Bei der Eurobike in Friedrichshafen traf sich die globale Fahrradszene und diskutierte Neuheiten, Probleme und Potenziale. Auf den österreichischen Markt heruntergebrochen werden die großen Themen im September beim MTB-Kongress in Saalbach. „Lernen“ ist heuer das Motto.
Die Erfolgsstory: Seit 1991 gibt es die Eurobike. Die junge Mountainbikeszene fand damals genauso Platz wie Rennräder, Trekkingbikes, allerlei schräge Vögel und bunte Produktnews. Seitdem hat sich die Fachmesse zum wichtigsten Treffpunkt der globalen Fahrradindustrie entwickelt und dreht sich neben dem Boom um E-Bikes und Co. längst auch um Trendthemen wie Digitalisierung, Smart Cycling und E-Mobilität. Speziell Cargobikes und E-Mobility waren als Schwerpunkt heuer im Juli nicht zu übersehen. Nicht zu übersehen war aber auch, dass die Messe diesmal weniger überlaufen war als sonst.
Unsere Beobachtungen
Mit dem neuen Termin Anfang Juli hatten die meisten keine Freude. Es kamen zwar 1400 Aussteller aus 50 Nationen, dennoch fehlten weitere Topmarken der Branche. Die Szene-Riesen wie Canyon, Specialized, Cube und Trek glänzen schon länger durch Abwesenheit und setzen auf eigene Konzepte und Hausmessen, heuer blieben auch Giant, Rocky Mountain und Stevens sowie in der Szene beliebte Hersteller wie Yeti, Liteville, Nicolai und Van Nicholas der Messe fern. Die Gründe: Der Hochsommer, mitten in der Radsaison, sei für viele nicht der ideale Zeitpunkt, schon die neuen Produkte des nächsten Jahres zu präsentieren, hörte man. Liteville begründete zudem offen:
Eine Eurobike ohne den offenen Publikums- und Besuchertag sei der Anlass, keine (teuren) Stände zu beziehen und der Messe fernzubleiben. Fachbesucher, Händler und Medien machten zwar 37.000 Besucher aus 96 Nationen aus, das waren aber rund 5000 weniger als 2017. Am Rennradsektor war wegen der parallel stattfindenden ersten Woche der Tour de France etwas weniger los. Offenbar ist die Kritik zu den Veranstaltern durchgedrungen: 2019 kommt der Publikumstag wieder zurück, die Messe rückt wieder an den Septemberbeginn.
Das ganz große Thema: E-Mobilität
Am Neuheitensektor dominierten klarerweise die Elektroräder und damit verbundene Lösungen. Erstmals war eine der zwölf Riesenhallen nur für E-Mobilität reserviert. Haibike zeigte sein neues Super-E-Fully, Antriebshersteller Brose präsentierte einen neuen, 500 Gramm leichteren Motor, neue Bedieneinheiten für Trekking und MTB, bei Bosch sah man das neue ABS, das ein Blockieren des Vorderrades verhindert soll, neue Software-Updates und ein Schnellladegerät. Bei den herkömmlichen Bikes gab es wenig Aufreger, im Fokus standen die Award-Gewinner von Ceramic Speed mit dem spektakulären Antrieb ohne Kette (siehe Bild), die neue 12-fach-XTR von Shimano, ein 13-Gang-Konzept von Rotor und neue Renn- und MTB-Modelle.
Fast wichtiger als neue Modelle in den Hallen sind neue Antworten auf die Fragen in der Vortragsreihe „Travel Talk“ in den Seminarräumen. E-Bikes und der Tourismus waren Thema aller Vortragenden und Stoff vieler Diskussionen. Burkhard Stork mahnte, die „Interessen des Massenmarktes nicht zu vergessen“. Der Bundesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) erinnerte an 5,2 Millionen Radreisen allein in Deutschland im Jahr 2016 und an 167 Millionen Tagesreisen per Rad.
Viele MTB-Angebote und Radtouren wie das Stilfser Joch seien ihm da zu speziell. „Viele Radfahrer wollen gut essen, Wein und schöne Kirchen am Radweg.“ Anna Weiß von Bloomers Outdoor erinnerte an die Zielgruppe Frauen, die in Werbung und PR noch immer übersehen oder nicht adäquat repräsentiert wird. „From Wellness to Sportiness: Frauen hocken nicht nur in der Sauna, am Pool oder sind ein Aufputz. Wie sonst boomen Dinge wie die Muddy Angels?“, sagt sie. „Es gibt eine 230-prozentige Steigerung bei reinen Frauen-Trips, aber bei uns immer noch zu wenig Angebote für Mädels, die Frau ab 50 oder die alleinerziehende Mutter.“ Wertvollen Input gab es auch von Experten wie Darco Cazin (Allegra), Karl Morgenbesser (Wexl Trails) und Hari Maier (Mountainbike-Kongress, siehe rechts). Dazwischen: Zeit zum Netzwerken, Ideenentwickeln und Visionengebären.
Der österreichische Mountainbike-Tourismus-Kongress von Hari Maier macht den nächsten Schritt. Von 25. bis 27. September erwartet dich ein dichtes Programm in Saalbach mit insgesamt 23 Experten, 20 Vorträgen, drei Expertentalks und zwei Bikeausfahrten!
Für alle, die über den Tellerrand blicken wollen
Hari, dein „Projekt20“ hast du auch auf der Eurobike präsentiert. Was sind die Eckpunkte?
Aktuell hat das Mountainbiken in Österreich vier Prozent Anteil am Sommertourismus. Ziel muss sein, das auf 20 Prozent zu erhöhen. Dann reden wir nicht mehr von 417.000 Menschen als Zielgruppe, sondern von zwei Millionen. Dafür müssen wir das Denken in den Köpfen der Mehrheitsbevölkerung ändern. Der Bäcker wird verstehen, dass er fünfmal so viele Semmeln verkaufen könnte, Beherbergungsbetriebe könnten ganzjährig ausgelastet sein und Personal aus dem Ort fix anstellen, anstatt auf Saisonarbeiter zu setzen. Gesundheit muss dabei auch ein stärkeres Thema werden. Ich kenne in Österreich noch keinen Kurort, der ein Gesundheitsangebot mit E-Mountainbikes hat. Warum nicht? Und über die Sportschulen müssen wir die nächste Generation, die Kinder, ansprechen. Dort müssen Pumptracks stehen, es könnte E-MTB-Schulsportwochen geben.
Das Thema deines MTB-Kongresses im September in Saalbach ist „Lernen“. Was sollen und werden wir lernen?
Wir sollen lernen von den Erfahrungen, die wir in Österreich im Bereich Ski, Wandern und Mountainbike gemacht haben. Dass viel Bike-Potenzial im Land noch ungenutzt ist, liegt auch daran, dass die Profi-Touristiker in den Skigebieten sitzen. Aber ich sehe immer das Positive und auch beim E-Bike die Riesenchancen, dass viel mehr Leute biken werden. Viele sehen leider nur das negative Image der „Wüdn im Woid“ und der aggressiven Downhiller.
Welche Workshops wird es geben?
Wir gehen diesmal viel in Richtung Fahrtechnik, haben jeden Tag einen Expertentalk, weil das im Vorjahr so gut angekommen ist, und haben auch Bosch-Geschäftsführer Claus Fleischer da. Er wird über die Gefahren des illegalen Motortunings sprechen. Wir diskutieren über Bikeparks und haben erstmals auch Vertreter der Landwirtschaftskammer und der Bundesforste da. Neu ist auch, dass ich nicht mehr moderiere, sondern Mountainbikerin Steffi Marth.
Wer darf sich als Zielgruppe des Kongresses verstehen?
Alle, die in irgendeiner Form mit dem Mountainbiken ein Geschäft machen möchten, und alle, die über den Tellerrand blicken wollen.
www.mountainbike-kongress.at vom 25. bis 27. September in Saalbach, 23 Experten, 20 Vorträge, drei Expertentalks, zwei Bikeausfahrten.
Alle Infos zur Eurobike und zum Mountainbike-Kongress gibt's hier.