E-MTBs gibt es nicht nur in vielen Farben, Formen und Preisklassen, auch in Konzept und Einsatzbereich unterscheiden sich die Räder enorm. Worauf man als Einsteiger achten sollte.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Du bist auf der Suche nach deinem ersten E-MTB, weißt aber nicht, wo du damit beginnen sollst? Das Angebot am Markt ist groß, die Verwirrung bei Kunden oft ebenso. Mario Meßmer vom Hersteller Centurion, Marco Wolff-Staudacher von HoheAcht und Christian Gaal von Conway standen uns Rede und Antwort, um hier etwas Licht ins Dunkel der Produktvielfalt zu bringen.

Grundsätzliches
Die ersten Fragen, die man sich vor einem Kauf stellen sollte, so Mario Meßmer, sind: In welcher Umgebung möchte ich fahren? Und welche Belastungen ergeben sich durch diese und meinen Fahrstil? Die Entscheidung, ob Fully oder Hardtail definiert für Marco Wolff-Staudacher den Einsatzbereich am stärksten. Auch der Antrieb, sprich Full-Power oder Light/Minimal-Assist ist ein für ihn wichtiger Faktor. Mit Nachdruck weist Wolff-Staudacher auch darauf hin, dass im artgerechten MTB-Einsatz Nabenmotoren wenig verloren haben. Hier führt kein Weg am Mittelmotorkonzept vorbei.

Dazu gilt es beim Kauf auf Fahrwerke namhafter Hersteller sowie auf 4-Kolben-Bremsen zu achten. „Auf den ersten Blick funktionale, aber einfache Parts entpuppen sich mitunter nach kurzer Dauer als Ärgernis, da sie schnell verschleißen können und teuer ersetzt werden müssen. Unterdimensionierte und billige Federgabeln bieten oft nicht die gewünschte Performance, die geringe Steifigkeit sowie hohe innere Reibung machen sie unkomfortabel“, ergänzt Meßmer.

Ein weiterer Punkt, den Christian Gaal oft sieht und offen hinterfragt, ist die Auslegung des Bikes als reines Sportgerät oder SUV: „Wir sehen oft unsägliche Bastellösungen mit Vorbauverlän gerungen, irgendwie befestigten Schutzblechen und Halterungen – warum dann nicht gleich ein SUV kaufen, das genau diese Punkte ab Werk bietet?“ Für ihn ebenfalls ein wichtiger Punkt: Sind Akkus leicht entnehmbar? Viele können nicht im Keller laden – das Rad jedes Mal hoch- und runterschleppen, um es aufzuladen, ist durchaus mühsam. Daher sollte der Akku leicht entnehmbar, bei Anwendungen in der Stadt auch abschließbar sein. Zusätzlich, so betont man bei Centurion, müssen E-Bikes StVO-konform (Klingel, Beleuchtung) an die Kunden übergeben werden.

Hardtail vs. Fully
„Braucht“ es ein Hardtail oder ein Fully? „Grundsätzlich hat ein Fully, erst recht als E-Bike, den größeren Einsatzbereich, aber auch meist das höhere Gewicht und auch einen höheren Preis“, fasst Wolff-Staudacher kurz und knapp zusammen. Wer es gern entspannter mag und nicht unbedingt auf verblockten Single-Trails unterwegs sein möchte, kann auch zum Hardtail greifen. Viele MTB-Fahrer wünschen sich auch ein direkteres Feedback, wie es nur ein Hardtail bietet. Ein angenehmer Nebeneffekt ist auch, dass sich Hardtails meist einfacher und vielseitiger mit Zubehör bestücken lassen, da das Hauptrahmendreieck frei ist, so der HoheAcht Entwickler.

„Wenn jemand sicher weiß, er möchte nur auf Radwegen pendeln, ist das Hardtail vom Serviceaufwand über das niedrigere Gewicht bis hin zum einfacheren Setup des Fahrwerks sicher die bessere Wahl. Ist man sich jedoch unsicher, empfehle ich meistens ein Fully – aus Erfahrung trifft man diese Leute später wieder im Wald“, rät Christian Gaal. Zudem sei der Mehrpreis des Fullys gegenüber dem Hardtail mit einigen Abstrichen in der Ausstattung oft auch gar nicht so groß, wie man annehmen mag. Entscheidet man sich aus Komfort-Gründen oder aufgrund des geplanten Einsatzes in anspruchsvollem Gelände und auf Trails pro Fully, führt für Mario Meßmer aber auch an einer fachmännischen Anpassung der Fahrwerkskomponenten kein Weg vorbei. Und auch die regelmäßigen Serviceintervalle sollte man ernst nehmen.

Full-Power oder Minimal Assist; SUV oder reines Sport­gerät? Einsteiger stehen vor einer großen Auswahl.

Full Power vs. Minimal Assist
Die Entscheidung zwischen Full Power Konzepten (Bosch Performance CX, Shimano EP8 etc.) und Light-E-Bike respektive Minimal Assist (Bosch Performance SX, TQ HPR50 etc.) ist vielschichtig, aber grundsätzlich einfach, ist man beide Konzepte einmal Probe gefahren. Dann weiß man schnell, ob man nach viel Power, Reichweite (große Akkus) und Schub oder nach leichtfüßiger, maximal natürlicher Unterstützung sucht. Trotzdem unschlüssig? „Die Hauptvorteile des Light-E-Bikes sind das leichte Handling durch das teils erheblich geringere Gewicht und ein daher natürlicheres Fahrgefühl. Range- Extender (Zusatz-Akkus) erlauben bei vielen Rädern im Bedarfsfall auch längere Touren. Full-Power-E-Bikes bieten in allen Fahrsituationen ausreichend Unterstützung und man muss sich kaum Sorgen um die Reichweite machen. Häufig sind zudem robustere/stabilere Komponenten verbaut, die sowohl mehr Performance als auch mehr Langlebigkeit mit sich bringen“, wägt Mario Meßmer die beiden Konzepte gegeneinander ab.

SUV vs. „Sportgerät“
„Wer sein E-MTB auch zum Pendeln nutzen möchte und es weniger hart im Gelände angehen lässt“, dem legt Marco Wolff-Staudacher nahe, über ein SUV-Modell nachzudenken. Die dort ab Werk verbauten Schutzbleche und Gepäckträger (sowie integrierte Beleuchtung, Anm.) erachtet er gegenüber Nachrüstlösungen als überlegen und auch mit Vollausstattung bliebe ein gemäßigter Trail-Einsatz möglich. SUVs haben meist auch eine komfortablere Geometrie und kommen dem Genussradler oder Langstrecken-Tourer eher entgegen.

Argumente pro „Sportgerät“ liefert Mario Meßmer: „Für alle, die ihr Rad vor allem zur Freizeit und für Sport nutzen, sind ‚nackte‘ Räder aufgrund des geringeren Gewichts und des geringeren Preises sinnvoller. Häufig bieten an solchen Modellen Komponenten wie Federgabel und Federbein mehr Performance.“

Individuelle Anpassung
Egal, wofür man sich entscheidet – viele E-Bike Einsteiger kommen, wie es Christian Gaal treffend beschreibt, aus einer langen „Abstinenz“ vom Radfahren zum E-MTB. Das Wichtigste hier ist, sich das Bike an sich anpassen zu lassen, da man „auf einen Schlag nicht mehr 10 km, sondern 30, 40, 50 km lange Touren fahren wird“. Man muss sich, so seine Zusammenfassung, auf dem Rad einfach wohlfühlen, die Geometrie muss passen, Fahrposition, Kontaktpunkte wie Sattel und Griffe etc. sollen ebenfalls stimmen. Damit ist schon mal ein großer Schritt hin zum perfekten (Wieder-)Einstieg in den (E-)MTB-Sport gemacht.