Vanlife! Wohl kaum jemand kann über das Leben in einem Camper-Van mehr erzählen als Babsi Zangerl und Jacopo Larcher. Denn dem Weltklasse-Kletterpaar hilft tatsächlich ein geradezu minimalistischer Bus, ihre Freiheit und ihren Traum zu leben.

Thomas Polzer
Thomas Polzer

Ihr verbringt sehr viel Zeit des Jahres in eurem Van, bezeichnet ihn als euer Wohnzimmer. Wie kann man sich das im Alltag vorstellen?
Babsi: Ja, wir sind sicher mehr als ein Drittel des Jahres im und mit dem Bus unterwegs. Von den Fahrten zur Kletterwand in der Nähe bis zu längeren Ausflügen über ein paar Wochen in halb Europa. 

Jacopo: Ich bin damit auch viel in meinem Job als Kletterroutenbauer mit der Gruppe on tour. Auch wenn der Veranstalter des Kletterevents ein Zimmer buchen würde, schlafe ich lieber im Bus. Es ist immer mein Bett und mein Zuhause. Ich hab dort meine Ruhe, kann meistens direkt bei der Kletterhalle parken – ich genieße es einfach im Bus zu sein.

Was ist das genau für ein Bus?
Babsi: Es ist ein einfacher Kastenwagen, Baujahr 2018. Hinten ohne Fenster, mit Standheizung. Man kann nicht aufrecht stehen, es gibt keinen Tisch, nur eine kleine Theke zum Kochen und beim Essen sitzen wir am Rand des Betts. Dafür haben wir viel Stauraum für unser ganzes Equipment. Das ist uns sehr wichtig. Sonst ist er aber nicht so groß und es wird zu zweit und gemeinsam mit unserem Hund Olli aka Ollibertos (Anm.: rumänischer Straßenhund) schon eng, vor allem, wenn es regnet. Es ist jedenfalls sehr minimalistisch.

Jacopo: Da wir am liebsten in der Natur sind und von Frühling bis Herbst draußen kochen und drinnen nur schlafen, ist das ok. Im Winter sind wir ohnehin viel weniger damit unterwegs.

Seid ihr auch mal im Hotel?
Babsi: Wenn wir nur für Vorträge zu Events eingeladen werden, kann es schon mal in der Gruppe ein Airbnb sein. Aber wenn wir länger dort sind und auch klettern gehen, sind wir mit dem Bus unterwegs. Nur im Winter mieten wir uns ein – das ist erholsamer. Bei Eiseskälte regeneriert man fürs Klettern in unserem Bus nicht so gut. Bloß unser Hund will immer im Bus schlafen, der will gar nicht ins Hotel oder in unsere Wohnung. 

Klingt ganz nach der großen Freiheit, die heute in vielen Menschen Sehnsucht auslöst. Ist dieser Lebensstil für euch in erster Linie pragmatisch oder könnt ihr euch tatsächlich nichts Schöneres vorstellen?
Babsi: Es ist einfach schön, wenn man aus dem normalen Komfortleben heraustritt. Zum Beispiel, wenn man beim Klettern in einer Wand in einem Wandzelt schläft. Da hat man noch viel weniger als im Bus. Das sind intensive Erlebnisse, die extrem schön sind, wenn du in der Natur aufwachst und irgendwo an einem abgelegen Ort bist. Das bleibt dir ewig in Erinnerung. So was hast du in den eigenen vier Wänden nicht. Das ist – mit all den Schwierigen, die dazugehören, es ist ja oft kalt und grauslich – einfach cool! 

Vanlife pur – ­ Freiheit pur: Die Kletterer Babsi Zangerl und Jacopo Larcher über die Freiheit im Van

Dazu gehört eben auch das Platzerl am Fuß der Wand?
Babsi: Direkt an der Wand geht mit dem Bus meistens nicht. Jetzt, wo es viele in die Natur zieht, kann man nicht mehr so leicht einfach irgendwo stehen. Das ist auch auf vielen Parkplätzen nicht mehr erlaubt. Es gibt noch zugewiesene Parkplätze oder ein paar Geheimflecken, es ist aber definitiv schwieriger als früher. Klassische Campingplätze sind aber trotzdem bei uns kein Thema. 

Jacopo: Die Kletterer geben oft untereinander Tipps, wo man stehen kann. Es ist jedenfalls von Vorteil, einen kleinen Bus wie unseren zu haben, der aussieht wie ein normales Arbeitsauto. Und man fällt auch nicht so auf, wenn man nur drin schläft und nicht davor sitzt. Das ist auch ein wichtiger Grund für unseren aktuellen Bus. Außerdem muss er in jede öffentliche Garage passen. Er ist vor allem Mittel zum Zweck, aber ich genieße es sehr, damit unterwegs zu sein. Man hat die volle Freiheit, kann hinfahren, wohin man will, jederzeit stehen bleiben, drin schlafen. Für mich ist das Urlaub pur, selbst bei der Arbeit fühlt sich das wie Urlaub an. 

Babsi: Ein Riesenvorteil ist auch, dass wir für Urlaube nichts planen  müssen! Wir fahren einfach drauflos und entscheiden vor Ort, wo wir bleiben. Das Busleben macht vor allem das Unkomplizierte aus. Es ist mit wenig Stress möglich, in eine andere Region mit besserem Wetter zu fahren. Das wäre bei einer gebuchten Unterkunft nicht möglich.

Jacopo: Ich fahre einmal pro Jahr alleine oder mit dem Hund mit dem Bus einfach drauflos – zum Skifahren oder zum Klettern, je nach Lust und Laune. Das ist für mich das Coole am echten Vanlife. Dafür sitzen wir heute viel weniger im Flugzeug als früher – vielleicht ein bis zwei Mal im Jahr. 

Aber etwas mehr Komfort beim Vanlife wäre schon fein, oder?
Babsi: Sicher, aber das Problem ist auf jeden Fall der Preis. Und bei dem vielen Salz im Winter rostet dir ein teurer Bus dann genauso unter dem Arsch weg.

Jacopo: Für den Alltag ist es mit einem größeren Bus einfach nicht mehr so fein. Für mich ist er in erster Linie ein viel genutztes Zweckfahrzeug. 

Für welche Leidenschaften und Werte, die euch wichtig sind, hilft euch der Van, diese auch leichter zu leben?
Babsi: Ohne den Van wäre unsere große Leidenschaft Klettern gar nicht möglich. Wir sind sehr viel unterwegs bzw. auf Reisen, da ist das Mobilsein, unser mobiles Bett, einfach ein Hit. Wir packen spontan ein und können los. Das ist Freiheit pur! 

Jacopo: Vanlife gehört für mich einfach zum Klettern dazu. Ich würde das Klettern nicht gleich genießen, wenn ich in einem Hotelzimmer oder mit Airbnb unterwegs wäre. 

Babsi: Ich finde es cool, wenn man in der Früh aufwacht, rundherum zwitschern die Vögel und man ist schon direkt in der Natur. Man kocht seinen Kaffee am Boden in der Bialetti. Das löst tolle Gefühle aus und ist beruhigend für uns – auch schon fürs Klettern danach. Und am Ende des Tages bleiben Erinnerungen, was man erlebt hat – extrem schöne und auch extrem harte – und die man tief drinnen abgespeichert hat. Das definiert für mich Leben oder Glück. 

Dafür verzichtet ihr auch gern auf Komfort.
Babsi: Wenn man immer in der Komfortzone bleibt und immer entspannt und bequem ist, bleibt nichts. Genauso ist es mit Risiko: Jeder Mensch muss gewisse Risiken im Leben eingehen, damit das Leben lebenswert ist. Durchs Klettern kann man da auch viel fürs „normale“ Leben lernen. 

Jacopo: Für uns bedeutet das Leben im Van und das Klettern das pure „Im-Moment-Sein“. Die Natur genießen, Zeit für sich zu haben. Im Hotel ist das anders, da muss ich immer etwas Produktives machen oder etwas planen. Und auch wenn ich länger zu Hause bin, fehlt mir was.

Gibt es auch  Schattenseiten beim Leben im Van?
Jacopo: Bei Kälte ist es die fehlende Erholung. Und es gibt auch Gegenden, wo öfters eingebrochen wird. Das nimmt mir natürlich das Gefühl der Freiheit, wenn man im Hinterkopf hat, dass ich nicht alles mitnehmen kann. Und das ist uns leider schon dreimal passiert, rund um Marseille und Monaco: Da sind organisierte Gruppen unerwegs – Scheibe eingeschlagen und Geldtasche und Fotoapparat gestohlen.

War bei euch beiden der Zugang zum Leben im Van immer der gleiche?
Babsi: Ich wollte schon als Kind immer im Zelt schlafen. Ein tolles Abenteuer, das alle Eltern ihren Kindern ermöglichen sollten, auch als Erfahrung für das spätere Leben. Mit 16 Jahren habe ich schon fürs Klettern im Auto geschlafen – auch am Vordersitz oder im Schlafsack draußen. Einfach, um ohne Geld zum Klettern zu kommen. Aber das hatte mit Vanlife nichts zu tun. Es war jedenfalls schon früh ein Traum und Ziel von uns beiden, mal einen Bus zu haben und nicht mehr im kleinen Auto schlafen zu müssen. 

Jacopo: Wir sind schon als Kinder mit den Eltern im Dachzelt unterwegs gewesen. Diese Art des Reisens war immer Teil meines Lebens. 

Habt ihr immer den gleichen Bus gehabt? 
Jacopo: Babsi hatte davor auch einen Bus, aber zusammen haben wir seit 2018 nur mehr den einen – das passt. Im aktuellen Bus haben wir nachträglich noch Solarpaneele installiert. So lädt sich die Batterie nicht nur beim Fahren, sondern auch, wenn wir stehen. Ein Mega-Upgrade für uns! Ja, und dazugekommen ist noch ein Radträger hinten, jetzt können wir manchmal mit den E-Bikes zur Kletterwand radeln.

Für uns ist das Leben im Van und auch das Klettern das pure Im-Moment-Sein.

Jacopo Larcher

Habt ihr noch andere Pläne, was das Vanlife betrifft?
Jacopo: Ich glaub schon, dass wir mal einen größeren Bus kaufen werden, in dem wir drinstehen und damit für eine längere Zeit gemütlich unterwegs sein können. 

Babsi: Ja, das wäre gewaltig! Es würde schon vieles einfacher machen, wenn man mehr Platz hat. Eine Eckbank und ein Tisch wären auch schön, damit man im Bus auch bei Regen gut Zeit verbringen kann, und ohne raus zu müssen, um den Bus innen umzubauen.  

Welche Tipps könnt ihr zum Vanlife weitergeben? 
Babsi: Das Wichtigste ist, dieses Leben überhaupt einmal auszuprobieren. Vielleicht mal einen Bus ausleihen. Viele wären wahrscheinlich positiv überrascht. Und wenn ihr dann mal wo frei steht: Verhaltet euch – bei aller Freiheit – stets dezent und rücksichtsvoll

Jacopo Larcher
Jacopo Larcher

ist 34, stammt aus Bozen in Südtirol und lebt mit Lebensgefährtin und Spitzenkletterin Barbara Zangerl in Bürs (V). Zurzeit arbeitet er als Kletterroutenbauer und hält Vorträge. Er beendete 2011 seine Wettkampf-Kletterkarriere (u. a. italienischer Meister im Bouldern), widmet sich seitdem dem Felsklettern und ist hier Weltspitze. 

WEB: www.jacopolarcher.com

Babsi Zangerl

Die Tiroler Profikletterin ist 36, gilt als beste Allroundkletterin der Welt und ist vor allem auf Sportkletter-Routen weltweit unterwegs. Außerdem arbeitet sie im LKH Bludenz als Röntgenassistentin. 

Instagram: @babsizangerl