Im männlich dominierten Freeriden haben sich drei Protagonistinnen aus drei Generationen mit unterschiedlichen Zugängen für einen Sportfilm gefunden, in dem es um mehr als „nur“ Freeriden geht.
Manuela Mandl (36) ist in der Freeride-Sport Szene schon lange keine Unbekannte mehr. Ihre Erfahrung und ihren Zugang zum Sport hat die Berghaus-Athletin nun in einen Film gepackt und daraus ein Generationen-Projekt gemacht, das jungen Frauen Mut machen soll. Besonders am Herzen liegt ihr dabei, dass man den Zugang zum Freeriden für junge Frauen greifbarer und auch die dafür so wichtigen Rolemodels sichtbar macht, um Mut zu wecken, selbst den Weg ins Backcountry zu finden: „Denn wenn man sich traut und es einfach macht, dann ist es oft einfacher, als man denkt.“
Geboren und aufgewachsen in Wien, war es für Mandl in jungen Jahren nicht absehbar, dass ihr Weg sie in die Berge führen wird: „Ich hatte in meinem Umfeld und meiner Familie eigentlich keine Vorbilder, die intensiv Bergsport betrieben haben. Ich finde aber, dass es genau das braucht. Es braucht mehr Vorbilder – vor allem weibliche.“ Das ist einer der Zugänge, wenn nicht der zentralste, der ihrem Film „Schneeweiss“ zugrunde liegt.
Die Idee dahinter war ganz gezielt ein Mehrgenerationenprojekt. Mandl hat dafür aber nicht nur drei Generationen, sondern auch bewusst drei unterschiedliche Zugänge ausgewählt. Die Nachwuchsathletin Hanna Karrer kommt aus dem Freestyle, Uta Philipp vom Skitourengehen: „Das Schöne ist, dass prinzipiell eine Sportart mit verschiedenen Ausführungen oder Disziplinen im Hintergrund steht, die sich auch immer an den jeweiligen Lebensstil anpassen kann.“ Für Mandl war aber auch der Wandel im Sport ein maßgeblicher Anstoß für dieses Projekt: „Ich mache das schon sehr lange und sehe, dass sich in den letzten Jahren viel verändert hat – ins Gute und Schlechte gleichermaßen. Da stellt sich mir die Frage: Wo geht es hin? Oder: Wie mein eigener Zugang zum Freeriden heute ist.“ Auch der gesellschaftliche Verlauf im Freeriden ist dabei ein Thema. Wie entwickelt er sich? Wie hat Manuela Mandl ihn erlebt und wie sieht der direkte Vergleich zu Hanna Karrer und Uta Philipp aus? Das alles wird in ihrem Kurzfilm „Schneeweiss“ eingefangen. Die drei Protagonistinnen nehmen die Zuseher mit, ihren persönlichen Zugang zum Sport zu erleben.
Hanna Karrer ist mit ihren 16 Jahren die jüngste Protagonistin und kommt aus dem Slopestyle, den sie ähnlich wie Mandl im Freeriden wettbewerbsmäßig ausübt. Dabei ist sie bereits sehr erfolgreich, holte beispielsweise Gold bei den Olympischen Jugend-Spielen. Im Vergleich zum Freeride-Sport ist die Infrastruktur ganz anders. Karrer findet genau das spannend: „Es ist im Grunde die gleiche Sportart, nur mit komplett unterschiedlichen Ausrichtungen. Im Snowpark kommt es viel mehr auf einen selbst an und im Backcountry muss man viel mehr auf die Umgebung achten.“ Tatsächlich absolvierte sie im Zuge des Filmprojekts ihren ersten Tag auf einem Splitboard und empfand es als tolle Erfahrung: „Ich kann mir gut vorstellen, dass mich mein Weg nach meiner Karriere im Slopestyle in Richtung Freeriden trägt. Wenn ich mehr Zeit dafür habe, möchte ich das dann auch machen.“
Bei Uta Philipp ist es ganz anders. Geboren 1959, fand sie ihre Liebe zum Bergsport, lange bevor er so breitentauglich wurde wie heute. Ihr Zugang ist dabei weit weg von Leistungsdruck oder beruflichen Ambitionen. Sie hat sich – inspiriert durch Geschichten ihres Großvaters – alles selbst beigebracht und lebt ihre Passion für Abfahrten auf unberührten Schneedecken heute noch genau so wie damals. Für ihre Leistungen ist sie dabei im Gegensatz zu den anderen zwei Protagonistinnen nie bezahlt worden, sprich: Keine Sponsoren waren je daran beteiligt, dass sie sich ihre Reisen wie beispielsweise die Erstbefahrung der Chimborazo-Nordflanke 2019 ermöglicht hat. Warum sie das tut und auch vor solchen Extremen nicht zurückschreckt? „Das Neue, das Unbekannte, die Ungewissheit, das macht echte Abenteuer aus. Wir hatten für die Chimborazo-Nordflanke nur ein Foto und es sah machbar aus. Lediglich eine Passage war nicht einsehbar. Auf 6300 m Höhe dann die Entscheidung zu treffen, nicht den Aufstiegsweg zurück zu nehmen, sondern nach Norden abzufahren, mit allen Unwägbarkeiten und der Option, vielleicht am senkrechten Abgrund umkehren zu müssen: Das sind Erfahrungen, die das Leben ungemein intensiv und kostbar machen. Das suche ich immer wieder“, beschreibt die Skibergsteigerin ihre Leidenschaft.
Diese drei unterschiedlichen Zugänge machen das Projekt so spannend. Diese Unterschiede haben auch etwas gemeinsam: den weiblichen Zugang zum Freeriden, weiß Manuela Mandl: „Frauen stärken sich gegenseitig mehr und man stellt die Gruppe über sich selbst. Es zählt nicht, wer die Stärkste ist oder die beste Line gefahren ist, sondern eher, wie cool der Tag und wie groß die kollektive Freude ist, die man dabei empfindet. Gerade beim Freeriden steht die Gemeinschaft im Mittelpunkt.“
Eines ihrer größten Ziele ist es auch, auf vielen Ebenen zu zeigen, dass Wintersport Spaß macht und dass dabei das WIE zählt. Mandl engagiert sich aktiv bei „Protect our Winters“ und versucht mit Firmen zusammenzuarbeiten (oder deren Produkte zu nutzen), die bewusst auf das Klima achten. Wie beispielsweise der Outdoor-Bekleidungshersteller Berghaus, der nicht nur den Film unterstützt hat, sondern auch ein „Repair Haus“ für kaputte Bekleidungsteile anbietet.
Auch Feminismus ist für die Wahl-Tirolerin ein wichtiges Thema: „Ich versuche wirklich da und präsent zu sein – wenn man will, ein weibliches Vorbild. Es gibt eine tolle Initiative, die sagt ,You can’t be, what you can’t see‘, und das ist sehr bezeichnend. Ich möchte so viele Frauen wie möglich bestärken, Sport zu machen. Den richtigen Sport aus den richtigen Gründen. Ich sehe oft, dass Frauen Sport machen, um einen schönen Körper zu haben. Doch darum geht es nicht. Sport muss Spaß machen. Es gibt für jede eine Bewegungsform, die Freude macht. Ein starker Körper muss keinem Schönheitsideal entsprechen.“ Starke und wichtige Themen, die mit dem Film „Schneeweiss“ transportiert werden.