Wer mit dem Bike am Wasser tourt, tankt Kraft und kommt zur Ruhe. Auf den alten Radwegklassikern genauso wie auf neuen Wegen.

Christof Domenig
Christof Domenig

Es hat wohl mit der Natur eines Flusses zu tun“, meint Stefanie Dolzer von den „Trail Angels“ (jenem Unternehmen, das den neuen „Amazon of Europe Bike Trail“ konzipiert hat) auf die Frage, warum das Radfahren an einem Fluss eine so erdende Wirkung entfaltet. „In Fließrichtung entlangrollend, kann man auch die Gedanken wunderbar fließen lassen. Das Wasser steht für Leben und gibt ein Gefühl von Lebendigkeit.“ 

Jeder, der es schon einmal probiert hat (und nicht gerade die am stärksten frequentierten Abschnitte eines Flussradwegs entlanggefahren ist), weiß, dass das etwas für sich hat. Wasser gibt Kraft und damit ist nicht die Energie gemeint, die von der Steckdose in die E-Bike­-Akkus fließt. Nach einer Radtour am Fluss oder auch einem großen See fühlt man sich enspannt und bereit für neue Aufgaben. Als würden die Sorgen des Alltags im Wasser versinken. Es mag mit dem genau richtigen Tempo einer Radtour zu tun haben – man kommt voran, fühlt sich aber zugleich mit der Umgebung eins. Oder dem monotonen Rauschen, Plätschern oder Gurgeln. Und man weiß auch: Von einem Berg herunter ins Tal, aufs Meer hinaus oder eben auf einen See oder Fluss schauend, kommen die Gedanken im Kopf zur Ruhe. Ein riesiger Mehrwert in Zeiten, die von Hektik und Meldungen, auf die man lieber verzichten möchte, geprägt sind. 

Von der Entschleunigung des Alltags, die es (erzwungenermaßen) gab, ist nicht viel geblieben – dafür haben viele die Liebe zum Fahrrad und zum Draußensein als Alltags-Gegenpol entdeckt. Schön, dass der Alpenraum voller radelbarer Wege an Flüssen und Seeufern ist, vom großen Radweg-Klassiker bis hin zum kleinen Geheimtipp.

Sehnsucht nach Natur und Freiheit
„Flussradtouren liegen im Trend und stillen die Sehnsüchte nach Natur und Freiheit. Der Boom im Radtourismus hat sich gerade durch die Coronakrise noch verstärkt, auch der E-Bike-Boom ist zu spüren“, bestätigt auch Geschäftsführerin Petra Riffert von der „WGD Donau Oberösterreich Tourismus GmbH“. Der Donauradweg zwischen Passau und Wien ist mit Sicherheit der beliebteste und bekannteste unter den Flussradwegen in Österreich. 

Einer, der das Erlebnis Radeln am Fluss wie kaum ein zweiter kennt, ist der Münchner Autor und Journalist Thorsten Brönner (siehe Buchtipp): „Die Touren an Flüssen und Seen sind wenig steigungsintensiv. Gerade in Österreich können Radler an vielen Routen in der Höhe starten und zu Tal ziehen. Flussradwege punkten auch durch wenig Verkehr“, zählt der Kenner die Hauptvorteile auf. Mit der Zeit, die sich für eine Tour nimmt, steigt auch der Erlebniswert, weiß Brönner: „Das Gewässer an der Seite wächst von Tag zu Tag an. Landschaften und Städte verändern sich und als Radler wird man immer gelassener.“ Neben den großen, bekannten Flussradwegen gebe es in Österreich auch tolle Zwei- oder Dreitagestouren an kleinen Flüssen, die sich lohnen, spricht er eine deutliche Empfehlung für Mehrtagestouren aus. 

Sein Favorit – und ein Geheimtipp? „Jeder Flussradweg hat seinen Reiz. Die abwechslungsreiche Fahrt an der Drau steckt voller Überraschungen. Eine besonders ruhige Tour verspricht zum Beispiel der Kamp-Thaya-March-Radweg im Wald- und Weinviertel.“

Natur, Kultur, Kulinarik
Bei aller bestehenden Vielfalt: Neue Wege tun immer gut. Dass solche aktuell geschaffen wurden und werden, zeigt auch, dass die Radwege am Wasser am (Ruhe-)Puls der Zeit sind. Die Angebote orientieren sich auch am Gästeverhalten: „Neben dem klassischen mehrtägigen Touren ist seit einigen Jahren ein Trend zu Rund- und Sternfahrten zu erkennen“, erklärt Petra Riffert. Von einem Übernachtungsort aus auf Erkundungstour zu gehen, statt jeden Tag die Zelte abzubrechen, hat zweifellos seine Vorteile, zumal sich die Frage des Gepäcktransports nicht stellt. Nicht zuletzt kann man bei suboptimalem Wetter leichter auf ein Alternativprogramm zurückgreifen. Aus eben jenem Trend der stationären Aufenthalte sowie jenem zu den E-­Bikes ist das Projekt „Donauradweg re.loaded“ entstanden, erläutert Riffert: 15 Rundtouren, die im Mai 2022 eröffnet werden und vom Inn- und Donauradweg ausgehend die Umgebung erkunden und dabei auch einige mehr Höhenmeter als der Radweg beinhalten. Durchs E-Bike verlieren auch die Bergaufpassagen ihren Schrecken. „Auch Kultur, Kulinarik und andere Erlebnisse lassen sich hier ideal mit dem Radfahren kombinieren.“ Denn auch das wird gesucht.

In die Natur wie in die Ferne kann man auf dem „Amazon of Europe Bike Trail“ schweifen: Der verläuft auf zwei Routen von der Südsteiermark ausgehend die Mur, Drau und Donau entlang durch Slowenien, Ungarn, Kroatien und Serbien, durch herrliche, geschützte Naturrefugien und teils touristisch noch kaum erschlossenes Terrain. Hinter diesem Fernradweg steht das Team, das auch den Alpe-Adria-Trail geschaffen und mit diesem zur Verjüngung des Weitwanderns beigetragen hat. Wie dort gehe es auch beim „Rad-Weitwandern“ darum, „die sich ändernden Landschaften und Kulturen und die Kulinarik zu erleben“. Auch zeitgemäß: Jeder beliebige Abschnitt kann gewählt, es kann mühelos über ein eigenes, offizielles Buchungscenter zentral gebucht werden, Gepäcktransport ist dabei. Und für alle unsere ausgesuchten Tourentipps gilt: Aufsitzen und mit der Kraft des Wassers einfach zur Ruhe kommen.