Seit mehr als 10 Jahren steht Lisi Steurer im männerdominierten Berufsfeld des Berg- & Skiführers erfolgreich ihre „Frau". Was gute Bergführer ausmacht, wie sie sich im alpinen Gelände Respekt verschafft und wo sie die aktuellen Probleme ihres besonderen Berufsstandes sieht, das erzählte sie uns im Interview.

Von Claudia Riedl


Die Berge bedeuten für die Osttirolerin Lisi Steurer „Inspiration und Reduktion auf das Wesentliche". Seit 2015 ist sie neben ihres Berufs als Bergführerin auch als Ausbildnerin im Verband der österr. Bergführerausbildung tätig. Wir haben die ambitionierte Alpinistin jetzt zum Gespräch gebeten.

Lisi, lass uns zu Beginn einen kurzen Blick auf deinen Werdegang werfen. Welchen Beruf hast du vor deiner Bergführerkarriere ausgeübt?
Ich arbeite jetzt seit knapp 15 Jahren als Berg- und Skiführerin, und das immer noch mit großer Leidenschaft. Die Entscheidung, Bergführerin zu werden, kam bei mir gleich nach der Matura. Ich habe danach viele verschiedene Ferialjobs angenommen und unter anderem als Reinigungskraft, Sekretärin und Museumsangestellte gearbeitet. So habe ich meine Ausbildung zur Berg- und Skiführerin finanziert.

Wie kam es überhaupt zu der Idee, die Ausbildung zu machen?
Es waren meine damaligen Kletterkollegen und Freunde, die mich inspiriert haben, diesen Beruf zu ergreifen. Einige davon waren schon als Bergführer aktiv. Motiviert habe ich mich letztendlich wohl selber – vor allem, weil ich beim ersten Anlauf der Aufnahmeprüfung durchgefallen bin und somit zwangsläufig noch ein Jahr Zeit hatte, zu hinterfragen, ob ich das auch wirklich will. Die Antwort war aber eindeutig: „Ja"!

Und wie hat dein Umfeld auf deine Berufswahl reagiert?
Meine Eltern waren zu Beginn alles andere als begeistert. Sie hätten mich wohl lieber in einem „sicheren" Beruf gesehen. Jetzt verstehe ich das auch besser (lacht).

„Bergführer" klingt tatsächlich nach einem riskanten Beruf. Wie gehst du mit den Themen Sicherheit und Risiko beim Bergsteigen um?
Risiken sind natürlich ein Teil meines Berufs – und ich versuche auch, mich aktiv damit auseinanderzusetzen. Dazu zählen eine perfekte Vorbereitung, entsprechendes Training, aber auch das Miteinbeziehen äußerer Faktoren wie des Wetters am Berg. Besonders wichtig ist für mich auch der Faktor Mensch. Bevor ich mit meinen Gästen „etwas Großes" klettere, gibt es einige Vorbereitungstouren und Vorgespräche und es werden Trainingsmöglichkeiten besprochen.

Was ist das für ein Gefühl, wenn man den Gipfel erreicht hat?
Ist man nach der intensiven Vorbereitung am Ziel angekommen, ist das natürlich ein tolles Gefühl. Dann weiß man, dass sich der ganze Planungsaufwand gelohnt hat. Auf Tour kann es aber auch passieren, dass dich bestimmte Umstände zur Umkehr zwingen. Dann ist es meine Aufgabe, zu sagen: „Heute geht's nicht!"

Der Gipfel ist also das Ziel, aber nicht um jeden Preis?
Ganz genau.

Mit einem Frauenanteil von 1 Prozent ist der Beruf des Berg- und Skiführers in Österreich ganz klar eine Männerdomäne. Hat man es als Frau schwerer, sich am Berg Respekt zu verschaffen?
Ich bin der Meinung, dass man sich sowohl als Mann als auch als Frau ohne laute Worte und heroische Ausdrucksweise Respekt verschaffen kann und soll. Ich bin bisher jedenfalls mit meinen Stammgästen und auch in der Bergführerausbildung ohne „Respektverschaffungsstrategien" ausgekommen ...

Elisabeth Steurer / Bild: KK

Die Bergführerin
ELISABETH STEURER, MA (38) aus Lienz ist staatlich geprüfte Berg- & Skiführerin und begleitet ihre Kunden seit 15 Jahren mit Umsicht in alpines Gelände.
Naturfreunde - Wir leben Natur. / Bild: www.naturfreunde.at
Tel.: 0664/516 58 35
E-Mail: info@bergstatt.at
Web: www.lisisteurer.at


Das heißt, du wurdest als Frau bei der Ausbildung nicht anders behandelt als die männlichen Kursteilnehmer?
Nachdem man in der Ausbildung und generell in den Alpen nur sehr wenige Frauen antrifft, ist man als Dame im Bergführer-Metier an sich schon eine Ausnahmeerscheinung. Deshalb bin ich während meines Kurses aber nicht schlechter behandelt worden als meine männlichen Kollegen. ‚Extrawürste' gab's für mich aber auch keine. Ich musste dasselbe leisten wie alle anderen auch.

Apropos Leistung: Glaubst du, dass Bergführerinnen ihren männlichen Kollegen in bestimmten Bereichen überlegen oder unterlegen sind?
Ganz ehrlich, ich glaube, dass wir den Männern grundsätzlich nicht unter- oder überlegen sind, und stehe auch für die Gleichstellung beider Geschlechter. Im körperlichen Umkehrschluss heißt das aber auch, dass wir Frauen im Bergführerberuf dasselbe leisten müssen wie die Männer. Und nachdem wir in der Regel kleiner und leichter sind, können gewisse Aufgaben wie das Tragen von sehr schweren Rucksäcken körperlich sicher zur Herausforderung werden.

Wie sieht es in puncto Einfühlungs­vermögen aus? Haben da Frauen Vorteile?
Auf der Soft-Skills-Ebene ist das weibliche Geschlecht wahrscheinlich wirklich im Vorteil. Die Psychologie stuft manche Frauen jedenfalls als sensibler ein.

Dann gleichen sich die Fähigkeiten von Mann und Frau also wieder aus?
So ist es. Und hey, wenn man etwas wirklich will, dann ist auch vieles möglich.

Das heißt also, mit viel Disziplin und der entsprechenden körperlichen Voraussetzung kann jede Frau zur Alpinistin werden. Warum gibt es dann noch immer so wenige Bergführerinnen?
Vielleicht gibt es weniger Frauen in dem Beruf, weil Führungskompetenz und Durchsetzungsvermögen noch immer keine „typisch" weiblichen Charaktereigenschaften sind. Generell ist die Frauenquote in diversen Spitzenpositionen – sei es in der Wirtschaft oder in der Politik – immer noch niedrig. Ich glaube aber, dass sich diesbezüglich in den nächsten Jahren einiges verändern wird.

Stichwort „Veränderung". Seit der Gründung des Bergführerverbandes hat sich im Umfeld dieses Berufsstandes viel getan. Wenn du für deine Berufsgruppe eintreten musst – wo ortest du aktuelle Probleme?
Meiner Meinung nach ist der aktuelle Brutto-Tagessatz eines Berg- und Skiführers in Österreich von 320 Euro zu niedrig angesetzt. In der Schweiz zum Beispiel beträgt er 699 Euro. Bei unserer Tätigkeit handelt es sich ja größtenteils um eine saisonale Arbeit. Wer davon hauptberuflich (über)leben muss, sollte sich möglichst nicht verletzen. Ein Sommer mit viel Sonnenschein und ein Winter mit viel Schnee und Eis wären auch nicht schlecht ...

Wenn also mal etwas nicht nach Plan läuft, kann man schnell in eine finanzielle Notlage geraten?
Ja, leider. Viele Bergführer entscheiden sich daher für eine nebenberufliche Lösung und müssen dann zwei Jobs handeln. Das empfinde ich zum einen für den Menschen und dessen Familienleben und zum anderen auch langfristig für die Qualität des Berufsstandes als kontraproduktiv.

Gibt es eigentlich noch Leute, die minder ausgebildete „Schwarzführer" statt einem Profi-Bergführer engagieren?
Hier ist eindeutig ein Umdenken zu erkennen. Immer mehr Menschen lassen sich gerne von einem Profi in die Berge führen – das hat sicher auch mit einem gesteigerten Sicherheitsbewusstsein zu tun. Obwohl es den Begriff „Sicherheit" beim Bergsteigen eigentlich ja gar nicht gibt, aber das ist wieder eine andere Geschichte ...

Was macht einen guten Berg- und Skiführer deiner Meinung nach aus?
Ein guter Berg- und Skiführer sollte ein alpiner Allrounder mit Führungskompetenz und Entscheidungsstärke sein. Durch die hauptberufliche Ausübung der Tätigkeit gewinnt man dann viel an Erfahrung und sozialen Fähigkeiten dazu.

Wie sieht eigentlich das Anforderungsprofil laut Bergführerverband aus?
Das Ausbildungsteam fordert bereits ein relativ hohes bergsteigerisches Niveau der Kandidaten bei der jährlichen Aufnahmeprüfung. Die Ausbildung dient dann definitiv nicht mehr der Verbesserung des Eigenkönnens im Bergsteigen, Klettern und Skifahren – sondern wir arbeiten in relativ anspruchsvollen Touren an den Führungskompetenzen. Zu diesen zählen neben den technischen Aspekten wie den Sicherungstechniken eben auch die Soft Skills.

Wenden wir uns noch den schönen Seiten des Bergführerberufs zu. Gibt es ein Tourerlebnis, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Es ist immer schön, wenn ich ein Ziel, an dem ich länger arbeite, zusammen mit einem Stammgast erreiche. Das habe ich etwa im „Steiner Weg" V+ in der Dachstein-Südwand erlebt. Mein Gast, anfangs ein Kletternovize, hat es sich zum Ziel gesetzt, durch die Südwand bis zum Gipfel des Hohen Dachsteins aufzusteigen. Innerhalb von zwei Jahren hat er es geschafft.

Zum Schluss noch ein Rat für den alpinen Nachwuchs?
Climb more, post less! Zu Deutsch: Mehr klettern, weniger quatschen!

SO WIRD MAN BERG- UND SKIFÜHRER IN ÖSTERREICH
Für Interessierte: Das sind die wichtigsten Infos rund um Ausbildung, Anforderungen und Kosten.
Die Ausbildung:... ist zentral organisiert und obliegt dem Verband der Österr. Berg- und Skiführer, der die Ausbildung mit der Bundessportakademie Innsbruck (BSPA) durchführt. Diese staatlich anerkannte Ausbildung ist die einzige Möglichkeit in Österreich, die Ausbildung zum international legitimierten „IVBV" (= internat. Vereinigung der Bergführerverbände)-Bergführer zu machen.
Anforderungen:Die Ausbildung umfasst die ganze Palette des alpinen Bergsteigens in Theorie und Praxis. Dazu zählen Fels- und Sportklettern, Skitechnik, Eisfallklettern, Skihochtouren, Hochtouren, Freeriden und Ski-Durchquerung.
Eine Eignungsprüfung:... ist vor der eigentlichen Ausbildung abzulegen. Die Anmeldung dafür erfolgt beim Verband der Österr. Berg- und Skiführer und ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:
  • Vollendung des 18. Lebensjahres
  • sportmedizinische Bestätigung über den Gesundheits- und Konditionszustand des Bewerbers
  • Beilage eines Tourenberichts
Die Eignungsprüfung besteht aus zwei Teilen: Winter und Sommer. Im Winter jedes Jahres findet der erste Prüfungsteil im Bereich Skifahren, danach die Prüfungen Steileis und Eis leicht statt. Ist der erste Teil positiv absolviert, darf man im Mai zur Eignungsprüfung im Felsbereich antreten. Nach erfolgreicher Besprechung des Tourenberichts kann mit der Ausbildung begonnen werden.
Kosten:Pro Prüfungsteil ist eine pauschale Aufwandsentschädigung von € 130,– zu bezahlen. Für den ersten Ausbildungsteil fallen Kosten von ca. € 5.500,– an. Für die anschließende staatliche Berg- und Skiführerausbildung an der BSPA Innsbruck sind keine weiteren Ausbildungskosten mehr zu bezahlen.
Mehr Infos:www.bergfuehrer.at



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