Wie läuft eigentlich die Entwicklung eines neuen Laufschuhs ab? Von der Idee über den Prototyp bis zur Serienreife – wir haben uns bei On und Salomon den spannenden Entwicklungsprozess einmal angeschaut. Gemeinsam mit den Material-Experten werfen wir zudem einen Blick in die Laufschuhzukunft.

Von Klaus Molidor


Kein Schuster steht an der Wiege eines modernen Laufschuhs, sondern ein Team aus Biomechanikern, Sportenthusiasten und Weltklasseathleten. Schulter an Schulter tüfteln sie in Zürich an einem Prototyp. So beginnt die Geschichte eines neuen Schuhmodells bei der Schweizer Firma „On", einer relativ jungen Marke im Laufschuhsegment. „Das Herzstück der Schuhe ist die patentierte Cloud-Technologie", erzählt On-Geschäftsführer Marc Maurer. „Die wird mitunter zerschnitten und neu zusammengesetzt, um alles Mögliche auszuprobieren."

Beim französischen Hersteller Salomon wiederum stehen noch vor der Grundidee eines neuen Schuhs die Rückmeldungen zu den alten. Von Testläufern, Profiathleten, aber auch ganz normalen Freizeitsportlern, die viel laufen – wie Dominik Baumgartner erklärt: „Wir analysieren die aktuellen Bedürfnisse der Community und fragen uns dabei auch, welche Bedürfnisse es in zwei Jahren geben wird." Denn so lange dauert es in der Regel von der Idee bis ins Regal.

80 PROZENT HANDARBEIT
Nun sind die Biomechaniker am Werk, werden Computersimulationen erstellt. On macht das im Labor in Zürich, bei Salomon findet das im Design Center im französischen Annecy statt. Dabei werden der Gummiabrieb getestet, die Wasserfestigkeit der Sohle und die Ermüdung der Materialien. „Wobei man das alles nicht als linearen Prozess verstehen darf", sagt On-Geschäftsführer Maurer. „Entwickelt und geforscht wird permanent und nicht immer nur für ein Modell." Somit verbessern die Hersteller ihre Produkte laufend und nicht nur in den üblichen Modellzyklen.

Sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse verarbeitet, wird erst ein 2D- und dann ein 3D-Modell gefertigt. Die ersten Prototypen entstehen – in Asien. On lässt in Vietnam fertigen, Salomon auch in Indien. Generell haben alle großen Hersteller ihre Produktion nach Fernost verlagert.
„Das Handwerk für Performance-Laufschuhe ist in Europa verloren gegangen", erklärt dazu Marc Maurer. „Ein Schuh ist schließlich zu 80 Prozent Handarbeit", weiß auch der Salomon-Experte. Dabei braucht es Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auf dem alten Kontinent nicht mehr vorhanden seien.

50 STUNDEN PRODUKTTEST
Mit den fertigen Prototypen werden dann die Testläufer auf die Runde geschickt. Oft sind das Athleten, die mit der Marke in Verbindung stehen, oft auch Mitarbeiter. Wie Marc Maurer selbst: Direkt nach unserem Interview schlüpft er in die Laufschuhe, zwischen 14 und 20 Kilometer hat er sich für die Mittagspause vorgenommen. „Bei uns in der Firma laufen alle. Das gehört einfach dazu." Völlig unterschiedliche Läufertypen probieren die Schuhe aus, bevor sie in Serie produziert werden. „Rund 300 Kilometer bzw. 50 Stunden wird pro Produkt getestet", weiß Baumgartner.

Sowohl On als auch Salomon achten auch ständig darauf, was die Konkurrenz macht. „Das bildet nie die Basis unserer Produkte, doch wir versuchen zu verstehen, warum Produkte unserer Mitbewerber funktionieren oder nicht", so Dominik Baumgartner. Interessant: In verschiedenen Märkten „funktionieren" ganz unterschiedliche Schuhe. Marc Maurer: „In Amerika liegt der Schwerpunkt auf stark gedämpften Schuhen, während wir nirgends so viele Race-Modelle verkaufen wie in Japan."

On geht überhaupt gern neue Wege – wie auch die markanten Sohlen zeigen. Die „Clouds" genannten Sohlen­elemente geben bei Belastung nach und sorgen beim Landen für den Dämpfungseffekt. Drückt sich der Läufer vom Boden ab, ist der Schuh wieder stabil, was mehr Vortrieb bringt – so das Versprechen.

Erst wenn es alle Tests durchlaufen hat, wird ein Schuhmodell produziert und kommt auf den Markt. Oder auch nicht. „Fallen die Tests nicht zufriedenstellend aus, wird die Einführung verschoben, damit wir das Produkt weiter verbessern können", hält Dominik Baumgartner fest.

DIE ZUKUNFT HEISST "3D"
Bleibt noch der Blick nach vorn. In naher Zukunft wird sich in der Produktion eines Laufschuhs einiges verändern. „Beim Obermaterial geht die Entwicklung Richtung 3D-Printing und 3D-Knitting", verrät Maurer. Teile der Schuhe werden aus dem Drucker kommen; beim „Knitting" werden etwa Schlaufen für die Schuhbänder schon eingewebt werden, während bislang per Hand Ösen eingesetzt wurden. „Insgesamt wird man sich viele Produktionsschritte sparen können. Damit könnte man noch wesentlich flexibel auf die Kunden auf den jeweiligen Märkten eingehen." Bislang werden die 30 bis 40 Teile eines Laufschuhs in rund 180 Arbeitsschritten zusammengesetzt.

Wird die Produktion verschlankt, kann man sich bei On sogar vorstellen, wieder in Europa zu produzieren. „Man könnte die Schuhe dann jeweils nahe am Verkaufsort herstellen." Auch Salomon will künftig durch neue Verfahren sehr lokal produzieren lassen. „Die Umsetzung erfolgt schon heuer Schritt für Schritt in Frankreich", erklärt Baumgartner.

Viel geforscht wird auf dem Materialsektor. Dominik Baumgartner sieht den Trend in Richtung immer leichterer Schuhe mit guter Dämpfung – „aber ohne den Fuß in eine vorgeformte Position zu zwängen." Auch On-Geschäftsführer Marc Maurer geht davon aus, dass die Materialien noch flexibler und anpassungsfähiger werden: „Nicht der Läuferfuß soll sich dem Schuh anpassen – sondern der Schuh punktgenau dem Fuß."


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