Der Südtiroler Ultra-Trailrunner Philipp Ausserhofer (29) hat 2021 seine bislang größten Siege gefeiert. Sein wichtigster Lauf war aber kein Rennsieg, sondern sein „Homerun“.

Christof Domenig
Christof Domenig


Die Berge zeigen dir, wie klein du bist und wie groß du sein kannst“, sagt Philipp Ausserhofer. Der 29-Jährige ist im Gebirge aufgewachsen, in Weißenbach, einem Dorf im Südtiroler Ahrntal auf 1400 m, umringt von 3000er-Gipfeln. Von klein auf waren die Berge seine Welt und sein Sportgelände. Mit dem Trailrunning begann er aber erst während des Studiums in Innsbruck, sein erstes Rennen bestritt er 2018. Mit dem Sieg beim „Mozart 100 by UTMB“ über 108 Kilometer und 4750 Höhenmeter feierte er 2021 seinen bis dato größten Erfolg. Doch dieser Kürzest-Abriss des Lebenslaufs des heute im Tiroler Stubaital lebenden – und neben dem Sport immer noch 24 Stunden pro Woche als Apotheker arbeitenden – Ausserhofer zeigt nichts davon, was die Sportart Trailrunning in seinen Augen so besonders macht. Und das habe auch nicht zwingend mit den extrem langen Distanzen im Trailrunning zu tun, sagt er – obwohl es auf ihn zutrifft.

Bei seinen Heimatbesuchen im Südtiroler Ahrntal spielte er schon länger mit dem Gedanken, ob es möglich wäre, das gesamte Tal laufend über die Berge zu umrunden. Die Routenplanung ergab eine 160 Kilometer lange Strecke mit 11.000 Höhenmetern. Eine Spur kürzer, aber noch etwas mehr Höhenmeter als beim Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB), dem weltweit angesehensten Rennen der Ultra-Trailrunningszene. Im Frühsommer 2021 war Ausserhofer beim „Stubai Ultratrail“ – also dem Rennen in seiner Wahlheimat – auf Kurs zu einem neuen Streckenrekord, als er bloß acht Kilometer vor dem Ziel aufgeben musste. „Ich war unglaublich enttäuscht und brauchte etwas, das mir die Freude am Laufen zurückbringt.“ Der Schlüsselmoment, um sein „Homerun“ genanntes Herzensprojekt im Ahrntal in Angriff zu nehmen.

Laufende Sinnsuche
Im Juli 2021 machte er sich, ein (vermeintlich) gutes Wetterfenster nutzend, auf den Weg. 24 Stunden hatte sich Ausserhofer insgeheim als Zielzeit gesetzt und lag auch länger gut im Plan. Doch am Nachmittag geriet er in ein Gewitter, etwas, das in den Bergen an sich unbedingt zu vermeiden ist. „Im Lauf der vielen Jahre in den Bergen habe ich gelernt, auch bei Unvorhergesehenem ruhig zu bleiben“, erzählt er, „durch meine genaue  Gebietskenntnis wusste ich auch, wo ich Unterschlupf finden kann.“ Doch in seinem Unterstand kauernd kamen mit der verrinnenden Zeit auch die Gedanken: „Du willst weiter, kannst aber nicht. Und du denkst nach, was du da eigentlich machst, wie und warum du es machst. Dass es um etwas anderes geht als Höhenmeter und Zeit.“

Endlich wieder unterwegs, erlebte er im nun nassen, glitschigen Gelände Stunden des Auf und Abs. Bringt das alles noch etwas? Lieber abbrechen und bei besseren Bedingungen noch einmal versuchen? Auch Gedanken, die Route kurzfristig zu verändern und zu vereinfachen, kamen ihm in den Sinn. Bei einem Treffen mit seinem ihn begleitenden (und befreundeten) Foto- und Videoteam kam in intensiven Gesprächen, der Entschluss zum Weitermachen: „Weil man sich ewig in den Allerwertesten beißen würde, wenn man jetzt spontan etwas ändern würde.“ Eine Zeit lang lief Ausserhofer dann bei strömendem Regen und als es aufklarte, „war da ein riesengroßer Regenbogen. Da wird dir bewusst, dass es ohne Regen keinen Regenbogen gibt, ohne Tiefen keine Höhen oder ohne Tal keinen Berg.“

Die Nachtstunden hindurch begleitete Ausserhofer dessen Freund Daniel Jung, ebenfalls Südtiroler Ultra-Trailläufer und so etwas wie ein Mentor von ihm. „Nach dem grauen Nachmittag liefen wir unter sternenklarem Himmel. Als dann die Sonne aufging, war das einfach nur schön.“ Philipp Ausserhofer benötigte letztlich knapp 34 Stunden, um in den Bergen die Heimat seiner Kindheit zu umrunden. Am Ende wartete die Familie und der kleine Bruder mit einem Lorbeerkranz, „das war denke ich der Moment, wo viele meine Leidenschaft und meine Freude an dem, was ich tue, so richtig verstanden haben.“

Ohne Regen kein Regenbogen, ohne Tiefs keine Höhen und ohne Tal keine Berge.

Philipp Ausserhofer, Ultra-Trailrunner

„Danke“ sagen für das Gelernte
„Ich wollte mit dem Projekt zeigen, was ich in meinen Heimatbergen gelernt habe – und irgendwo auch ‚Danke‘ für das Gelernte sagen“, resümiert Ausserhofer. Hätte er den Homerun nicht durchgezogen, dann hätte er im September darauf auch nicht beim Mozart 100 seinen bis dahin größten Rennsieg gefeiert, glaubt er. Mit seinen Erfolgen hat sich der Apotheker und Teilzeitprofi auch erstmals für den UTMB qualifiziert, den er als noch junger Athlet ursprünglich erst in einigen Jahren auf dem Plan gehabt hätte.

Doch wie schon angeschnitten: Vieles von dem, was Trailrunning in den Augen von Philipp Ausserhofer ausmacht, gilt unabhängig von den ultralangen Distanzen. Es ist ganz einfach eine Lebenseinstellung. Und dass in den Social-Media-Postings der Profis alles stets spielerisch ausschaut und manche zu gefährlichem Nachahmen animiert, das sieht er auch überaus kritisch. Aber letztlich geht es darum, „zu träumen und den Mut zu haben, seinen Träumen zu folgen und auch das Scheitern in Kauf zu nehmen. Das war für mich der Homerun und generell das, wonach ich leben möchte.“

Vom Mut zu träumen: Ultra-Trailrunner Philipp Ausserhofer und sein "Homerun"
Philipp Ausserhofer

Mehr zu Philipp Ausserhofer: www.theflyingflip.com