Mehrere Tage lang Wandern, möglichst individuell – das liegt gerade im Trend. Also haben wir uns aufgemacht auf den neuen Luchs-Trail – ohne Raubkatzenkontakt, aber mit vielen Natureindrücken.

Klaus Molidor
Klaus Molidor

Xeis. So sprechen die Einheimischen „Gesäuse“ aus, jene Region im steirisch-oberösterreichischen Grenzgebiet nahe Admont, die mit wildem Wasser und ihren charakteristisch steilen Felswänden ein echtes Naturjuwel und nicht umsonst auch ein Nationalpark ist. Hier schlägt auch das Herz des rund 200 Kilometer langen Luchs-Trails, der über elf Etappen aus dem Reichraminger Hintergebirge in Oberösterreich kommend in der Steiermarkvorbeischaut und sich dann weiter nach Lunz am See in Niederösterreich schlängelt. Entwickelt hat den Weitwanderweg im Auftrag von vier Schutzgebieten und drei Tourismusregionen Günter Mussnig von den Trail-Angels. Der Kärntner hat sich als Trail- und Trekking-Experte einen Namen gemacht und beispielsweise den Schneeleoparden-Trail im Himalaya entwickelt. Warum jetzt Luchs statt Schneeleopard? „Weil der Weg fast gänzlich durch Wildnisführt, dabei nicht nur durch drei Bundesländer, sondern auch vier Schutzgebiete geht“, erzählt Mussnig. Los geht es im Nationalpark Kalkalpen, dann über den Nationalpark Gesäuse, den Naturpark Steirische Eisenwurzen bis ins Wildnisgebiet Dürnstein. „Das einzige UNESCO-Weltnaturerbe Österrech“, sagt Mussnig. Nicht im Büro, sondern auf Etappe sieben des Trails vom Bergsteigerdorf Johnsbach über die Gsengscharte und die Haindlkarhütte ins Etappenziel Gstatterboden.

Der "Wilde John" und unberührte Natur
Wilder John – so heißt der Weg. Und tatsächlich ist der Wald hier unberührt. Stämme und Äste liegen über kleinen Wegerln, mal geht es durch Dickicht, Brennessel-Vollkontakt inklusive. Und hier soll er also leben, der Namensgeber des Trails, der Luchs. „Ja, das Gebiet, durch das der Trail geht, ist der natürliche Lebensraum des Luchses“, sagt Mussnig. „Aber um dem zu begegnen, brauchst eine Menge Glück.“ Einzelgängerisch, dämmerungsaktiv, territorial – so wird diese Raubkatze beschrieben.

Einsamkeit und Sicherheit
Eigenschaften, die auf Mussnig nicht zutreffen. Auf so vielen Himalaya-Expeditionen kommst du als Einzelgänger auch nicht weit. Für jeden Wanderer, dem wir am „Wilden John“ begegnen, hat er einen Schmäh über. Mit einem Lacher fällt auch die Steigung über schottrig-sandiges Terrain hinauf zur ­Gsengscharte leichter. Unter einem Baum rasten wir auf Wurzeln, nehmen einen Schluck Wasser, genießen die Stille. „Das ist es, was viele Leute heute wieder wollen“, bricht Mussnig das Schweigen. „Ruhe, Einsamkeit, keine Hektik.“ Keine geführten Wanderungen, sondern mit Freunden, der Familie im kleinen Kreis. „Aber doch mit Convenience“, bricht ihm eine Marketing-Vokabel heraus. Dabei ist Mussnig alles andere als ein Theoretiker, der Projekte am Reißbrett entwirft. Er weiß, wie sich loses Gestein unter dem Bergschuh anfühlt, wie schnell die Hände wund sind, wenn man am Klettersteig keine Handschuhe dabei hat. Also erklärt er schnell: „Die Leute wollen es auch bequem. Sich nicht um Planung und Navigation kümmern müssen, dafür Service und Sicherheit.

Mit leichtem Gepäck
Heißt weiter: vorgefertigte Touren mit Zeitangaben, markanten Punkten, Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten und Gepäcktransport. „Am Alpe-Adria-Trail zum Beispiel nehmen den Gepäcktransport schon rund 95 Prozent der Leute in Anspruch, die dort mehrere Tage unterwegs sind.“ Denn Weitwanderungen wie Alpe-Adria- oder Luchs-Trail richten sich nicht an leistungsorientierte Hochalpin-Puristen, sondern an die große Masse der Erholungssuchenden, Aktiv-Urlauber, die nicht nur rauf und runter gehen wollen, sondern Strecken von A nach B bewältigen und dabei was sehen wollen von ihrer Heimat. „Und die haben halt am Abend dann mal gerne ein anderes Paar Schuhe an oder nicht nur die Funktionswanderkleidung.“ Daher wird auf den elf Luchs-Trail-Etappen auch nicht nur auf Hütten, sondern auch im Tal in Gasthöfen, Pensionen oder Hotels übernachtet. Die Touren sind individuell plan- und online buchbar.

So weit sind wir aber noch nicht. Hinauf auf die Gsengscharte wird der Weg jetzt felsiger. Die letzten 30 Meter geht es über Trittklammern, ein Fixseil im Fels erlaubt das „Zuschalten“ der Arme in die Vorwärtsbewegung und gibt Sicherheit. Im Trail ist das das einzige schwarz markierte Wegstück. Das sich aber lohnt, denn in der Scharte angekommen, öffnen sich Panorama und Mund zeitgleich. Hochtor, Dachl, Großer Ödstein, Planspitze ragen steil empor und zeigen uns ihre glatten, von Rissen durchsetzten Felsrücken. Die Optik lässt an 3000 Meter Seehöhe denken, die Realität steht an der Haindlkarhütte, die wir nach kurzem Abstieg erreichen: 1.121 Meter. Mehr hochalpines Feeling mit moderatem Aufstieg geht nicht. Nach Kaspressknödeln mit Eierschwammerl geht es ins Tagesziel Gstatterboden. „Die Etappen sind so gewählt, dass man nicht in aller Frühe starten und bis Sonnenuntergang wandern muss“, sagt Mussnig. Aber auch nicht so, dass man zu Mittag die Wegstrecke erledigt hat.

Insgesamt besteht der Luchs-Trail aus 11 Etappen
Am zweiten Tag gehen wir einen Teil der sechsten Etappe, die von der Lausserbaueralm über das Admonter Haus in den berühmten Haller Mauern bis hinunter ins Tal nach Hall führt. Dieser Weg windet sich durch Wald und Forstwege und wird im höheren Teil steinig. Wer es ein wenig herausfordender mag, steigt vom Admonter Haus noch ein paar Minuten hinauf zur Admonter Warte. Die letzten Meter sind alle viere vonnöten, wieder hilft ein Fixseil. Der Ausblick nach hinten ins Reichraminger Hintergebirge und nach vor ins Gesäuse lohnt sich auf alle Fälle. „In Szene setzen, was da ist“, nennt es Mussnig. Nach neuerlichen vier, fünf Stunden Gehzeit kann man erahnen, wie reizvoll eine Weitwanderung von A nach B sein kann. 

11 Etappen, 200 Kilometer von Reichraming (OÖ) bis Lunz am See (NÖ). Online buchbar ab 15. Oktober 2018. Explorer- Tour ab 19. September.
Infos & Anmeldung: info@bookyourtrail.com