Es muss nicht immer „höher, schneller, weiter" sein. „Genusswandern" kommt immer mehr in Trend und lädt ein, Land, Leute und Kulinark bei entspanntem Gehen neu zu entdecken.
Von Wolfgang Kuhn
„Das langsame Reisen ist für uns etwas ganz Besonderes. Man wird einfach ein Teil der Natur, man sieht, hört und riecht alles mit jeder Faser seines Körpers." Das sagen zwei, die es wissen müssen. 1.000 Kilometer haben Verena und Andreas Jeitler im letzten Jahr auf den schönsten steirischen Pilgerwegen zurückgelegt.
Die beiden steirischen Fotografen und Filmemacher lieben es, langsam zu reisen und abseits von bekannten Pfaden wahre Juwelen zu entdecken. Und genau das ist der Hintergrund des Genusswanderns, das abseits von Gipfeleroberungen und Bergläufen immer mehr Liebhaber findet. „In der heutigen Zeit muss alles immer schneller, höher und weiter sein. Wir stellen uns hier bewusst dagegen, wir wollen den Weg intensiv erleben und so viel wie möglich sehen, auch, um die schöne Landschaft mit unseren Kameras einzufangen", kommentiert das Ehepaar Jeitler den Trend.
IM SCHRITTTEMPO
Doch was versteht man eigentlich unter „Genusswandern"? Kurz gesagt: abschalten, genießen, beim Gehen seine „inneren Akkus" aufladen. Das Zufußgehen erlebt eine Renaissance in unterschiedlichsten Facetten. Immer mehr Menschen stellen fest, dass es etwas Besonderes ist, sich einem Ziel im „Schritttempo" zu nähern.
Der Genuss als „bewusstes Vergnügen, Behagen, beglückendes Erleben" spielt dabei eine besondere Rolle, und das in den verschiedenen Ausprägungen: der Ausblick vom Gipfel, die Blumenwiese am Wegesrand, die gemeinsame Jause, der gute Schluck Wein in der Buschenschank. Der Duft eines Feldes, die Geselligkeit in der Gruppe oder auch die innere Freude über die erbrachte körperliche Leistung. Eine Urlaubsregion, die man zu Fuß durchwandert, hinterlässt intensive Eindrücke.
Die Experten | VERENA JEITLER (35) und ANDREAS JEITLER (41) sind beide Fotografen und Filmemacher aus St. Kathrein/Offenegg (St) und leidenschaftliche Weitwanderer. Über ihre Touren berichten sie in Vorträgen und Büchern. Web: www.erlebnis-erde.at |
DER REIZ DES HÜGELLANDES
Das gilt nicht nur, aber besonders auch für jene Teile Österreichs, die nicht im engeren Sinn zum Bergland zu zählen sind. Etwa für die östlicher und südlicher gelegenen Teile der Steiermark. „Das Land hat noch viel mehr zu bieten als hohe Berge, die durchaus auch ihren Reiz haben. Besonders die Landschaften zwischen der Ost- und Weststeiermark bieten mit ihrer Hügellandschaft viele Möglichkeiten für jeden Wanderer. Dabei kann man besonders kulinarische Schmankerl entdecken, die sich einem auf dem Weg anbieten", streuen die Jeitlers ihrer Heimat Rosen.
Tatsächlich scheint die Steiermark eine ideale Spielwiese für Genusswanderer zu sein, vermittelt das Land doch seit jeher Lebensqualität und Genusskultur. Apfel, Wein und Kürbis, die kulinarischen Eckpfeiler des Landes, sind buchstäblich in aller Munde. Landschaft und Klima bereiten den idealen, fruchtbaren Boden sowohl für herausragende Spezialitäten als auch besondere Wandererlebnisse.
Egal wo – im Norden, Süden, Osten oder Westen des Landes – gelangt der Genießer auf nicht zu steilen Wegen, dafür in einer atemberaubenden Landschaft zu besonderen Ausblicken und regionalen Köstlichkeiten. „Ist man etwa auf dem Mariazellerweg von Eibiswald nach Mariazell unterwegs, kommt man an die Schilcher-Weinstraße, wo es Pflicht ist, bei einer Buschenschank einzukehren, um ein Glas Schilcher bei einer gut schmeckenden Jause zu genießen. Kleine, verträumte Ortschaften laden zum Verweilen ein, am Wegesrand ergeben sich nette Gespräche – besonders dann, wenn man auf einem Pilgerweg unterwegs ist", erzählen Verena und Andreas Jeitler.
MODERATE ETAPPENLÄNGEN
Allerdings: Wenn alle Wege zum Genuss (nein, nicht nach Rom) führen, hat man natürlich die Qual der Wahl. Welche besonders schönen Pfade haben die beiden Wanderprofis auf ihren Reisen entdeckt? „Bezüglich der verschiedenen Pilgerwege in der Steiermark gibt es natürlich so manchen Favoriten, der zum Genusswandern einlädt. Dazu zählt besonders der Weststeirische Jakobsweg von Thal bei Graz bis zur Soboth. Gestartet wird der Weg am Geburtsort von Arnold Schwarzenegger, später geht es noch am Lippizaner Gestüt in Piber vorbei, pilgerfreundliche Familien laden zum Verweilen ein und die Länge der Tagesetappen sind großteils moderat und auch für Wanderanfänger geeignet." Denn auch das zählt schließlich zum Genuss – dass die Anstrengung im Rahmen bleibt. Und selbst wenn man die Kirche im Dorf lässt, sind auch grenzüberschreitende Erfahrungen möglich: „Der Kirchen- und Lindenweg, der unter anderem über die Grenze Österreichs nach Slowenien hinausführt, bietet einen traumhaften Blick über das Drautal."
Und auch der Rest Österreichs hat mehr als bloß den einen oder anderen geheimen Platz oder versteckten Genusspfad zu bieten – wissen natürlich auch Andreas und Verena Jeitler. „Besonders gut gefällt uns der Johannesweg im Mühlviertel und der Kalkalpenweg im Nationalpark Kalkalpen." Fünf besondere Genusswege in Österreich haben wir im Kasten rechts aufgelistet – ohne Reihung oder Anspruch auf Vollständigkeit. Abschlussfrage: Und was ist für euch eigentlich das größte Erlebnis auf einer Genusswanderung? „Wenn man erkennt, wie schön es zu Hause wirklich ist."
5 GENUSSWANDERUNGEN | |
Klöcher Traminerweg (ST) | Auf romantischen 13,5 Kilometern begibt man sich auf die Spuren eines besonderen Weines: Über Wiesen und durch Weingärten und Laubwälder führt der Weg zu versteckten Buschenschänken und traumhaften Aussichten bis nach Slowenien. Web: www.kloech-online.at |
Weinviertler Dreiländereck (NÖ) | Die Kombination aus Landschaftsvielfalt, Kulturgütern und kulinarischem Angebot bietet die ideale Voraussetzung für faszinierende Naturerlebnisse. Web: www.wde.at |
Salzburger Almenweg | Man muss nicht alle 31 Etappen durch die Pongauer Bergwelt auf einer Länge von 350 Kilometern auf einmal zurücklegen. Doch über 120 Almen warten darauf, entdeckt zu werden, und urige Almhütten locken zur gemütlichen Einkehr. Web: www.salzburger-almenweg.at |
Genussrouten Stubaital (T) | Was der Duft der Almkräuter und Wiesen vor der Einkehr verspricht, wird auf den Tellern der Stubaier Genussbetriebe eingelöst: Frisch gebackenes Bauernbrot, herzhafter Speck und Käse, feurige Schnäpse und verlockender Kaiserschmarren warten auf Wanderer. Web: www.stubai.at |
Herzspur Bad Gleichenberg (ST) | Die Herzspur ist der wohl sinnlichste Wanderweg der Steiermark, der vor allem Paare einlädt. Die 7,4 Kilometer lange Strecke führt über den Kurpark durch die sanft hügelige Landschaft nach Trautmannsdorf und retour. Web: www.bad-gleichenberg.at |