Downhill-Weltmeisterin Vali Höll inspiriert die nächste Generation der Biker. Weil sie früh verstanden hat, dass es um mehr geht – als „nur“ darum, Erfolg zu haben.
Vali, mit drei Jahren hast du dein erstes Rennen absolviert. Was für ein Rennen war das?
Eine Junior-Trophy bei uns in Saalbach. Ich bin mit Abstand Letzte geworden, weil ich vor jeder Fotokamera angehalten habe, um zu lächeln.
War es dein Wunsch, mitzufahren? Oder wurdest du einfach angemeldet?
Meine Familie ist total radbegeistert. Es war irgendwie ganz normal, dass ich da mitgefahren bin.
Mit 13 Jahren hattest du deinen ersten Sponsorenvertrag in der Tasche. Wie kam es dazu?
Begonnen hat es mit einem Rennen im deutschen Winterberg, acht Stunden Fahrt von Saalbach. Im Auto versuchte mein Vater noch, mich zu bremsen. Es gab keine eigene Klasse für Mädchen, ich sollte mir nicht zu viel ausrechnen. Am Ende war ich schneller als alle Jungs. Da wussten wir: „Okay, das hat Potenzial.“ Wichtig für mich war vor allem, dass ich in meiner ersten Sommersaison viele neue Freundinnen und Freunde gefunden habe. Die Bike-Szene hat mir von Anfang an extrem getaugt.
Mit 16 die erste UCI-Downhill Saison, in der du alle Rennen gewonnen hast. Warst du so gut oder waren die anderen so schlecht?
Keine Ahnung! Mir ist das Biken immer sehr leichtgefallen, es fühlt sich intuitiv an. Wenn du bei jedem Rennen fünf, sechs Sekunden schneller bist als die Zweitplatzierte, dann fragst du dich allerdings schon, woran das liegt.
Woran lag’s? Was braucht man, um so schnell zu sein?
Du hast die Linie, die wichtigen Points im Kopf. Alles andere geschieht einfach um dich herum. Kopf und Oberkörper bleiben so ruhig wie möglich, es arbeiten nur die Beine und die Arme. Du steuerst und versuchst, das Bike gehen zu lassen. Deshalb ist das Set-up auch so wichtig. Bremsen, Dämpfer, Gabel, Reifendruck – alles ist so gut wie möglich auf dich eingestellt. Das ist der große Schritt von den Juniors zur Elite: ganz genau zu wissen, was man braucht, um seinem Mechaniker exaktes Feedback geben zu können.
Wer auf der Strecke das Limit testet, wird stürzen. Wie gehst du damit um?
Man pusht, und ab und zu geht’s drüber. Das ist Teil des Spiels. Unsere Sportart ist gefährlich, ich bin mit bis zu 70 km/h unterwegs. Bei einem Sturz landest du nicht im Schnee, sondern auf Steinen oder rauschst in die Bäume. Fette Stürze sollte man vermeiden. Kleinere Stürze enthalten aber wertvolle Informationen und manchmal braucht man einen Sturz als „Realitycheck“.
Heim-WM in Leogang 2020: Du gewinnst die Quali, stürzt im Abschlusstraining und brichst dir den Knöchel. Wie tief saß das?
Das war schon deprimierend. Noch dazu habe ich mein erstes Elitejahr komplett verpasst. Dass so eine Verletzung kommen würde, war mir aber relativ klar. Knöchel gebrochen und Bänder gerissen, es hätte schlimmer kommen können. Ich hatte eine gute Reha, habe viel über mich und meinen Körper gelernt. Eine Verletzung lehrt dich Geduld, das war eine wichtige Erfahrung für mich.
Im ersten Rennen nach deiner Verletzung bist du in Führung liegend kurz vor dem Ziel gestürzt und Zweite geworden. Eigentlich ein starkes Comeback!
Ja, trotz Sturz wurde ich tatsächlich Zweite. In den kommenden Rennen ging’s dann allerdings bergab, ich setzte mich zu sehr unter Druck, stürzte häufig im Final Run. Lernen zu verlieren war aber ein wichtiges Thema für mich. Anfangs wusste ich kaum, wie ich mit meinem Frust umgehen soll. Wenn ich jetzt mal Zehnte werde, nehme ich mir das nicht groß zu Herzen. Ich weiß, wo ich stehe. Und am Ende des Tages geht es nur um Fahrradfahren.
2021 Gesamtweltcup, 2022 Weltmeistern, dieses Jahr Gesamtweltcup-Siegerin und Weltmeisterin. Passt jetzt einfach alles?
Vor allem habe ich Spaß. Wenn du dich darauf konzentrierst, ein stylishes Rennen zu fahren, werden es gute Runs. Ich dachte lange, die Leute mögen mich, weil ich erfolgreich bin. Deine Freunde mögen dich aber dafür, was du bist. Mit diesem Wissen fährt es sich deutlich entspannter.
Doppelweltmeisterin mit 21 Jahren: Kann da auch eine innere Leere kommen?
Klar, toppen lässt sich das nicht mehr so einfach. Auch wenn man natürlich versuchen kann, viele weitere Titel zu gewinnen. Biken ist wundervoll, aber objektiv betrachtet ist es nicht wichtig. Es gibt so viele Dinge im Leben, es geht vor allem darum, sich selbst zu entwickeln, und da stehe ich erst am Anfang. Ich habe begonnen zu studieren, war im Februar beim Skifahren in Japan, versuche meinen Horizont zu erweitern und das gezielt über das Biken hinaus. Es tut gut, die eigene Bubble hin und wieder hinter sich zu lassen.
Über deine Trainerin Cécile Ravanel sagst du, sie sei das Beste, was dir passieren konnte. Warum?
Cécile ist die erste Fahrerin, die sowohl im Cross-Country als auch im Enduro auf dem Podium stand. Gleichzeitig steht sie für einen speziellen Vibe im Weltcup, mit ihrer Offenheit und ihrem Spirit hat sie viele Fahrerinnen dazu gebracht, auch als Konkurrentinnen miteinander abzuhängen. Das ist wertvoll, nicht nur sportlich, sondern auch im Bezug auf Sponsoren und Verträge. Es gibt noch immer Top10-Fahrerinnen, die nicht einmal ein Minimal-Salary erhalten. Es ist wichtig, dass wir uns untereinander austauschen.
Was haben wir von der nächsten Generation an Fahrern zu erwarten?
Früher kamen die meisten vom Cross-Country oder BMX zum Downhill. Ich selbst bin eine von denen, die mit Bikeparks aufgewachsen ist. Inzwischen sieht man, dass die Kids viel früher krassen Style haben. Sobald es technisch, wurzelig wird, sind sie noch ein wenig langsamer. Aber auf den großen Jumps sind die Kleinen fast so schnell wie wir. Wie die achtjährigen Stöpsel da Gas geben – ich denke, da wird sich in den kommenden Jahren so einiges tun im Weltcup.
Es schneit immer später und weniger: Wird Biken das Skifahren der Zukunft?
In Whistler in Kanada wurden im Sommer bereits mehr Liftfahrten gezählt als im Winter. Ich weiß nicht, was kommt. Sicher scheint mir, dass viele umdenken müssen.
Wie geht’s für dich weiter?
Vielleicht fahre ich in zehn Jahren noch im Weltcup. Vielleicht mache ich etwas anderes. Mir geht es darum, einen Fußabdruck als Charakter zu hinterlassen. Es ist schön, wenn man seine Titel hat. Aber wenn du ein cooler Mensch bist, der Kinder inspiriert, dann ist das etwas Größeres. Ich habe als kleines Mädchen zu Rachel Atherton aufgesehen. Wenn ich nun dazu beitragen kann, dass Kinder den Weg zum Bikesport finden, ist das der größte Erfolg, den ich erringen kann.