Lokalaugenschein auf Österreichs Pisten. Wie hat sich das angefühlt? Was hat uns gefallen und was hat uns gefehlt? Und wie kriegen wir diesen Ost-West-Neid und Gondel versus U-Bahn wieder weg?
Von Christoph Heigl und Klaus Molidor
Das Positive vorweg, der Puls ist noch da: Das von Unkenrufern schon oft totgesagte Skifahren scheint in Österreich überraschend lebendig zu sein. Dem Lockdown zum Trotz – es war ja erlaubt – hat es die Menschen auf die Pisten und ins Gelände gezogen wie schon lange nicht. Das hat im Osten die begrenzten Kapazitäten tageweise gesprengt. So fanden sich sonst unter dem Radar liegende Skigebiete wie Mönichkirchen am Wechsel, St. Corona, Annaberg und Veitsch/Brunnalm im Antenne-Verkehrsfunk und bei den Ö3-Staumeldungen, samt Online-Ticket-Statusmeldungen.
Fast überall haben die Sicherheitskonzepte gegriffen, diskutiert wurde in den Medien über die (wenigen) schwarzen Schafe. Allerorten gab es zwar keine ausländischen Urlauber, dafür einheimische Skifahrer, viele Familien, einen wahren Skitourenboom, vor allem bei Jungen und Frauen, zuhauf Weltcuprennen, ein buntes Bild. Selbst ein Hermann Maier strahlte in die TV-Kameras: „Skifahren ist heuer so schön wie noch nie. Perfekte Pisten und keiner ist da. Es ist eigentlich wie in den 80er-Jahren, nur mit mehr Komfort.“
Die Polarisierung
Aber es gab auch die ganz gegenteilige Wahrnehmung, von jenen, die das erlaubte Skifahren in einer Pandemie mit geschlossenen Schulen, Shops, Gastro, großer Sorge um Arbeitsplätze und Spitalsbetten gar nicht witzig fanden. Sogar ein in dieser Form neuer Ost-West-Konflikt spaltete die Republik, es folgte die leidige Polarisierung des Skifahrens in gut/böse und schwarz/weiß. Couchpotatoes gegen Freizeitsportler, Wiener U-Bahn gegen Tiroler Gondelbahn. Und nicht alles war auf den ersten Blick verständlich. Ein Schüler in den Nachrichten: „Komisch, am Vormittag darf ich nicht in die Schule, am Nachmittag aber zum Skifahren auf die Piste.“ Das benachbarte Ausland wirft einen sehr scharfen, kritischen Blick auf die Skination Nummer eins.
Und dann gibt es noch die Skitäler des Westens. Dort ist vieles wie leergefegt, ohne Urlauber tote Hose, manche haben gar nicht aufgesperrt oder nur stark eingeschränkten Betrieb. Einheimische genießen die freien Pisten. Schadenfreude auf Social Media und Gehässigkeiten in den Online-Foren haben auch nicht zur Entschärfung beigetragen. Ebenfalls noch nie dagewesen und absurd wie die Piefke-Saga: Wegen „illegalen Grenzübertritts“ hat die bayrische Polizei 50 österreichische Tourengeher angezeigt, die am Dürnberg bei Hallein die beliebte Tour genau entlang der Grenze gemacht haben und die Autos auf deutscher Seite geparkt hatten. „Der deutsche Tourengeher muss in Deutschland bleiben, der österreichische in Österreich“, sagte ein Polizeisprecher. Wer die Grenze überschreite, müsse die Quarantäneregeln bei der Einreise beachten. Das kommt wohl in die Geschichtsbücher.
Wir gehen Ski fahren, logisch
Vom Team von SPORTaktiv waren auch einige auf den Pisten und haben sich die Spanne vom Jubel um „70 % Plus“ bei kleinen Skigebieten bis hin zu Meldungen vom „Totalausfall der Saison“ aus der Nähe angesehen. Rund um Weihnachten haftete dem Skifahren noch etwas Verbotenes an. Muss ich mich fürs Skifahren rechtfertigen? Nach den ersten Schwüngen und Skitagen die Erkenntnis: In den erkundeten Gebieten Salzburgs und der Steiermark war alles sicher. Überall Maske, Buff, später sogar FFP2. Der Schnee ein Traum wie selten zuvor, die Kartenpreise ermäßigt, wenn nicht alles offen war. 100 Euro für vier Tageskarten (2 Erwachsene, 2 Kinder) ist sehr kulant, wie im Lungau. Dort rund um Aineck und Großeck/Speiereck haben wir die besten Erfahrungen gemacht, abseits vom Rummel, ergo mehr Minuten im Auto, dafür weniger los auf den Pisten, Genuss pur. Überhaupt entpuppen sich „Kleine“ wie Niederalpl und Planneralm auch in Coronazeiten als – pssst! – G*****tipp.
Das Sicherheitsgefühl war groß, das Personal überall freundlich. Wir waren immer im Familienverbund unterwegs, nur ein einziges Mal kam man mit einem Fremden am Schlepplift zusammen. Schulter an Schulter. Sicherheitshalber haben wir eine stille Fahrt genossen, am Schluss „Gummp Fhummbbh“ durch die Maske gemurmelt. Après-Ski? Haben wir vorher auch nie gemacht, fehlte also nicht. Mittagspausen fanden mit mitgebrachtem Tee, Kaffee, Keksen und Weckerln im Auto oder im Kombi-Kofferraum statt, eine Riesenhetz, auch für die Kinder. Besonders angewiesen waren wir auf tagesaktuelle Infos zu Öffnungszeiten (teilweise wochentags gesperrt), gesperrten Liftanlagen und Masken. Das haben einige Skigebiete auf ihren Websites verschlafen, telefonisch war man aber immer bemüht.
Nur ein einziges Mal kam ich mit einem Fremden am Schlepplift zusammen. Schulter an Schulter. Sicherheitshalber haben wir eine stille Fahrt genossen und am Schluss "Gummp Fhummbbh" durch die Maske gemurmelt.
Auch im steirischen Lachtal regierten Verständnis, Zurückhaltung und Abstand. Kein Murren über die Masken, nur halb belegte Sechsersessellifte und ein großes Comeback der Schlepplifte. Die Hüttenwirte im Tal haben Essen gegen Vorbestellung zum Abholen serviert und sogar maskiert ins Freie gebracht. Tickets gab es erst an Kassa und Automaten, später nur noch online, damit ja keine Kapazität überschritten wird.
Jahrhundertschneefall im Süden
Ein unvergesslicher Tiefschneetag am Nassfeld sowie toppräparierte und fast leere Pisten in Bad Kleinkirchheim hielten auch hier das Versprechen, den Skisport sicher ausüben zu können, meldet SPORTaktiv-Geschäftsführer Alfred Brunner aus seiner Heimat. Ausgestattet mit FFP2-Masken in der Gondel und am Sessellift fühlte man sich immer „supersafe“. Die Frequenz in den Kärntner Skigebieten war gefühlt auf einem Drittel des Normalniveaus. Einziger Wermutstropfen: Es fehlte die Gemütlichkeit. Da ist vor allem mit der Familie eine Hütteneinkehr ein Muss, kulinarisch und für die Pause an sich. Das Ergebnis davon waren verkürzte Skitage und der Wunsch nach Normalität im kommenden Skiwinter.
Und wie war es in Tirol? In den Gebieten rund um Innsbruck herrschte anfangs Andrang. „Danach entzerrte sich das wieder und hat sich auf mehrere Gebiete verteilt“, wie uns der Innsbrucker Kollege Matthias Christler berichtet. „Am Wochenende sind Patscherkofel und Co. gut besucht, unter der Woche ist sehr wenig los.“ Dazu muss man wissen, dass man in Innsbruck mit dem Linienbus zur Piste kommt und man auch mit wenig Zeit schnell einmal ein paar Stunden Ski fahren kann.
Trist und leergefegt
In den großen Skigebieten war es dagegen tatsächlich dramatisch. Ischgl hat lange Zeit nicht aufgesperrt, Galtür nur an den Wochenenden. Kitzbühel, Skiwelt Wilder Kaiser sind fast wie leergefegt. Vor allem am Nachmittag ist man ziemlich alleine auf der Piste. Selbst an sehr guten Tagen ist kaum ein Drittel der Leute aus einem normalen Winter unterwegs. Ähnlich trist ist die Lage im Zillertal. Mitte Jänner verlieren sich in Mayrhofen in der Weite von Penken und Ahorn auf 142 Pistenkilometern und 59 Liftanlagen gerade einmal 200, 300 Skifahrer. „Dort, wo man stark auf Gäste aus dem Ausland gesetzt hat, ist der Einbruch natürlich viel stärker, als um Innsbruck, wo der Anteil der Einheimischen immer schon groß war“, erzählt Christler.
Und so bleibt die Hoffnung, dass dieser Ausnahmewinter vom Schnee her so ein Traum bleibt, sich die negativen Schlagzeilen um Coronapartys und „Skilehrerausbildungen“ in Grenzen halten und dass sich der Wintertourismus und die Infrastruktur quer durchs Land von diesem Schock möglichst schnell erholen und wieder gesunden. Der Skisport in Österreich ist lebendig. Sogar mit Maske. Und so freuen wir uns als Skifahrer auf einen noch traumhafteren Skiwinter 21/22. Dann ohne Maske.