Sam, was bringt einen dazu, mit Vollspeed auf einem Rad einen Berg hinabzurasen?
Es ist wohl der Nervenkitzel, der einen dazu anstachelt. Du bist aufgeregt und spürst das Adrenalin, das dir durch den Körper schießt. Gleichzeitig macht es trotz der Anspannung unglaublich viel Spaß. Und wenn du unten ankommst, bist du einfach nur aufgekratzt und glücklich.
Kannst du das Adrenalin in deinem Körper spüren? An einer besseren Reaktionsfähigkeit?
Manchmal schon. Da habe ich das Gefühl, besonders präzise reagieren zu können. Es ist, als wäre der Kopf noch ein wenig klarer und würde meine Aktionen wie ein Autopilot steuern. Ich denke, man muss sich selbst einen ordentlichen Schrecken einjagen, um in einen solchen Zustand zu kommen.
Wenn man sich nicht gerade selbst erschreckt, gilt Downhill grundsätzlich als Funsportart. Überwiegt bei dir noch der Spaß? Oder ist das längst zum ernsthaften Beruf geworden?
Zuletzt hatte es sich eher wie ein Job angefühlt. Nun habe ich ins Team von Chain Reaction Cycles gewechselt und wieder viel mehr Freude am Sport. Das liegt aber nicht nur am neuen Umfeld, sondern auch daran, dass ich in den vergangenen Jahren einige Verletzungen wegzustecken hatte.
2010 und 2011 bist du schwer gestürzt, hast dir zwei langwierige Verletzungen an der Schulter zugezogen. Sind Verletzungen einkalkuliert oder werfen sie einen doch mental aus der Bahn?
Downhill ist ein riskanter Sport - und Stürze gehören dazu. Um zu gewinnen, muss man Vollgas geben, also darf man sich nicht beklagen, wenn Verletzungen zu Zwangspausen führen. Ich versuche einfach, möglichst professionell damit umzugehen, aber natürlich sind das echte Leidenszeiten. Weil du unbedingt willst ... aber nicht kannst.
Verliert man nicht nach jeder Verletzung an Risikobereitschaft? Weil man Angst davor hat, es könnte bald wieder weh tun, wieder eine Auszeit drohen?
Nein, denn gewinnen wirst du nur mit vollem Einsatz. Und ich will gewinnen. Für mich und meine Familie. Ich will im Sattel sitzen und das Adrenalin spüren. Es zeichnet echte Champions aus, dass sie nach Verletzungen zurückkommen. Das Hochgefühl nach einer rasanten Fahrt oder die Freude über einen Sieg überwiegen am Ende ganz klar gegenüber den Schmerzen nach einem Crash.
Es sind Nuancen, die darüber entscheiden, ob ein Rennen mit dem Sieg oder einem Sturz endet. Wie näherst du dich deinem absoluten Limit an, ohne es dabei zu übertreiben?
Naja, manchmal zeigt dir eben nur ein Crash, wo dein Limit ist. Dann weißt du genau, wo Schluss ist. Du lernst daraus und aufgrund dieser Erfahrung kannst du immer besser einschätzen, was möglich ist und was aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr zu kontrollieren sein wird. Aber das ist am Ende auch wieder nur Theorie. In der Praxis ist dein persönliches Limit ein versteckter Ort, den du immer wieder von Neuem suchen musst, der aber nur schwer zu finden ist.
Um dorthin zu gelangen, benötigst du höchste Konzentration. Verfügst du über eine spezielle Technik, dich auf die Strecke zu fokussieren?
Adrenalin hilft mit Sicherheit. Ansonsten bist du ohnehin in einem Tunnel, die Strecke rast ja die ganze Zeit auf dich zu. Ich versuche immer, mir vorher eine Linie zurechtzulegen und mich dann voll und ganz auf diese Linie zu konzentrieren.