. Hat es kontinuierlich Minusgrade gibt’s keine harten Intervalle mehr im Freien. Dann kommen auch Tourenski und die freie Rolle zu Hause ins Programm: „Eingespannten Rollentrainer habe ich keinen – das fühlt sich nicht nach Radfahren an.“
Wer jetzt Lust bekommen hat, sich auch mal für längere Winterrunden nach draußen zu wagen, muss nicht gleich Nord- und Südamerika abfahren. Die Bekleidungsmarke Rapha ruft Biker mittlerweile jedes Jahr zu ihren „Festive 500“ auf: 500 Kilometer an acht Tagen, von Heiligabend bis Silvester: Das klingt doch nach einer Challenge, oder?
3. Einfach drinnen
Solche Ritte am Eis sind nichts für euch? Ganz unter uns – wir verstehen euch. Zum Glück hat sich beim Indoortraining in den letzten Jahren viel getan. Die Rollen sind leiser, vielseitiger und bikeschonender als frühere Generationen. Sie heißen auch nicht mehr Rollen, sondern Smarttrainer (und freilich – sie sind auch teurer). Besonders spannend aber: In den Wohnzimmern sind mittlerweile ganze virtuelle Welten entstanden, die das sonst oft monotone Indoortraining versüßen sollen. Platzhirsch in dem Bereich ist Zwift, eine Online-Plattform, bei der sich Radsportler digital treffen und gemeinsam Strecken abfahren – mal rein fiktive, mal aber auch exakte Rekonstruktionen, etwa von Anstiegen der Tour der France.
Pandemie und Home-Office-Boom haben dem kalifornischen Anbieter noch einmal einen starken Boost verliehen. Genaue Zahlen nennt man bei Zwift nicht, aber die Abonnenten haben sich nach Firmenangaben 2020 mehr als verdoppelt. Wenn euch eure Freunde als Kontrahenten nicht stark genug sind, könnt ihr euch bei der Zwift Academy bewerben und am Ende einen Profivertrag bei Alpecin-Fenix (Männer) oder Canyon SRAM (Frauen) ergattern. Dazu müsst ihr erst ein paar vorgegebene Fahrten absolvieren, ein paar Checks über euch ergehen lassen – und natürlich viele Mitstreiter ausstechen. Der große Showdown zwischen den stärksten Fahrern findet dann auf Mallorca statt.
4. Einfach weg
Apropos: Wenn es ein Synonym für „Trainingslager im Süden“ gibt, dann ist es Mallorca. Klar – schöne Straßen gibt es anderswo auch. Aber Mallorca gehört den Radfahrern. Und man muss schon selbst dort gewesen sein, um wirklich einen Eindruck davon zu bekommen, was das bedeutet: Spätestens nach 200 Metern werdet ihr aufhören, entgegenkommende Radfahrer zu begrüßen. Es gibt einfach zu viele. Auch Radverleihe sind hier dichter gesät als Supermärkte. Und gemeinsam mit dem niemals endenden Strom an feinem Carbon werdet ihr an mythische Orte des Radsports kommen: den Leuchtturm von Cap Formentor, den Tunnel am Puig Major, die Serpentinen zur Ermita de Betlem, den Krawattenknoten von Sa Calobra.
Die schlechte Nachricht: Wer nach Mallorca will muss fliegen. Eine halbe Tonne CO2 verschlingen Hin- und Rückflug. Die gute Nachricht: Wer trotzdem nicht aufs Trainingscamp verzichten will, kann diesen CO2-Ausstoß um etwa 15 Euro bei zahlreichen Anbietern kompensieren. Oder dorthin fahren, wo’s ruhiger zugeht. Denn auch Mallorcas Rennradmassen sind nicht jedermanns Sache. Anbieter von Rad-Trainingslagern und Urlauben (wie etwa der Schweizer Spezialist Huerzeler) haben nah und fern viele attraktive Ziele gelistet. Kroatien wiederum ist von Österreich aus gut ohne Flugzeug zu erreichen und vor allem in Sachen Radurlaub noch mehr oder weniger ein Geheimtipp. Das malerische Draguc und der Butoniga-Stausee in Istrien oder der Krka-Nationalpark weiter im Süden entschädigen diejenigen, die in kein Flugzeug steigen wollen.
Egal, wofür ihr euch letztlich entscheidet – die Hauptsache ist, ihr steigt aufs Rad. Denn Winter ist, was ihr draus macht.