Leben von und mit dem, was die Natur hergibt: Ein „Survival-Training“ ermöglicht Outdoor-Erfahrungen in reinster Form. Survival-Camps werden aber auch für Kinder und Jugendliche angeboten: Eine Möglichkeit, auch den Nachwuchs für Outdoor zu begeistern?
Bear Grylls ist so etwas wie der Survival-TV-Star. Seit gut 15 Jahren macht der nordirische Ex-Soldat mit diversen actionreichen Fernseh- und (mittlerweile) Netflix-Formaten auf sich aufmerksam und ordentlich Quote. Klar neigen TV-Formate auch zu Übertreibung und Überzeichnung: „Niemand würde freiwillig in einen Sumpf mit Krokodilen springen“, lacht Manuela Kainer, die in Niederösterreich Survival-Camps und -Workshops für alle Altersgruppen anbietet („Überleben im Freiraum“). Es kämen aber immer wieder vor allem jugendliche Bear-Grylls-Fans zu ihr, die vom Gezeigten inspiriert sind.
Ganz grundsätzlich gefragt: Was ist „Survival“ überhaupt? Und wie passt das in unseren SPORTaktiv-Outdoorguide? Nun, mit Sport hat es vordergründig zwar nichts zu tun. Aber „Outdoor“ ist es eindeutig. „Unter Survival versteht man Kenntnisse und Fähigkeiten, die ein vorübergehendes Leben in einer Notsituation ermöglichen. Ohne oder mit geringen Hilfsmitteln“, bringt es Manuela Kainer auf den Punkt. Und man kann es auch als Basis für Notfälle in Bergsportarten sehr gut gebrauchen. „Survival, also über-leben ist aber eigentlich nicht das korrekte Wort“, findet Oliver Fabbro von der Überlebensschule Tirol in Umhausen, „es geht vielmehr ums Leben mit der Natur und mitten in der Natur.“
Aber bleiben wir beim Sport: Bergrettungseinsätze haben nicht selten ein Verirren als Auslöser. Wer im Survival geschult ist, kann sich nicht nur besser orientieren, man weiß sich vor allem in unvorhergesehenen Situationen zu helfen. Sich ruhig einmal hinzusetzen und die Situation und die Möglichkeiten durchzudenken, empfehlen die Tiroler Survival-Experten. Stattdessen würden Verirrte dazu neigen, immer weiter zu gehen, statt sich ein Lager zu bauen und einfach finden zu lassen, sagt Fabbro.
Im genannten Beispielfall, die Orientierung in den Bergen oder einem Wald verloren zu haben, würde man auch nach einer Prioritätenliste vorgehen, erklärt Oliver Fabbro weiter. Das geht auch (fast) ohne Ausrüstung und Vorräte. Ist es kalt und bricht Dunkelheit herein? Man würde sich um ein Feuer kümmern und eine Notunterkunft bauen mit dem, was der Wald oder die Natur hergibt. Kein Wasser mehr? Kein Grund zur Beunruhigung, drei Tage kann man ohne zu trinken überleben. Mehr als genug Zeit, welches zu finden und trinkbar aufzubereiten. Erst relativ weit hinten in der Prioritätenliste kommt, sich auch um Essbares zu kümmern: Je nach Jahreszeit hält die Natur Beeren, Kräuter, Samen, Wurzeln oder Nüsse bereit.
Outdoor-Begeisterung wecken
So weit in groben Grundzügen, was man sich unter einem Survival-Training vorstellen kann. Hier wollen wir freilich eine andere Frage in den Mittelpunkt stellen – denn solche Trainings werden auch für Kinder und Jugendliche öfters angeboten. Kann man denn dieses Thema auch so gestalten, um damit den Nachwuchs für Outdoor und die Natur zu begeistern? Das kann man unbedingt, sagen sowohl die niederösterreichischen als auch die Tiroler Survival-Expertinnen und -Experten. Ab 7, 8 Jahren aufwärts lasse sich die Thematik altersadäquat aufbereiten. Fürs Jugendalter sowieso. Natürlich gibt es für den Nachwuchs gewissermaßen erleichterte Bedingungen: „Anders als bei einem Erwachsenenkurs ist bei Kinderkursen das Camp im Wald schon aufgebaut. Es gibt auch eine überdachte Feuerstelle“, erklären Fabbro und seine Kollegin Kathrin Thallinger. Auch die Verpflegung fällt in Kinderkursen natürlich üppiger aus. „Wir vermitteln, die Natur als Freund zu sehen, Geduld wieder zu lernen, auch einmal durchzuhalten. Wichtig ist bei all dem: kein Stress, kein Leistungsdruck.“
Ohne Feuerzeug, Zündhölzer und andere Hilfsmittel ein Feuer zu entfachen: Dieses „archaische“ Erlebnis sorgt quer durch alle Altersgruppen für Euphorie. Auch deshalb, weil es dafür Geduld braucht und Rückschläge hinzunehmen sind. Umso größer ist das empfundene Erfolgserlebnis, wenn es gelingt. Es geht auch um den Zusammenhalt, die Erfahrung, etwas gemeinsam zu schaffen, was allein nicht möglich ist. „Kinder lernen voneinander, ich lasse dafür gerne kleinere mit größeren zusammenarbeiten“, sagt Manuela Kainer. Die Kids seien oftmals generell für die Natur begeisterungsfähiger als Erwachsene, findet sie. „Was wir vermitteln wollen, ist auch, die Natur als unseren Lebensraum zu begreifen. Wie fühlt es sich an, barfuß durch einen Wiesenboden zu gehen“, erklärt auch Kathrin Thallinger. Speziell Dunkelheit schärft bekanntlich die Sinne: Den Boden zu spüren, ohne zu sehen, wohin man tritt, oder die Richtung eines Geräuschs zu erkennen, ohne die Quelle zu sehen, auch das seien typische Inhalte, die sich spielerisch gestalten ließen. Eine Nacht im Freien wird von den meisten als besonders intensives Erlebnis empfunden. Zwar werden auch eintägige Veranstaltungen angeboten, richtig eintauchen in die Materie lässt sich, wenn Übernachtungen inkludiert sind.
Neben dem vermittelten Wissen lernt man in der Natur sich selbst kennen.
Viele Outdoorsportarten wie Klettern bieten „Mehrwert“ im abgesicherten Rahmen – sie ermöglichen es etwa, sich selbst und seine Grenzen kennenzulernen und Risiko kompetent einzuschätzen. Erfahrungen, die schon im jungen Alter wertvoll sind. In Survivaltrainings ist das nicht anders. „Das alles ist automatisch mitverpackt“, sagt Manuela Kainer. In der Natur lernt man sich selber kennen. Doch das sollte bei den Kids eher ein Nebeneffekt sein: Je größer der Spaß, desto größer auch die Bereitschaft, sich auf ungewhnliche Erfahrungen einzulassen. Und wie gehen die Kinder und Jugendlichen eigentlich damit um, für ein paar Tage auf Handy und WLAN zu verzichten? Die, die sich für das Thema interessieren und in ein Camp kommen, in der Regel sehr gut, sagen die Experten. Im Gegensatz dazu falle der Abschied aus der Natur zurück in die Zivilisation nach einigen Tagen oft gar nicht mehr leicht.
Von den erwachsenen Survival-Interessierten wird die Reduktion aufs Wesentliche übrigens oft ganz bewusst gesucht und als Bereicherung empfunden, erklärt Überlebenstrainer Oliver Fabbro: „Wenn man sich mit dem Thema länger beschäftigt, merkt man erst, was man alles nicht braucht. So wie auch der Rucksack jedes Mal leichter wird, je öfter man auf Bergtouren unterwegs ist.“
Feuer machen
Laut Überlebensschule Tirol ist die beschriebene Methode eine von 23 Möglichkeiten, mit einfachen Mitteln ein Feuer zu entzünden. Was benötigt wird, ist als „Ötzi Feuerset“ um 19 Euro im Shop der Überlebensschule zu bestellen: ein Feuerstein, ein Pyrit-Stein, etwas Juteschnur, Trama (Gewebe von Pilzen), verkohlte Lamellen eines Zunderschwamms.
So wird es gemacht:
- Trama gleichmäßig auf trockenem Untergrund verteilen;
- Juteschnur in einzelne Litzen aufdrehen und ein Zundernest herstellen;
- Den Feuerstein gegen den Pyrit schlagen, sodass ein Funke auf das Trama trifft und zum Glimmen bringt;
- Glut durch Blasen auf die Kohle übertragen und zum Glühen bringen;
- glühende Kohle in die Mitte des Zundernests legen, auf die Glut blasen, bis das Zundernest sich entzündet.
Infos und Video auf:
www.ueberlebensschule-tirol.at