Österreichs erfolgreichster Ultratrailläufer Florian Grasel vom BOA Trail Team im Interview über seine Sportart, seinen „Lebenslauf“ und neue Erfahrungen in Form eines 250 Kilometer-Laufs mit 20.000 Höhenmetern. Und über die Rolle der Trailrunningschuhe beim Ultratraillaufen.


Du bist sportlich über einen einzelnen Marathon und ebenso einen Ironman recht schnell beim Ultratraillaufen gelandet – und dabei geblieben. Was ist für dich der Reiz am Traillaufen?
Hauptsächlich die Natur, die Landschaft und die Berge. Die Kombination zwischen sportlicher Betätigung und Draußensein, andere Gegenden und Landschaften sehen. Beim Marathon oder Ironman haben mir ein bisschen das Abenteuer und die Community gefehlt – beim Traillaufen ist die Kombination Landschaft, Community, sportliche Herausforderung einmalig.

Du bist nicht nur einfach Trailläufer, sondern hast mit Platz 9 beim prestigeträchtigen „Ultra Trail du Mont Blanc“ (UTMB) 2018 das wohl beste Resultat eines Österreichers im Ultratrailrunning zu Buche stehen. Welche Rolle spielt für dich speziell der Wettkampf?
Da geht es darum, mich selbst ein wenig zu fordern und mich mit mir selbst zu messen. Der erste Impuls, um bei Wettkämpfen mitzumachen war, zu sehen, wie weit ich laufen kann. Jetzt ist die Steigerung das Ziel, zu schauen, ob ich meinen Körper noch ein bisschen weiter treiben kann. Heuer zum Beispiel bei einem 250-Kilometer-Lauf mit 20.000 Höhenmetern, dem Eiger250 im Zweierteam mit Tom Wagner. Einfach noch einmal eine Steigerungsform – das Weiteste waren bis jetzt 100 Meilen, eben der UTMB.

Das klingt nach einer Riesenchallenge, wenngleich für den Laien ebenso unvorstellbar, wie 160 km und 10.000 Höhenmeter des UTMB. Wie groß ist auf deinem Niveau ein Sprung von 160 auf 250 Kilometer?
Es sind vor allem doppelt so viele Höhenmeter, 20.000 Höhenmeter bergauf, bergab. Es wird ein ganz anderes Rennen. Den UTMB kenne ich, den kennt mein Körper. 24 Stunden, eine Nacht, da weiß ich, wie man das mental durchstehen und verarbeiten kann. 250 wird zumindest eine zweite, vielleicht dritte Nacht bedeuten. Das wird interessant, mit Schlafen, Powernaps, Ernährung usw. Mein Teampartner Tom Wagner ist schon 320 km-Rennen mit 20.000 hm gelaufen, der kennt das schon, da müssen wir uns noch ein bisschen abstimmen, ein paar Trainingseinheiten und bei ein, zwei Bier eine Taktik ausmachen. Ich freue mich jedenfalls riesig auf diese Erfahrung.

Du bist kein Profi, hast ein Unternehmen mit sieben Mitarbeiter:innen und bist Familienvater von viereinhalbjährigen Zwillingen. Wie kriegst du alle Verpflichtungen unter?
Ich spreche da immer von meiner #lifeworktrailbalance. Viele glauben, ich bringe das alles einfach ausbalanciert unter einen Hut. In Wahrheit arbeite ich ständig hart daran, dass diese drei Dinge in Balance sind: Erst die Familie, die Kinder, dann die Arbeit und dann meine Leidenschaft – damit ich selbst ein wenig abschalten und mich selbst spüren kann, eben durchs Trailrunning. Das ist ein Kraftakt. Es macht mir aktuell irrsinnig Spaß, klappt manchmal mehr schlecht als recht und geht mitunter auch in Dysbalance. Aber in der Familie weist mich meine Frau dann darauf hin und in der Arbeit kriege ich es auch teilweise zu spüren, dass ich wieder einmal an einem Schräubchen zu drehen habe. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen, das fordert, aber auch Spaß macht, daran zu arbeiten.

Hast du Strategien, um das alles zeitlich zu managen?
Ich versuche, Nichtigkeiten zu vermeiden – angefangen damit, dass ich meine Social Media-Präsenz klein halte, nicht fernsehe und meine Zeit effektiv nutze. Und auch die Zeit zum Abschalten richtig nutze und mich nicht mit irgendetwas berieseln lasse. Auf meinem Bildschirm hängt „nutze deine Zeit“. Ich versuche das wirklich zu beherzigen, bei der Arbeit nicht abzuschweifen und mich dem, dem ich mich widme, voll und ganz zu widmen: Der Arbeit, dem Laufen, der Familie.

Wie schaut dein typischer Trainingstag aus? Gibt es deine Haus-Trainingshügel mit 500 Meter Länge und 111 Höhenmeter noch?
Ja, da hab ich jetzt die 1000-Läufe-Grenze überschritten in den 6, 7 Jahren, seit ich hier wohne. Auf Google-Maps hab ich mit meinen Bewegungsdaten schon einen ordentlichen Pfad eingezeichnet. Der Hügel wird sehr oft im Training integriert, weil es gleich einen halben Kilometer von mir daheim weg ist, ich so die Zeit nutze und nicht mit dem Auto zum Beispiel zum Schneeberg fahren muss. Was ich zwar auch ab und zu mache, aber grundsätzlich schaue ich, dass ich die Zeit lieber zum Trainieren nutze.

Meine Haushügel bin ich heuer bislang rund 150-mal rauf und wieder runter, ich hab ihn aber auch an einem Wochenende schon einmal 100-mal bewältigt (das sind mit 11.100 etwas mehr Höhenmeter als beim UTMB, Anm.). Es ist eine Art Hassliebe, auf jeden Fall auch eine mentale Herausforderung. Und hilft definitiv bei den Rennen.

Auf meinem Bildschirm hängt 'nutze deine Zeit'. Ich versuche das wirklich zu beherzigen, bei der Arbeit nicht abzuschweifen und mich dem, dem ich mich widme, voll und ganz zu widmen: Der Arbeit, dem Laufen, der Familie.

Florian Grasel, Ultratrailläufer & BOA-Athlet

Wie viele Stunden investierst du in der Woche ins Laufen? Wie viel trainierst du davon Grundlage?
15 bis 20 Stunden und ich mache hauptsächlich Grundlage. Ich habe keine genauen Trainingsplan, schaue schon, dass ich eine gute Mischung reinkriege, mache aber fast keine Intervalle. Sondern so, wie es mir gerade taugt. Natürlich – mein Hügel ist im Endeffekt ja ein Bergintervall, aber ich nehme mir nicht vor, dass ich in der Woche drei Intervalleinheiten mache. Je nachdem, wie es mir körperlich und von der Zeit her passt – da mache ich mir überhaupt keinen Stress.

Dein „Lebenslauf“ ist der UTMB – ist der auch heuer das große Ziel? Lässt sich der 9. Platz von 2018 noch steigern?
Die Platzierung wird sich kaum noch steigern lassen, auch weil die jungen Wilden schon ordentlich nachdrängen. Aber bei der Zeit gibt es schon Potenzial: Ich bin jetzt bei 23:12 h, da denke ich mir, da gibt es noch einiges Optimierungspotenzial. Sonst: Es wird der bestbesetzte UTMB ever, ein neues Format, Ironman ist jetzt eingestiegen …

Du bist ja auch als kritischer Geist bekannt: Siehst du da auch beim UTMB jetzt etwas kritisch?
Es gibt jetzt das neue Format, wo man auf jeden Fall eines von 25 Rennen laufen muss, um teilnehmen zu können, das kann man sicher auch kritisch sehen. Erstens ist es mit viel Aufwand und viel Reisen verbunden und das sollte heute mit der Umweltbelastung nicht so im Vordergrund stehen.

Der Lauf selbst kann ja aber nichts dafür – der prestigeträchtigste, geilste Lauf, so eine prägnante Runde um den Mont Blanc herum, die Eckdaten sind auch so cool, und auch die Atmosphäre, die Zuschauer, die Stimmung – einmalig.

Noch eine Ausrüstungsfrage: Auf den Ultradistanzen werden die Schuhe eine ganz wesentliche Rolle spielen. Was macht für dich einen guten Trailrunningschuh aus?
Die Passform ist das Wichtigste, weil unsere Füße auch durchs Sitzen und die ständige falsche Körperhaltung sehr unterschiedlich sind. Da braucht man einen wirklich passgenauen Schuh. Deswegen bin ich auch bei BOA, weil das System mit Drehverschluss wirklich die Passform millimetergenau auf den Fuß abstimmt. Viele glauben, dass es einfach „nur“ ein Verschlusssystem ist – aber es geht um die gesamte den Fuß umschließende Konstruktion, so dass der Druck über den Fuß viel besser verteilt ist, als wenn man einfach Schnürsenkel verwendet. Das macht es für mich aus.

Bei einem langen Ultralauf wie dem UTMB kannst du alle Witterungsbedingungen haben – von 30 Grad und Sonne bis zu 0 Grad und Schnee. Auch aufgrund der Länge schwellen die Füße an und da kann ich es mir schwer vorstellen, nach 100, 120 Kilometern und Null Grad mit klammen Fingern meinen Schuh mit Schnürsenkel anzupassen. Früher hatte ich auch Rennen, wo ich einen Stein im Schuh hatte und mir den Fuß damit wundgelaufen bin, weil ich ihn nicht ausziehen wollte – auch das geht mit dem BOA Fit System natürlich viel besser.

Kannst du abschließend einen Tipp für einen Hobbysportler mitgeben, die sich vom Ultratrailrunning angezogen fühlen?
Das Wichtigste ist, dem Körper genügend Zeit zu geben, sich an die Belastungen anzupassen. Ich habe im letzten Jahrzehnt schon viele kommen und gehen gesehen. Das Herz-Kreislauf-System adaptiert sich rasch: 50, 80 auch 100 km kann man in ein, zwei Jahren rein vom Herz-Kreislauf-System schon laufen. Die Bänder, Sehnen und Gelenke aber brauchen deutlich länger. Sie melden sich leider auch erst ganz am Schluss und wenn sie sich melden, ist es oft schon zu spät. Also: gebt eurem Körper die Zeit und tastet euch langsam an längere Distanzen heran. Und ansonsten: Genießt die Trails!

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