Teresa Stadlober, ­Bronzemedaillen-Gewinnerin bei den Olympischen ­Spielen in Peking 2022, über das Schöne am Langlaufen, die 50 km-Distanz für Frauen – und ­Brückenschläge zwischen Spitzen- und Freizeitsport. 

Christof Domenig
Christof Domenig

Als Tochter einer Weltklasse-Slalomläuferin und eines Langlauf-­Weltmeisters: Wie hast du deine sportliche Sozialisation in der Kindheit zwischen den beiden Polen Alpinski und Langlaufski in Erinnerung? 
Ich habe ja einen etwas älteren Bruder, Luis, und die Erinnerung ist zunächst, dass wir immer zu zweit unterwegs waren und dass wir immer draußen waren. Und dass die Eltern uns alles ausprobieren haben lassen. Sie haben uns gleich einmal auf die Ski gestellt, aber uns auch viele andere Sportarten probieren lassen – sei es Judo, Schwimmen, Eislaufen ... Ansonsten: Die Mama hat ihre sportliche Karriere ja schon beendet, bevor wir Kinder geboren wurden, der Papa ist, als ich noch klein war, noch gelaufen.

Hat die WM-Goldene vom Papa 1999 in der Ramsau dabei mitgespielt, dass du letztlich beim Langlaufen gelandet bist?
Eigentlich gar nicht. Da war ich noch zu klein, sechs Jahre. Wir waren natürlich damals vor Ort, und mein Bruder hat das schon voll aufgesaugt und abgefeiert. Ich hab lieber im Schnee gespielt (lacht). 

Was hat also dann den Ausschlag fürs Langlaufen gegeben?
Es hat mir generell mehr Spaß gemacht, weil wir ein Super-Skiklubtraining gehabt haben. Das war so eine coole Truppe. Es war das Soziale, viele Freunde und Freundinnen waren dort dabei. Und das Gute beim Langlaufen ist: Du musst in jungen Jahren noch nicht so professionell trainieren. Das geht ganz spielerisch. Wir sind schon auch zum Alpintraining gegangen, aber da musst du mit zehn Jahren dann schon Stangenfahren, damit wollte ich meine Kindheit nicht verbringen. Auch neben dem Gymnasium hab ich das Langlauftraining eher als Hobby gesehen. Erst in der Oberstufe ist die Entscheidung gekommen: Nach der Matura probiere ich es professionell.

Die Botschaft daraus: Kindern lieber Freude an der Bewegung vermitteln statt mit ihnen trainieren?
Auf alle Fälle. Das Wichtigste, und das nicht nur im Jugendbereich, ist, dass du Spaß hast an dem, was du machst. Dann machst du es gut und machst es gern. Gerade in der Schulzeit hast du ohnehin schon viel Stress: Schule, Pubertät, Training, Freunde, die vielleicht nicht im Sport sind. Da ist das Wichtigste, dass nicht zu viel Druck schon in jungen Jahren aufgebaut wird. Das Schöne am Langlaufen ist auch: Sobald man sich bewegt, hat man schon ein bisschen trainiert.

Gutes Stichwort – „das Schöne am Langlaufen“. Beschreib mal, was aus deiner Sicht den Reiz ausmacht?
Einmal, dass der ganze Körper trainiert wird. Wenn ein wirklich schöner Wintertag ist, eine perfekt gespurte Loipe, man gleitet dahin und trainiert nebenbei den ganzen Körper, den Oberkörper, die Beine. Es ist ein Ausdauersport, aber auch die Kraftkomponente ist sehr wichtig. Und es ist eine technische Sportart. Es spielt einfach sehr viel zusammen und das macht es interessant. Schön ist aber auch, dass das Langlaufen im Vergleich mit anderen Sportarten leistbar ist. 

Im Spitzensport kommt spezifisch das Materialthema hinzu. Beschäftigt ihr Athletinnen und Athleten euch auch selbst damit oder ist das ganz an Spezialisten ausgelagert?
Das Skiservice ist eine Wissenschaft. Ohne Superski hat man im Weltcup, bei WM oder Olympia keine Chance. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir ein Top-Serviceteam haben und den besten Klassisch-­Servicetechniker im Langlaufzirkus mit dem Esten Are Mets. Eine Koryphäe. Selbst präparieren wir Athleten allenfalls daheim einen Trainings­ski. Rennski geben wir in die Hände unserer Servicemänner und -frauen – wir haben auch eine Frau dabei, die auch meine Ski testet. Es geht ja dabei auch ums Gewicht. Da sind wir also sehr gut aufgehoben.

Umgelegt auf die Freizeitlangläufer sollte das Wachs-Thema aber ­niemanden abschrecken, oder?
Gar nicht. Für Training oder die Freizeit braucht man ja keinen Weltcupski. Klassisch – da ist das Steigwachs ja ein bisschen zeitaufwendiger – gibt es die Variante mit dem Fellski, die jede Skifirma schon bietet. Die nutze ich selber im Training, gerade wenn ich nur auslaufen gehe. Oder wenn die Wetterverhältnisse schwieriger sind zum Wachseln, ich aber klassisch gehen möchte, gehe ich auch gern mit dem Fellski. Im Skating ist es sowieso einfach, den Ski kann man auch öfters laufen, bevor man wieder neu einwachselt und abzieht.

Skating oder klassisch – was ist für dich die  attraktivere Bewegung?
Die klassische Technik. Ich würde mich selber als Klassik-Spezialistin bezeichnen. Da bin ich wirklich im Flow und ich finde es die schönere Bewegung, weil es auch dem Gehen oder Laufen ähnlicher ist. Skating ist eine ganz andere Bewegung – wobei ich beides gern laufe. 

Würdest du Freizeitläufern auch eher zum klassischen Stil raten?
Es ist Geschmackssache. Wenn jemand noch gar nie auf den Skiern war, würde ich klassisch anfangen. Viele kennen ja die Alpinski. Die Langlaufski sind schon ganz anders, viel leichter, viel schmäler, keine Kanten. Das ist nicht ohne, wenn man da zum ersten Mal draufsteht und das alpine Material, auch die Skischuhe gewohnt ist. Da würde ich klassisch bevorzugen, um das Gefühl zu bekommen. Ambitionierten kann man natürlich auch zum Skating raten. Man braucht aber noch mehr Kraft, wenn man es noch nie gemacht hat, und es ist etwas schwieriger zu lernen.

Stichwort Kraft – hat sich das Langlaufen seit den Zeiten deines Papas eigentlich stark geändert?
Wie jede Sportart hat sich das Langlaufen weiterentwickelt. Gerade auch in der Kraftkomponente. Beim Papa damals wurde oft noch diagonal ins Ziel gelaufen. Jetzt wird sehr viel Doppelstock geschoben, auch leichte Anstiege. Beim Skating ist es die 1:1er-Technik, wo man früher schon umgewechselt hat in 2:1-asymmetrisch, den Bergschritt – jetzt wird viel mehr 1:1er gelaufen und das ist auch auf die Damen übergegangen. Da brauchst du auch die Kraft, dass du das durchdrückst, um auch die leichten Anstiege in der kraftvolleren Technik durchzulaufen.

Techniktraining ist ganz wichtig. Auch in der Weltspitze dreht es sich um die Frage: Wie kann ich ökonomisch laufen?

Wenn sich ein Hobbylangläufer verbessern will: am Material tüfteln, in die Kraftkammer gehen oder zum Techniktraining?
Athletik ist wichtig. Wenn man ein gutes Körpergefühl hat, ein bisschen Stabitraining macht, bringt das viel. Nicht reines Krafttraining, sondern Stabilisation. Und natürlich ist Techniktraining ganz wichtig. Auch in der Weltspitze dreht es sich um die Frage: Wie kann ich ökonomisch laufen? Ich würde unbedingt raten, zuerst einen Langlaufkurs zu machen, ein paar Stunden zu nehmen, um ein paar Tipps zu bekommen. Dann geht es schon viel leichter. Material spielt dann eine Rolle, wenn ich ein Rennen laufen will. Aber wenn man einen superguten Ski, aber keine Fitness hat, macht es auch nicht so viel Spaß.

Bei euch Frauen hat es die letzten beiden Saisonen erstmals die 50 km am Holmenkollen gegeben. Einmal im Skating und einmal klassisch, du bist beide Male Vierte geworden. Eine besondere Distanz für dich?
Auf alle Fälle! Der 50er bei den Herren war früher immer schon das Highlight am Schluss jedes Großereignisses. Die letzten beiden Saisonen wurden die Distanzen zwischen Männern und Damen angeglichen und da hat sich ergeben, dass wir jetzt auch einen 50er laufen dürfen. Bis dahin sind wir nur einen 30er gelaufen. Am Anfang war ich und waren auch viele andere ein bisschen skeptisch, aus Respekt vor der Distanz. Jetzt muss ich sagen: Es ist sehr cool! Mir liegt der 50er, ich bin zweimal knapp am Podium vorbeigeschrammt. Und ich glaube, der Langlauf braucht auch diese Rennen, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. 10 km, 20 km sind daily business. Der 50er zieht Aufmerksamkeit, wie etwa auch die Tour de Ski. Bei der WM in Trondheim werden wir erstmalig die 50 Kilometer laufen. Therese Johaug kommt deswegen zurück, weil das einfach etwas ist, dieses Rennen als erste Dame zu gewinnen.

Ist der 50er bei der WM folglich auch dein großes Ziel 2024/25?
Einerseits der 50er, andereseits der Skiathlon. Mit dem Skiathlon startet die WM, da habe ich auch immer sehr konstante Ergebnisse erzielt – und den dritten Platz in Peking. Also: Der Hauptfokus liegt auf dem Skiathlon und den 50 km Skating. Das große Ziel ist, eine Medaille zu erreichen. Und generell: wieder eine konstante Saison zu laufen.

Soll sich der Freizeitlangläufer auch ein Motivationsziel setzen?
Einmal bei einem Rennen mitzulaufen, ist sicher sehr cool. Gemeinsam mit Hunderten oder Tausenden je nach Event auf der Loipe eine Strecke zu laufen. Und gerade bei den Volkslangläufen sind der Ausflug, das Soziale, die Erfahrung, mitten drin zu sein, das Lustige. 
Ob Nordic Volumes in Galtür, Dachsteinlauf in der Ramsau, Dolomitenlauf in Obertilliach oder Steira­lauf in Bad Mitterndorf, es gibt sehr viele schöne Veranstaltungen, wo sich die Veranstalter wirklich ins Zeug hauen und ein cooles Fest bieten. Bei den Nordic Volumes in Galtür können sich Hobbyläufer mit uns Profis messen. Es zahlt sich aus, das einmal zu erleben. 

Teresa Stadlober
Teresa Stadlober

Geb. am 1. Februar 1993, wohnt in Radstadt (Salzburg). Seit der Saison 2013/14 im Langlauf-Weltcup. Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Peking 2022 im 15 km Skiathlon, Olympiastarts 2014, 2018 und 2022. Im Weltcup drei Podiumsplatzierungen und zahlreiche Top 10-Plätze. Ihre Mutter Roswitha Stadlober (geb. Steiner) ist seit Oktober 2021 ÖSV-Präsidentin und war im Slalom Weltklasse – 2 x Slalomweltcupsiegerin und WM-Silbermedaillengewinnerin 1987. ­Vater Alois Stadlober wurde 1999 in Ramsau am Dachstein Langlauf-Weltmeister in der Staffel und gewann dort auch Silber über 10 km klassisch. Bruder Luis Stadlober war auch Langlaufprofi.

WEB: www.teresa-stadlober.at