Die heißen Sommertage liegen hinter uns, die Blätter wechseln ihre Farben, die Tage werden kürzer – und die Trails locken. Experten-Tipps und wichtige Hinweise für die späten Mountainbike-Touren in der Saison.

Michael Forster


Das Farbenspiel der Bäume, die klare und weite Fernsicht, das seltener werdende Gefühl der wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut. Keine Frage: Die goldene Jahreszeit hat auch für Mountainbiker ihre eigenen Reize. Sie stellt aber zugleich spezielle Herausforderungen an Mensch und Maschine. Vor allem braucht es – und diesen Hinweis all unserer Ansprechpartner wollen wir gleich eingangs platzieren – eine noch bewusstere Tourenplanung sowie Rücksichtnahme auf den zum Biken freigegebenen Strecken durch die Wälder. Stichwort frühe Dämmerung. „Die meisten Mountainbike-Strecken haben im Herbst mit gutem Grund verkürzte Nutzungszeiten“, klärt Markus Pekoll, Mountainbike-Koordinator des Landes Steiermark auf, „die Dämmerung ist die Äsungszeit des Wildes. Dass diese früher eintritt, soll unbedingt beachtet werden.“ Patrick Koller, ehemaliger Skicrosser, jetzt leidenschaftlicher Mountainbiker und Guide im Pletzer Sportresort Hohe Salve in Tirol, unterstreicht die Botschaft: „Natur und Wildbestand sind ganzjährig zu respektieren – nicht jede Tour muss auf Biegen und Brechen bewältigt werden.“ Ins selbe Horn stößt auch der Saalbacher Bike-Enthusiast Bernhard Niederseer: „Bei uns gibt es etwa die Initiative ‚Respektiere deine Grenzen‘, die auch zur Meidung der Dämmerungs- und Nachtzeiten aufruft. Das spielt im Herbst eine entscheidende Rolle. Die Dämmerung setzt deutlich früher ein und der Bike-Tag in der Natur geht entsprechend früher zu Ende.“ Ohne Wenn und Aber.

Longsleeve und Windstopper
Freilich gibt es jahreszeitspezifisch auch Weiteres zu beachten. Die angenehmen Temperaturen vor der Haustür verleiten an schönen Herbsttagen dazu, das Longsleeve zu Hause zu lassen. Aber auch wenn die Sonne ihre Muskeln noch spielen lässt, kann sich das im Schatten schnell ändern, ebenso in der Höhenluft. Nicht nur für seine Heimtrails in der Region Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn rät Bernhard Niederseer daher: „In Höhenlagen zwischen 1000 und 2000 Metern kann es jetzt schon sehr frisch werden, entsprechend ist die richtige Bekleidungswahl bei längeren Ausfahrten im Herbst das A und O. Windstopper oder Regenjacke und langes Shirt stehen an der Tagesordnung. Die Temperatur­unterschiede zwischen Sonnen- und Schattenplätzen, dazu die Höhenunterschiede und der Wind am Berg: All diese Faktoren verlangen schon mal nach einer Zusatz-Lage.“

Trails brauchen sogar einiges an Feuchtigkeit, um guten Grip zu geben. Bei Wurzeln und Laub heißt es aber aufpassen.

Patrick Koller

Laub und Wurzeln
In den Sommermonaten präsentieren sich Trails meist staubtrocken – auch das ändert sich jetzt, umso mehr, je näher die kalte Jahreszeit rückt. Die Sonne zeigt sich erst später am Tag, feuchte Luft hängt lange zwischen den Bäumen. Laubbäume lassen im Herbst schon mal ihre Blätter auf die Trails fallen. „Für alle, die neu in dem Sport sind oder sich auf Wurzeln und Steinen nicht so wohl fühlen, sind sicher solche Strecken von Vorteil, die weniger dieser natürlichen Hindernisse aufweisen“, empfiehlt Pekoll, sich schon bei der Streckenwahl vorab entsprechend zu erkundigen. Feuchtigkeit im Boden ist allerdings nicht per se ein Nachteil, wie Koller hervorhebt: „Die Trails brauchen auch Feuchtigkeit, um guten Grip zu geben. Wurzelpassagen sind freilich etwas rutschiger, laubbedeckten Passagen sollte man ebenfalls mit Vorsicht begegnen.“

Generell empfiehlt es sich im Herbst Fahrweise und eventuell sogar Material an die Gegebenheiten anzupassen. Wer im Sommer auf sehr leicht rollende Reifen setzt, der kann eventuell jetzt im Herbst –  zumindest am Vorderrad – über ein etwas griffigeres Modell mit guter Selbstreinigung nachdenken. Wer mit nassen Steinen oder Wurzeln konfrontiert ist, sollte das Tempo vor den entsprechenden Passagen verringern und dann kontrolliert, aber mit Schwung über die entsprechenden Schlüsselstellen rollen. Zwei große Fehler, die es zu vermeiden gilt: auf nassen Wurzeln und über Holzbrücken Finger weg von der Bremse, vor allem der Vorderbremse! Und achtet auch im Herbst auf eure Blickführung. Wer nasse Wurzeln aus Angst anvisiert, wird – auch wenn er es eigentlich vermeiden möchte – direkt darauf zufahren. Der Blick sollte also immer dorthin gerichtet sein, wohin ihr euer Bike lenken wollt, nicht dorthin, wo ihr auf keinen Fall landen wollt.

Licht und Reflektoren
Aus dem eingangs erwähnten Grund, dem Respekt vor der Natur und den Wildtieren gegenüber, stellt sich die Frage nach einer Bike-­Beleuchtung an kürzer werdenden Tagen jetzt nur für die An- und Abfahrt auf öffentlichen Straßen und Wegen, nicht jedoch in der Natur selbst. „Rückstrahler sind auf Straßen ein absolutes Must-have und haben sich in der Rad-Community durchgesetzt. Reflektierende Kleidung wäre zusätzlich optimal – und dazu ein richtig gutes Frontlicht. Auf keinen Fall glauben, dass das Smartphonelicht ausreicht“, erklärt Koller. Der Vollständigkeit halber: Im öffentlichen Verkehrsgeschehen bewegte Mountainbikes sind wie  ­jedes andere Fahrrad auch (und anders als Rennräder) von Gesetzes wegen mit allen vorgeschriebenen Reflektoren sowie bei Sichtbeeinträchtigung auch mit Front- und Rücklicht auszustatten. 

„Nachtfahrten sind für Wild, Wald und Jägerschaft ein völlig verständliches No-Go und sollten wirklich unterlassen werden“, so Markus Pekolls Appell zum Thema Dunkelheit.

Waschen und schmieren
Während im Sommer der Staub immer einen Weg bis ins letzte Lager findet, macht sich der Gatsch des Herbstes auf Mensch und Maschine breit. Es wird also Zeit, dem Bike ein wenig Zuneigung zu zeigen und Qualitytime in Reinigung und Service zu investieren. Aber auch das ist keine Spezialität des Herbstes. Denn, so der Sportwissenschafter Koller: „Tägliche Bikepflege ist an sich saisonunabhängig. Aber vielleicht wird es im Herbst noch offensichtlicher, dass das Bike gepflegt, umsorgt und gestreichelt werden will.“ Anders als früher übernimmt Ex-Downhill-Profi Pekoll die Bike-Pflege heute selber: „Der Hochdruckreiniger ist aus meiner Erfahrung vom Downhill-Weltcup ein sehr effizientes Mittel. Man muss allerdings bedenken, dass ich einen Mechaniker hatte, der mir nach jedem Rennen das Bike komplett zerlegte und die Lager mit Liebe behandelt hat. Sprich, heute versuche ich mit so wenig Wasserdruck wie möglich mein Bike wieder sauber zu bekommen.“
 

Die Luft ist klar, die Fernsicht weit und die Feuchtigkeit im Boden bringt die Trails in einen sehr coolen Zustand.

Markus Pekoll

Farben und Eindrücke
Mit dem Sommer im Rücken und der Aussicht auf die kalte Jahreszeit, ist die Lust aufs Biken noch einmal besonders groß – auch in diesem Punkt herrscht letztlich unter unserem Expertentrio Einigkeit: „Meiner Meinung nach ist der Herbst die schönste Jahreszeit, um draußen unterwegs zu sein. Das Farbenspiel in den Bergen ist um eine Nuance intensiver und auch die kühlere Luft am Morgen macht für mich einen großen Unterschied aus“, sagt Patrick Koller. „Gerade im Herbst mache ich jene Touren mit viel Fernsicht, da die in unserer schönen Heimat einfach atemberaubend ist. Die Luft ist klar, die Fernsicht oft sehr weit und die Feuchtigkeit im Boden bringt die Trails meistens in einen sehr coolen Zustand“, schwärmt Markus Pekoll über die herbstlichen Trails in der Steiermark. Und auch Bernhard Niederseer findet am herbstlichen Biken im Farbenmeer seine Freude: „Wer das noch nie erlebt hat, muss das unbedingt nachholen!“ Also: Nutzt den Tag, rauf aufs Bike und rauf auf den Berg. Inspiration für tolle Herbsttouren gibt’s mit unseren „Top 20“ im Anschluss. Mit dem Winter im Anmarsch gilt zumindest in der Höhe: Jeder Biketag könnte der Letzte des Jahres sein. 

Markus Pekoll

war früher selbst erfolgreicher Downhiller und ist heute Mountainbike-­Koordinator des Landes Steiermark.

WEB: www.schladming-dachstein.at
 

Patrick Koller

ist Sportwissenschafter, Head of Move und Bikeguide im Pletzer Resort Das Hohe Salve Sportresort (T).

WEB: www.dashohesalve.at

Bernhard Niederseer

ist Marketer und Apartmenthaus-Besitzer in Saalbach Hinterglemm

WEB: www.niederseer.at, www.skill.at