Österreichs Marathon-Rekordmann Günther Weidlinger (2:10:47 h) läuft nur noch zum Spaß. Und er gibt seinen reichen Erfahrungsschatz in der Hobbylaufszene weiter. Für die Laufbegeisterten unter der SPORTaktiv-Leserschaft macht der 37-Jährige ab nun in losen Abständen den Coach: Zum Auftakt nimmt Weidlinger populäre Laufmythen ins Visier und unterzieht sie einem kritischen Faktencheck.
Aufgezeichnet von Christof Domenig
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1. LIEBER AUF WEICHEM UNTERGRUND LAUFEN.
JEIN. Der Crosslauf ist für mich zwar die „Mutter aller Laufbewerbe“, ich meine aber, dass mit modernem, gedämpftem Schuhmaterial auch das Laufen auf Asphalt kein Problem darstellt. Im Marathontraining kommt man sowieso nicht darum herum. Die Gefahr, umzuknicken und sich zu verletzen, darf dagegen auf einem weichen Waldboden nicht unterschätzt werden.
Mein Tipp: Die beste Verletzungsvorbeugung ist regelmäßige Fußgelenksgymnastik zur Stabilisation und Kräftigung der Fußmuskulatur, weil auch die besten Schuhe kein Allheilmittel sind. Ist das erfüllt, ist die Wahl des Untergrunds kein Thema.
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2. LANGSTRECKENLÄUFER BRAUCHEN KEINE KURZEN TEMPOLÄUFE.
STIMMT EINDEUTIG NICHT. Auch Marathonläufer brauchen kurze Läufe, um ihre Schnelligkeit zu erhalten. Zwar muss man im Marathon eine relativ niedrige Geschwindigkeit lange laufen können – das funktioniert aber nur, wenn man tatsächlich eine deutlich höhere Geschwindigkeit verträgt.
Mein Tipp: Neben langen Läufen auch immer die „schnellen Muskelfasern“ trainieren – zum Beispiel mit 10 x 200 Meter Tempoläufen.
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3. DURCH DIE NASE EIN- UND DURCH DEN MUND AUSATMEN.
NEIN. Ich bin der Meinung, dass man sich mit solchen und anderen Kleinigkeiten bloß verzettelt. Wenn man zu viel Konzentration auf Details wie die Atmung legt und krampfhaft versucht, solche „Regeln“ zu verinnerlichen, dann geht eher der Spaß am Laufen verloren. Bei mir hätte diese Regel auch nie funktioniert, weil sich meine Nase beim Einatmen zusammenzieht. Und ab einem gewissen Tempo ist das Nasenatmen sowieso nicht mehr möglich.
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4. KRAFTTRAINING MACHT LÄUFER SCHWER UND LANGSAM.
FALSCH. Für absolut jeden Läufer ist ein stabiler Rumpf essenziell. Ein stabiler Oberkörper kann den Beinen wichtige Arbeit abnehmen. Außerdem kommt es bei zu schwacher Körpermitte und damit fortschreitender Ermüdung zum typischen „Reinknicken ins Becken“. Rückenschmerzen sind damit vorprogrammiert. Leistungsorientierte Läufer sollten darüber hinaus zusätzlich auch die Beinkraft gezielt trainieren. Die Beinmuskulatur gehört nicht nur beim Laufen, sondern auch mit Kraftausdauertraining an die Grenzen gebracht, damit die erwünschte Superkompensation (also die Leistungsverbesserung) eintreten kann. Ziel ist ein schlanker, zäher Muskel. Auch interessant:Läufer beim Krafttraining - Der Kampf gegen die Kettlebells.
Mein Tipp: Die Gewichte oder Übungen so wählen, dass man 40 bis 60 Wiederholungen schafft. Wichtig: Wirklich ausbelasten, auch wenn es schmerzt!
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5. RADFAHREN VERSCHLECHTERT DIE LAUFLEISTUNG.
STIMMT NUR ZUM TEIL. Mit schweren Gängen zu treten, ist für die Läufermuskulatur sicherlicht nicht ideal, weil sie damit insgesamt zu kräftig wird. Grundlagen-Ausdauereinheiten am Rad mit hoher Trittfrequenz (oder alternativ auf Inlineskates) haben dagegen ganz sicher eine positive Wirkung, weil andere Muskelgruppen belastet werden. Und durch die Abwechslung profitiert auch die Motivation.
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6. LAUFTECHNIK IST UNWICHTIG. JEDE/R LÄUFT SO, WIE ES FÜR IHN/SIE AM BESTEN PASST.
ZWEISCHNEIDIGE SACHE. Grundsätzlich glaube ich schon, dass eine ökonomische Lauftechnik sehr wichtig ist, für die Leistung und als Verletzungsvorbeugung. Andererseits stimmt es auch, dass jeder Mensch andere Voraussetzungen hat. In der Praxis würde ich einem älteren Läufer, der eine falsche Lauftechnik verinnerlicht hat, nicht mehr zum Umlernen raten. Zumindest nicht, wenn die suboptimale Technik augenscheinlich nicht gesundheitsrelevant ist.
Man bedenke: Um einen neuen Bewegungsablauf zu verinnerlichen, sind 1.000 richtige Ausführungen nötig – um eine falsche Bewegung zu ändern, sogar 10.000! Da würde der Spaß am Laufen vermutlich dahin sein. Junge Athleten im Leistungsbereich sollten aber in jedem Fall nach einer perfekten Lauftechnik streben.
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7. VIEL LAUFEN SCHADET DEN GELENKEN.
NEIN. Ich bin in meiner Karriere 140.000 Kilometer problemlos gelaufen. Wahr ist viel mehr: Durch Bewegung werden die Gelenke besser mit Gelenksflüssigkeit versorgt, in der alle nötigen Nährstoffe sind. Der Körper ist schlau: Was belastet wird, wird gekräftigt, was nicht gebraucht wird, wird dagegen eingespart. So ist es auch mit den Gelenken.
Mein Tipp speziell für Laufeinsteiger: Sehnen, Bänder und Gelenke brauchen am längsten, um sich an die Belastung anzupassen. Also bei allem Ehrgeiz: Langsam steigern und unbedingt ausreichend Regenerationszeiten einplanen.
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8. BEI MUSKELKATER EINFACH DRAUFTRAINIEREN.
BITTE NICHT. Dieser längst widerlegte Mythos hält sich in ehrgeizigen Läuferkreisen hartnäckig. Ein Muskelkater rührt von Mikroverletzungen aufgrund einer ungewohnten Belastung her, und diese kann man nicht „raustrainieren“! Wer die gleichen Körperpartien unmittelbar wieder belastet, riskiert sogar größere Folgeverletzungen.
Besser: Lockere Alternativbewegung (Schwimmen, Radeln, Skaten ...), die die Durchblutung fördert, aktive Regenerationsmaßnahmen, eiweißreich ernähren.
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9. DER BESTE PULS FÜRS AUSDAUERTRAINING IST 140.
FALSCH. Der beste Trainingpuls ist individuell völlig verschieden. Nicht nur, dass man möglichst abwechslungsreich und damit auch in unterschiedlichen Pulsbereichen trainieren soll, um Fortschritte zu machen, unterscheiden sich auch die individuellen Pulsbereiche der Menschen enorm. Mit einer Leistungsdiagnostik findet man seine persönlichen Belastungsbereiche heraus.
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10. DIE LANGEN, LANGSAMEN LÄUFE SIND DAS UM UND AUF.
STIMMT ZUM TEIL. Mit geduldig absolvierten Grundlagenausdauer-Einheiten errichtet und erhält man das Fundament, also die Basis, auf die man drauftrainieren kann. Immer nur langsam zu laufen, mag für die Gesundheitseffekte des Laufens okay sein, wer aber immer gleich läuft, stagniert nicht nur, sondern baut eher wieder ab statt auf. Insgesamt empfehle ich daher allen Hobbyläufern, unabhängig von den Zielen, abwechslungsreich zu trainieren und ab und zu auch an die eigenen Grenzen zu gehen.
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