Eine gut angelegte Aufstiegsspur ist für Skitourengeher wie eine Visitenkarte. Worauf es ankommt, wenn man die erste Spur im Gelände zieht.
Wer nur auf Modeskitouren unterwegs ist, hat vielleicht noch nie selbst eine Aufstiegsspur angelegt. Dabei ist „eine schön angelegte Spur die Visitenkarte eines Skitourengehers, deine Unterschrift im Schnee“, wie es Martin Edlinger, Bergführer und Leiter des Skitourenreferats der Naturfreunde, ausdrückt. Was ist aber nun eine „schöne“ Spur? Und wieso ist es wichtig, sich bei der Spuranlage ein paar Gedanken zu machen? Einerseits geht es dabei darum, kräfteschonend unterwegs zu sein. Und andererseits gilt es, Gefahrenbereiche möglichst zu umgehen. „Aus meiner Sicht sollte eine Spur möglichst gleichmäßig, in nicht zu steiler Neigung angelegt werden, dem Gelände angepasst und zugleich risikobewusst“, sagt Edlinger.
In der Spur
Das „Glück der ersten Spur“ gibt es nicht nur bergab, sondern auch bergwärts. Auf beliebten Touren ist es fast eine Seltenheit. Gehen in einer Spur, die jemand anderer schon gelegt hat, ist vorderhand zumindest ökonomischer als eine neue Spur anzulegen. Es heißt aber auch: „Kopf einschalten“. „Eine vorhandene Spur suggeriert einen gewissen Sicherheitspolster und verleitet zum Gedanken: Da ist schon jemand gegangen, da ist es also sicher. Das ist jedoch definitiv ein falscher Schluss, zu dem man sich nicht verleiten lassen sollte“, warnt Martin Edlinger.
Erste Spuren, denen dann die Masse gern folgt, werden oft auch von konditionsstarken Sportlern angelegt. Erkennbar an einer geraden, steilen Linie. „Die Masse der Normalskitourengeher folgt der Spur und hinterfragt nicht, dass sie damit stärker ermüden und letztlich länger brauchen, als wenn sie eine flachere, gleichmäßigere Spur selbst anlegen.“ Hinterfragen sollte man auch, ob eine vorhandene Spur denn wirklich zum anvisierten Ziel führt. Mancher Zielgipfel ist durch bloßes „Nachlatschen“ schon verfehlt worden, weiß der Bergführer.
Was eine gute Spuranlage ausmacht
Das Thema Spuranlage beginnt schon zu Hause während der Tourenplanung. Auf Karten ließe sich schon viel erkennen. Zum Beispiel, ob ein steiler Hang über einen seitlich flacher verlaufenden Rücken umgangen werden kann. Sich mit der Topografie mittels Karte im Voraus vertraut zu machen, ist also der erste Schritt zu einer guten, „schönen“ Spurwahl. „Vorausschauende Geländebeurteilung“ bezieht natürlich die Verhältnisse vor Ort mit ein. Wieder ein Beispiel: „Links im Hang ist deutlich frischer Triebschnee ersichtlich. Folglich werde ich die Spur besser rechts im Hang ziehen, wo es eher abgeblasen ist.“
Unterwegs sollte ein Wechsel zwischen steil und flach so gut wie möglich durch die Wahl der Spur ausgeglichen werden. Gleichmäßig steiles Ansteigen bedeutet ökonomisch voranzukommen. Eine gute Spurwahl nutzt dazu Geländeformen geschickt aus: „Eine gerade Linie von Punkt A nach Punkt B muss nicht immer der beste Weg sein, etwa wenn ein leichter Rücken dazwischen liegt. Es gilt, den Zielpunkt B zwar im Auge zu behalten, aber die Geländeform des Rückens auszunützen. Der Weg wird zwar etwas länger, aber die Neigung bleibt konstant und eine schöne, gleichmäßige, kräfteschonende Spur entsteht.“
Dass ein etwas längerer, dafür flacherer Weg oft kraftsparender ist, gilt erst recht im steilen „Spitzkehrengelände“, das ziemlich genau ab 30 Grad Hangneigung beginnt. Spitzkehren haben generell den Nachteil, dass sie kräftezehrender sind – „so lange es geht, sollten Richtungsänderungen in flacheren Bereichen vorgenommen und in Bogenform bewältigt werden“, sagt Edlinger. Kommt man um eine Spitzkehre nicht herum, dann gilt: „So wenige Spitzkehren wie möglich, so viele wie nötig.“
So oft wie möglich selbst spuren – statt Spuren nur folgen.
Gefahrenstellen berücksichtigen
Nicht vergessen darf man bei all dem, dass ab 30 Grad Hangneigung jenes Gelände beginnt, in dem Schneebrettlawinen möglich sind und in dem 95 Prozent aller Lawinenunfälle passieren. „Neben dem Gelände sind die Lawinenverhältnisse der entscheidende Schlüssel der Spuranlage. Die Spur muss sehr bewusst in Abstimmung und Beurteilung der vorherrschenden Lawinensituation gelegt werden.“
Grundsätzliches Ziel der Spuranlange ist es hier, Gefahrenstellen zu erkennen und bestmöglich zu umgehen oder zu meiden. Was sind solche Stellen? „Auf der einen Seite hilft der Lawinenlagebericht auf die aktuellen Gefahrenstellen aufmerksam zu machen: zum Beispiel eine gewisse Hangexposition oder Höhenlage, kammnahe Geländebereiche oder mit Triebschnee gefüllte Rinnen und Mulden. Auf der anderen Seite sollte man lokale Gefahrenstellen bei einer vorausschauenden Planung der Spuranlage vor Ort finden, um ihnen ausweichen zu können.“ Bereiche wie etwa Gräben im Auslaufbereich eines Hanges. Oder viele andere: Alle Gefahrenquellen hier aufzuzählen, würde zu weit führen und ist vielmehr Teil einer fundierten, lawinenkundlichen Ausbildung. Nur so viel: Mit einer guten Spuranlage könne man nicht immer, aber sehr oft solche Gefahrenbereiche gut umgehen.
So oft wie möglich spuren
Wissen ist das eine, die Praxis das andere. „So oft wie möglich selbst spuren – und nicht blindlings einer anderen Spur nachgehen“, rät Martin Edlinger allen Skitourengehern, die an ihrer „Visitenkarte im Schnee“ arbeiten wollen. Heißt: Auch wenn man mit erfahrenen Tourengehern unterwegs ist, nicht immer nur nachgehen, sondern selbst die Verantwortung in die Hand nehmen. „Dabei verbessert man das Gespür, das Gelände zu lesen, dem Gelände angepasst zu spuren. Und man erhält auch viel besser Informationen; typische Alarmzeichen beim Spuren sind Risse in der Schneedecke oder Wumm-Geräusche. Auch daran soll sich die Spuranlage ausrichten.“