Rodeln ist Volkssport, Urlaubsgaudi, Familienspaß. Damit die lustige Schlittenfahrt aber kein trauriges Ende findet, gilt es, auch ­diesen Wintersport ernst zu nehmen und die Rodel-Regeln einzuhalten.

Von Klaus Höfler


Erst der Juchzer auf der Rodel, dann das böse Erwachen im Gipszimmer: Österreichweit verletzen sich jedes Jahr rund 4.600 Menschen beim Rodeln so schwer, dass sie ärztlich behandelt werden müssen. Tendenz steigend. Nicht, weil es auf den Waldwegen und Bobpisten immer brutaler zugeht, sondern weil immer mehr Menschen im Rodeln, Bob- und Schlittenfahren eine Alternative zum Skifahren finden. Kaum ein Wintersportgebiet kommt mehr ohne ordentliche Rodelbahn aus.

Der Rodelboom liegt zu einem guten Teil an den überschaubaren Kosten dieser ältesten österreichischen Wintersportart, zum anderen an der unkomplizierten Handhabung der Geräte. Letzteres aber ist trügerisch: Richtig rodeln will gelernt sein! Mangelnde Ausrüstung, Selbstüber- und falsche Risikoeinschätzung führen bei dem als eher harmlos geltenden Winterspaß nämlich immer wieder zu teils schweren Unfällen. Das Dilemma beginnt schon mit der Ausrüstung. „Allein der Umstand, dass 94 Prozent der Unfallopfer keinen Helm getragen haben, zeigt das Präventionspotenzial", zitiert Christian Kräutler vom Kuratorium für Verkehrssicherheit eine aktuelle Studie. Dazu kommt die Wahl des richtigen Rutschgeräts. Den Sicherheitsexperten sind vor allem Modelle wie Tellerbobs, aufblasbare „Bretter" oder Reifen ein Dorn im Auge – weil diesen Geräten Kufen fehlen und sie dadurch (fast) nicht steuer-, lenk- oder bremsbar sind.

Auch der beliebte Zipfelbob kann so zur „unguided missile" mutieren. Fakt ist: Fast die Hälfte aller Unfälle passieren mit diesen Fun-Geräten. Besonders gefährdet sind dabei Kinder: Aufgrund des geringen Körpergewichts sinken die Bobs nicht wie normale Rodeln in den Schnee ein und kommen deshalb schwer zum Stehen. „Sie sollten nur auf Hügeln mit ausreichender Breite und Auslauf, keinen Bäumen und wenig Verkehr, auf keinen Fall aber auf Rodelstrecken verwendet werden", rät Kräutler. Experten empfehlen überhaupt generell den Griff zur zertifizierten Qualitätsrodel. Tatsächlich steigt dank fachmännischer Bauart nicht nur die Sicherheit, sondern auch der Spaß, weil das Gerät leichter steuerbar wird. „Und mit ein wenig Training und einigen einfachen fahrtechnischen Tricks ist dann auch ein sicherer Rodelspaß möglich", betont Michael Bielowski, Präsident des Österreichischen Rodelverbands. Na dann: Her mit diesen Tricks!

AUF DIE TECHNIK KOMMT ES AN
Es beginnt schon mit der richtigen Sitzposition auf der Rodel: „Nicht zu weit vorne, beim Geradeausfahren sogar möglichst weit hinten, weil die Rodel sonst kopflastig und schwerer steuerbar wird", lautet der diesbezügliche Rat der Profis. Als zusätzliche Steuerfunktion kann man als Pilot – abhängig vom sportlichem Ehrgeiz – über den „Zurücklehn-Winkel" die Windschlüpfrigkeit regeln. Im „Geradeausmodus" sollte man sich mit zumindest einer Hand hinten am Schlitten festhalten. Das macht sich vor allem bei holprigen Bahnen bezahlt, weil die Gefahr eines „Abwurfs" reduziert wird.

Dann die Sache mit dem Riemen: Zum Raufziehen der Rodel auf den Berg praktisch – aber was tun damit beim Runterfahren? Wichtig ist, dass der Riemen nur ja nicht unter die Kufen kommt. Falls man einen „normalen" Schlitten mit fixiertem Fahrgestell hat, sollte man sich bei der Talfahrt auf den Strick draufsetzen, weil er bergab keine Funktion hat. Hat man dagegen ein mit einer richtigen Rennrodel enger verwandtes Modell in beweglicher Bauweise unterm Hintern, bei dem also die Kufen vorne mittels Gummilagerung mit den Holmen des Sitzbocks verbunden sind, dann sollte immer eine Hand am Riemen sein, da er als „Lenkrad" der Rodel dient. Zieht man das Lenkseil in eine Richtung und verlagert man das Körpergewicht richtig, beißen sich die mit rund 20 Grad angewinkelten Kufen spürbar in den Schnee und bringen damit auch auf hartem Untergrund einen guten, stabilen Kurvenhalt.

DAS RICHTIGE KURVENFAHREN
Apropos Kurve: Da ist auch beim Rodeln der richtige Hüftknick das Erfolgsgeheimnis. Und der immer ­gleiche Bewegungsablauf: Aufsetzen – anbremsen – mit dem Außenfuß gegen die Kufe drücken – den Oberkörper nach innen lehnen – mit der Außenhüfte Druck aufbauen (der Hüftknick!) – entweder den „inneren" Fuß neben der Rodel mit der ganzen Sohle auf den Boden drücken oder die Kurveninnenhand so weit wie möglich nach innen strecken. Das bringt nicht nur Balance, sondern führt durch die optimierte Druckverteilung zu einer überraschend akkurat reagierenden Rodel. Driftmöglichkeit inklusive. Und der Spaßfaktor steigt, weil so auch im Kurvenausgang kaum Tempo verloren geht und man sich wie ein Formel-1-Pilot in der Zielkurve fühlt.

FÜR MEHR SICHERHEITDer Rodelverband reagiert
Österreichweit wird versucht, durch gezielte Beratungen beim Streckenbau oder durch Schulprojekte die Sicherheit zu verbessern.
In Tirol und der Steiermark gibt es bereits eigene Gütesiegel für die Strecken, auch die Ausweisung nach Schwierigkeitsgraden wie auf Skipisten nach leicht (blau), mittel (rot) und schwer (schwarz) nimmt zu.
„Wir wollen aus den Rodelstrecken aber ­keine Autobahnen machen, auf denen ­alles reglementiert ist, aber es geht um ein Bewusstmachen des Gefahrenpotenzials", sagt Rodelverbandspräsident Bielowski.


DAS RICHTIGE BREMSEN
Umso wichtiger ist angesichts der hoch gehaltenen Geschwindigkeit die richtige Bremstechnik. Grundregel 1: Immer vor, nie in der Kurve ­bremsen. Regel 2: „Nicht mit der Ferse und mit ausgestreckten Beinen bremsen", warnen die Profis. Damit staubt man sich nur selbst sein, vor allem aber ist die Verletzungsgefahr sehr hoch. Bekommt man nämlich einen Schlag durch eine Bodenwelle, geht dieser ohne Stoßdämpfung aufs Sprunggelenk oder verdreht das Knie! Stattdessen die Knie anwinkeln und die Schuhe mit der gesamten Fußsohle (mit starkem Profil – Profis haben eigene Spikes) neben der Rodel aufsetzen. Führung und Bremswirkung ist dadurch besser, das Verletzungsrisiko geringer. Die stärkste Bremswirkung schafft man, indem man die Rodel überhaupt vorne hochzieht und zu den Schuhsohlen auch die hinteren Enden der Kufen in den Schnee presst.

WO DIE GEFAHREN LAUERN
Das alles erfordert natürlich Übung. Und an der fehlt es den meisten. „Acht von zehn Rodlern geben an, ihre Rodel nicht in jeder Situation im Griff zu haben", bestätigt Sicherheitsexperte Kräutler. Die mit Abstand häufigste Unfallursache sind daher Stürze (72 Prozent), jeder fünfte Unfall ist eine Kollision (mit anderen Rodlern, Fußgängern, Hunden, Bäumen etc.). Auch typisch: Rund die Hälfte der Verunfallten sind Erwachsene – nur ein Viertel sind Kinder unter 14 Jahren! In mehr als der Hälfte der Fälle erleiden die Wintersportler Knochenbrüche (54 Prozent), gefolgt von Sehnen- und Muskelverletzungen mit jeweils 21 Prozent. Besonders schwerwiegend sind Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen mit jeweils rund 17 Prozent.

Aufgepasst: Jeder fünfte Unfall passiert zwischen 18 Uhr abends und vier Uhr früh, obwohl die Zahl der Rodler da deutlich geringer ist als tagsüber. Der Grund liegt zum einen in den durch die abendliche Kälte eisigeren Bahnen, zum anderen fährt nicht zu selten Alkohol als Co-Pilot mit, der die Hemmschwellen sinken lässt. Nicht selten endet der Leichtsinn sogar in einem absoluten „No go": dem Rodeln auf Skipisten, wo vereiste Kunstschneeteppiche, Bodenwellen und im schlimmsten Fall entgegenkommende Pistengeräte den Freizeit­sport zum Harakiri-Unterfangen mutieren lassen.

DIE 10 RODEL-REGELN
  • Gute Ausrüstung verwenden: Helm, feste Schuhe, Skibrille, Qualitätsrodel
  • Sperren und Warnhinweise beachten: vergewissern, ob Strecke freigegeben ist
  • Bei Aufstieg in der Bahn: rechts und hintereinander gehen, Queren nur an übersichtlichen Stellen
  • Kontrolliert und auf Sicht fahren: Geschwindigkeit und Fahrweise dem eigenen Können, dem Verkehr auf der Strecke und den Streckenverhältnissen anpassen
  • Auf sich aufmerksam machen: beim Überholen oder Vorbeifahren an Fußgängern rechtzeitig rufen, bei Dunkelheit Stirnlampe verwenden.
  • Bei Stopps vergewissern, dass alle da sind und nur an übersicht­lichen Stellen stehenbleiben
  • Rodeln auf Skipisten ist gefährlich (Skifahrer, Pistengeräte, vereiste Stellen, Bodenwellen) und verboten
  • Keine Hunde mitführen: Bei Aufstieg und Abfahrt sind sie schwierig zu führen. Kollisionsgefahr!
  • Nicht unter Alkohol- oder ­Medikamenteneinfluss fahren
  • Bei UnfällenErste Hilfe leisten



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