So ist das Leben: Wer ein Ziel erreichen will, muss wissen, ob dafür auch die Voraussetzungen gegeben sind! Für alle Menschen, die Sport betreiben, heißt daher die Frage: Bin ich fit genug, für das, was ich tue? Wie ihr selbst darauf die Antwort findet, klären wir hier mit den Sportwissenschaftern Kurt Steinbauer und Stefan Spirk.
Es ist eigentlich paradox, aber trotzdem Realität: Ausgerechnet der Corona-Lockdown, der unseren Alltag völlig einbremst, hat mehr Menschen denn je zu Sport und Bewegung motiviert. Die Gründe dafür sind allerdings so unterschiedlich wie der körperliche Zustand jedes Einzelnen, sie reichen vom reinen Gesundheitsgedanken über eine gewünschte Gewichtsabnahme bis zum Erreichen eines hochgesteckten sportlichen Zieles. Aber bei aller Verschiedenheit gibt es eine Gemeinsamkeit, die alle – von den unbedarften Neueinsteigern bis zu den versierten Hobbysportlern – betrifft: „Wer Sport betreibt und damit ein Ziel verfolgt“, wissen unsere Experten, Mag. Kurt Steinbauer und Mag. Stefan Spirk von der Sportchirurgie Plus in Graz, „muss sich im Klaren sein, von welchen körperlichen und auch mentalen Voraussetzungen auszugehen ist. Das heißt: Nur wer seinen Ist-Stand kennt und diesen natürlich auch berücksichtigt, kann einerseits die erhofften Ziele erreichen, verhindert andererseits aber auch möglichen Schaden.“
Auf welche Art und Weise man diesen Ist-Stand ermitteln kann und vor allem, welche Faktoren dafür überprüft werden müssen, dafür liefern unsere beiden Experten hier die passende Gebrauchsanweisung.
1. Schritt: Bestimme dein Ziel!
Zuerst stellst du dir die Frage, welche Ziele du dir grundsätzlich mit bzw. in deinem Sport gesetzt hast. Willst du Gewicht reduzieren, kleine Schwachstellen beseitigen, Knie- oder Rückenschmerzen in den Griff bekommen, eine allgemeine bessere Fitness für den Alltag erreichen oder tatsächlich die Leistungsfähigkeit in deinem Sport verbessern? So verschieden diese Ziele sind, so unterschiedlich sind klarerweise auch die Wege und Methoden, die zu diesen Zielen führen. Dementsprechend müssen auch die Voraussetzungen überprüft werden, die du mitbringst.
2. Schritt: Welche Fitness brauchst du dafür?
Wer sich als Sport Laufen, Biken, Skitourengehen oder etwa Wandern ausgesucht hat, muss in erster Linie über seine Herz-Kreislauf-Ausdauerfähigkeit Bescheid wissen, also darüber, wieviel Sauerstoff an die Muskeln geliefert werden kann. „Für alle Hobbysporter, egal, ob Ausdauersportler, Fitnesssportler oder Kraftsportler, ist es zusätzlich ganz wichtig, dass sie den Ist-Stand ihrer funktionellen Beweglichkeit kennen“, sagt Stefan Spirk, „denn diese entscheidet über Bewegungsmuster und koordinative Steuerung. Und bei intensiver Belastung (oft auch nur muskulär) mit einer Dauer bis max. einer Minute z. B. Crossfit, Bodyworkout, Ski alpin, Eishockey, Tennis, muss man noch mehr Augenmerk auf seine Werte bei der Kraft- und Schnelligkeitsausdauer legen. Aber natürlich gilt für alle Hobbysportler in erster Linie, dass sie ihre allgemeine Ausdauerfähigkeit kennen, denn die ist auch die Basis für Kraftausdauer und Schnelligkeitsausdauer.“
3. Schritt: Wie kannst du dich testen?
Um nun vorrangig diese Herz-Kreislauf-Ausdauerfähigkeit zu überprüfen, ist grundsätzlich eine „professionelle Leistungsdiagnostik am Fahrrad oder Laufband“ zu empfehlen, und zwar für Neueinsteiger ebenso wie für durchaus gut trainierte Hobbysportler. „Mit dieser Leistungsdiagnostik kann jeder Mensch nicht nur seinen momentanen Gesundheits- und Fitnesszustand genau feststellen, sondern von einem Sportmediziner oder Sportwissenschafter auch gleich eine Trainingsempfehlung ableiten lassen“, sagt Kurt Steinbauer. Von der Praxis, diese Trainingsplanung von einem Trainingsgerät im Fitnessstudio zu übernehmen, wie es häufig angeboten wird, rät der Experte ab, „denn diese Werte und Daten werden dort nur anhand von Statistiken berechnet, die aber individuell viel zu ungenau sind.“
Bei der Leistungsdiagnostik dagegen werden für die Trainingsplanung wichtige Parameter wie die Sauerstoffaufnahme in Kombination mit Laktat, Puls und Blutdruck oder von Puls und Herzfrequenzkurve herangezogen und liefern genaue Ergebnisse, „zum Beispiel auch für die Bestimmung eures Maximalpulses, denn der ist wiederum entscheidend für die Festsetzung eurer persönlichen Ausdauertrainingsbereiche, von der Regenerationszone über die Fettverbrennungszone (GA1), die aerobe Zone (GA2) bis zur Wettkampfzone.“
Dass es unseren beiden Experten mit dieser Empfehlung aber nicht darum geht, bloß ein Klientel für die Professionisten abzurufen, beweisen sie nachfolgend mit den Vorschlägen, wie ihr auch ohne klassische Leistungsdiagnostik euren Ist-Stand in Sachen Fitness testen könnt. Und zwar in drei verschiedenen Testbereichen:
1. Die Ausdauerleistungsfähigkeit
Diesen Bereich kannst du tatsächlich relativ einfach selbst überprüfen, du brauchst dazu nur eine Pulsuhr als technische Hilfe. Vier einfache Eigentests haben unsere zwei Experten ausgewählt:
Der UKK-Walkingtest: Nach dem Aufwärmen wird eine zwei km lange flache Gehstrecke in möglichst kurzer Zeit gehend (nicht laufend) zurückgelegt und danach die Herzfrequenz und die Zeit gemessen. Die Berechnung des Walking-Index (WI) erfolgt getrennt für Männer und Frauen nach folgenden Formeln: Männer: WI = 420 + 0.2xAlter (Jahre) - 11.6xZeit (min.) - 0.56xHerzfrequenz - 2.6xBMI; Frauen: WI = 304 + 0.4*Alter (Jahre) - 8.5xZeit (min) - 0.32xHerzfrequenz - 1.1xBMI. Der Body-Mass-Index wird mit folgender Formel berechnet: BMI = kg/m². Auswertung: >130/sehr gut; 110-130 gut; 90-109 mittel; 70-89 schwach; < 70 sehr schwach.
Der Step-up-Test: Man steigt 3 Minuten lang auf einer 30 cm hohen Stufe rauf und runter. Alle zwei Sekunden ein Step, nach jedem Step müssen beide Beine gestreckt sein. Gemessen werden der Ruhepuls vorher (RP), Belastungspuls (BP) am Ende und der Erholungspuls (EP) eine Minute nach Testende. Daraus wird der Leistungsindex berechnet. LI = (RP+BP+EP-200):10. Auswertung auf bit.ly/fitness-selbsttests
Der 6-Minuten-Gehtest: Bei diesem Test speziell für ältere bzw. untrainierte Menschen wird in sechs Minuten möglichst schnell auf einer ebenen Strecke gegangen. Die Fitness passt für einen Einstieg in den Sport, wenn in den 6 Minuten zumindest 700 bis 800 Meter, max. 1000 Meter zurückgelegt wurden. Ab einer Strecke von 1000 Metern gilt der Proband als sehr gut trainiert.
Der wiederkehrende Vergleichstest: Diese Testvariante richtet sich an bereits gut trainierte Menschen, die ihren Leistungsfortschritt messen wollen: Alle vier bis sechs Wochen wird eine stets gleiche, 40 bis 60 Minuten lange Strecke mit konstanter Pulsfrequenz (80 % vom Maximalpuls) durchlaufen. Anhand des Vergleichs der gestoppten Zeit lassen sich Fortschritte, aber auch Stagnation leicht selbst bestimmen.
SELBSTTESTS
• UKK-Walking-Test
• 3-Minuten-Step-Test
• 6-Minuten-Gehtest
• wiederkehrender Vergleichstest
• funktionale Schwellenleistung (FTP) für Rennradfahrer
Wie sie funktionieren, was sie aussagen, findest du hier: Selbsttests
PROFI-TEST
Die Leistungsdiagnostik
Mehr Infos zum Profi-Test findest du hier: Leistungsdiagnostik
2. Die funktionelle Beweglichkeit
„Leider haben es sogar viele fortgeschrittenen Hobbysportler nicht am Schirm, dass ein ganz wichtiger Fitnessfaktor die funktionelle Beweglichkeit ist“, sagt Stefan Spirk. „Wie sind die Bewegungsmuster im Alltag und beim Sport, wo gibt es Defizite, wo kleinere oder auch größere Verletzungen und Fehlhaltungen und welche Korrekturen sind notwendig, um gesund zu sporteln bzw. zu trainieren? Alle diese Punkte gehören abgeklärt, allerdings von einem Experten mittels ,Functional Movement Screening‘. Dieses FMS machen etwa Physiotherapeuten, Sportwissenschafter oder auch Orthopäden, die dann gleich die passenden Übungen kennen, mit denen bestehende Mängel behoben werden können.“
3. Die mentale Fitness
Wie das Überprüfen der funktionellen Beweglichkeit sollte schließlich von Sporteinsteigern genauso wie von bereits aktiven Hobbysportlern die geistige, also mentale Fitness durchgecheckt werden. Kurt Steinbauer: „Stell dir ruhig die Frage, wie viel Freude du eigentlich an deinem ausgewählten Sport hast? Welche Übungen taugen dir, was findest du positiv, was negativ? Ein Ziel vor Augen zu haben genügt auf Dauer nicht, du musst auch Freude an dem Weg haben, den du bis zu diesem Ziel gehst.“ Um diese Freude zu erleben, gilt es Grundregeln einzuhalten: Das Wichtigste ist natürlich, dass der ausgeübte Sport überhaupt zu dir und zu deiner Motivation passt. Aber abgesehen davon sollst du stets auf die optimale Dosierung achten, positive Rahmenbedingungen (Ausrüstung, Zeitmanagement ...) schaffen, immer wieder kleine Erfolgserlebnisse einholen und dich vor allem nie durch den Sport gestresst oder überfordert fühlen!
„Grundsätzlich sollte man täglich in sich hineinhören und prüfen, was sich gut anfühlt“, rät Stefan Spirk. „Sport zu betreiben ist ein ständiger Lernprozess. Mach dir dein eigenes Bewegungsmanagement, prüfe immer wieder deine persönlichen Empfindungen und plane danach wöchentlich ganz individuell deine Trainingseinheiten, dann bist du auf einem guten Weg.“
Aber speziell allen Neu- oder Wiedereinsteigern wollen Kurt Steinbauer und Stefan Spirk auf diesem Weg doch noch eine ganz konkrete Trainingsempfehlung mitgeben: „Eine sichere Basis für eine gute Gesundheit und Fitness ist, wenn ihr jede Woche mehr als zwei Stunden etwas für eure Ausdauerleistungsfähigkeit tut, an zumindest zwei Tagen mit Krafttraining eure Muskeln stärkt und täglich für mindestens 15 Minuten mit Yoga oder anderen Übungen eure Beweglichkeit in Schuss haltet.“
Trainingsbereiche
Herzfrequenz/Puls bestimmen und regulieren deine Trainingsintensität:
- Regenerationszone: 50 bis 60 % des Maximalpuls
- Fettverbrennungszone/Grundlagenausdauer1 (GA1): 60 bis 75 % des max. Puls
- Aerobe Zone/Grundlagenausdauer2 (GA2): 75 bis 85 % des max. Puls
- Wettkampfzone: ab 85 % des Maximalpuls.
Wie du diese Trainingsbereiche einsetzt, erfährst du detailliert hier: Die Trainingsbereiche erklärt: Von GA1 bis zum Spitzenbereich