Vom Läufer zum Langläufer. Nach einer Laufsaison sind neue Reize gefragt – weiß man. Langlaufen boomt – weiß man auch. Was also liegt näher, als als Läufer (oder anderer Ausdauersportler) im Winter in die Langlaufloipe zu wechseln? Unsere Experten Christoph „Sumi" Sumann und Mag. Herwig Reupichler liefern die Anleitung.

Von Christof Domenig


Hochbetrieb in den Loipen, volle Starterfelder bei den Volkslangläufen – keine Frage: Langlaufen boomt. Einer, der ein Sportlerleben auf Langlauflatten verbracht hat, unser Kolumnist und Ex-Biathlet Christoph Sumann, kann es nur bestätigen: „Langlaufen liegt zu Recht im Trend, weil es ein wunderbarer Sport mit universeller Beanspruchung ist." Die Beobachtung kann auch der Grazer Sportwissenschafter, Trainer und Wintertriathlet Mag. Herwig Reupichler teilen: „Am Universitäts-Sportzentrum Graz sieht man neuerdings schon im Herbst viele Mädels auf Skirollern trainieren, weil ihnen die Bewegung taugt."

So viel nur dazu, falls jemand noch immer „Seniorensport" im Hinterkopf haben sollte. Paradox: Unter den Ausdauersportlern sind am ehesten noch die Läufer, die (falsche) Vorbehalte gegen das Langlaufen haben. Reupichler: „Viele Triathleten sind experimentierfreudig und folglich
längst beim Langlaufen angekommen. Biker teilen sich in Langläufer und Skibergsteiger. Bloß viele Läufer kennen nichts als laufen." Mit Folgen: Einseitige Belastungen, eingeschliffene Systeme – der Fortschritt bleibt aus, weil neue Reize fehlen. Das wollen wir ändern! Gerade für die Läufer gibt es sehr gute Gründe für einen nahtlosen Wechsel in die Loipe – und genau das wollen wir in unserer Geschichte zeigen.

SPRINGEN ODER GLEITEN?
Gehen wir die Sache einmal von der sportwissenschaftlichen Seite an und beginnen mit den Unterschieden zwischen den Sportarten: „Grundsätzlich ist beim Laufen eine kurze Bodenkontaktzeit gefragt, mit spritzigen, fast sprungartigen Bewegungen. Beim Langlaufen stehen Gleitbewegungen und die Kraftkomponente mehr im Vordergrund", analysiert Herwig Reupichler, der auch betont: Beide Bewegungsformen stehen einander nicht im Weg – ganz im Gegenteil: Dass am Ende einer Laufsaison neue Reize, genauso wie körperliche Reparaturmaßnahmen über den Winter gefragt wären, ist bestens bekannt – und beides bringt das Langlaufen mit sich!

WIE 100 KNIEBEUGEN
Ein großer Benefit beim Langlaufen ist das Oberkörpertraining. Die Wirkung auf die so wichtige Körpermitte ist groß – was auch der Muskelkater nach der ersten Langlaufstunde bestätigt. Bauch und Rücken, Lendenwirbelsäule, Schulterbereich, Gesäßmuskulatur profitieren. „Klassisches
Langlaufen mit Doppelstockschub wirkt aber auch wie bis zu 100 Minikniebeugen pro Minute – Spitze für die Beine", weiß Herwig Reupichler. Die Benefits beim Skaten sind etwas anders gelagert, aber nicht schlechter.

Was ist mit der verbreiteten Angst der Laufsportler, zu kräftig zu werden und Speed einzubüßen? „Die ist völlig unbegründet. Im Gegenteil: Wenn man sich klassische Freizeitläufer anschaut, etwa bei Marathons, dann sieht man, dass es 95 Prozent an zwei Dingen fehlt: Technik und Athletik. Diese Athletikkomponente holt man sich über den Winter mit Langlaufen ganz nebenbei." Noch ein überzeugendes Argument: „Die ungeliebten ‚Rumpfstabi'-Übungen kann man sich durch einmal wöchentliches Langlaufen sparen." Ein Wort noch zu den „Muckis", die Langlaufprofis mit sich herumtragen: „Die bekommen die nicht vom Langlaufen selbst, sondern vom ergänzenden Maximalkrafttraining, das benötigt wird, um Profi-Trainingsumfänge zu verkraften. Für Freizeitsportler ist das irrelevant."

Run an die Loipe: In wenigen Schritten vom Läufer zum Langläufer / Bild: Herwig Reupichler

DER EXPERTE


Mag. Herwig Reupichler ist Sportwissenschafter, erfolgreicher Triathlet und Wintertriathlet (regierender Vizestaatsmeister, Age-Group-Europameister und -Vizeweltmeister), trainiert Hobby- und Leistungssportler im (Winter-)- Triathlon, Laufen und Langlaufen.

Kontakt: herwig.reupichler@sportunion-steiermark.at


EIN WOCHENENDE ZUM LERNEN
Langlaufen ist koordinativ anspruchsvoll – auch das unterscheidet es gewissermaßen vom simplen Freizeitlaufsport. (Dass technisch sauberes Laufen auch niemand ohne Techniktraining beherrscht, steht auf einem anderen Blatt). Sagen wir es so: Einfach Langlaufski anschnallen und losrennen geht nicht, wenn man es nicht gelernt hat. Am besten mit einem Trainer. Aber auch das ist kein Hindernis: „Abhängig vom Bewegungstalent hat man die Grundtechnik in einem Wochenend-Kurs erlernt", verspricht Herwig Reupichler. Vorerfahrung mit Inline-Skates oder auch Alpinski helfen.

90 MINUTEN-PROGRAMM
Wer dann das Langlaufen in den Grundzügen beherrscht, dem rät Herwig Reupichler zu einem Trainingsprogramm wie diesem: „Fünf Minuten allgemeines Aufwärmen, dann fünf bis zehn Minuten auf den Skiern einlaufen. Es folgt ein 20-minütiger Technikblock – das heißt: Stöcke weg und nur mit den Beinen laufen! Der größte Einsteigerfehler ist es nämlich, den Oberkörper zu stark einzusetzen." Solche Technikblocks sind aber keineswegs bloß Anfängersache. „Wer immer nur in der Spur dahinläuft, bei dem schleichen sich unweigerlich Fehler ein. Auch Olympiasieger arbeiten daher ständig an ihrer Langlauftechnik."

Nach rund einer halben Stunde beginnt der Ausdauerteil. Einsteiger gestalten diesen (zwangsläufig) nach der Intervallmethode „Run-Pause-Run-Pause". Weil ja der Puls gnadenlos raufschnellt, wenn man technisch noch nicht sauber läuft. 90 Trainingsminuten all inklusive ergeben somit auf Langlaufskiern äußerst wirkungsvolle Einheiten mit Ausdauer-, Kraft-, und Technik-Mehrwert. Wer bereits technisch sehr gut läuft, kann auch dreistündige Grundlageneinheiten in der Loipe absolvieren, schont damit besonders die Gelenke – und schult optimal den Fettstoffwechsel.

ZWEI EINHEITEN MÖGLICH
Was schon angeklungen ist: Unbedingt zu empfehlen ist – zumindest weniger geübten Langläufern – die Kontrolle des Trainingspulses. Wer seine Trainingsbereiche vom Laufen kennt, kann sie fast 1:1 aufs Langlaufen übertragen bzw. aufgrund des Oberkörpereinsatzes 3 bis 5 Schläge pro Minuten dazuzählen. Zwei Tipps will der Sportwissenschafter, Trainer und begeisterte Langläufer Herwig Reupichler aus der eigenen Trainingspraxis allen Einsteigern mit auf den Weg geben. „Erstens: Es gibt auch abseits der großen nordischen Wintersportzentren viele kleine, fein präparierte Trainingsloipen, oft mit technischer Beschneiung. Macht euch einfach schlau. Und zweitens: Wenn der Anfahrtsweg zu einer Loipe doch ein langer ist, dann können Vieltrainierer dank der gelenkschonenden Komponente des Langlaufens sogar zwei Trainingeinheiten täglich einplanen. Eine vormittags, eine nachmittags – und dazwischen gibt es eine gesellige Mittagspause auf der Hütte."

FIT MIT SUMI – IN DER SKATINGLOIPE
Besser skaten: Christoph Sumann, mit sieben Olympia- und WM-Medaillen im Biathlon dekorierter SPORTaktiv-Experte, zeigte auf dem Dachsteingletscher seine Techniktipps vor.

Die drei Grundtechniken
2:1-Asymmetrisch / Bild: Thomas Polzer / SPORTaktiv2:1-Symmetrisch / Bild: Thomas Polzer / SPORTaktiv1:1-Technik / Bild: Thomas Polzer / SPORTaktiv
2:1-ASYMMETRISCH. „Alle drei Grundtechniken von Beginn an lernen und immer alle trainieren", empfiehlt Sumi. Die asymmetrische 2:1-Technik wird bergauf eingesetzt: Bei jedem zweiten Skatingschritt folgt ein asymmetrischer Stockeinsatz mit Führungsarm.
DARAUF ACHTEN: Typischer Fehler ist ein zu breiter Schritt. Ski nicht auf der Kante, sondern am Belag aufsetzen. Stöcke knapp vor der Bindung einsetzen.
2:1-SYMMETRISCH. Fürs flache Gelände und leichte Bergabstücke, um Fahrt aufzunehmen oder hohe Geschwindigkeit zu halten. Doppelter Stockeinsatz bei jedem 2. Schritt, ohne Führungsarm.
DARAUF ACHTEN: Die Armhaltung sollte parallel sein, Arme nicht zu stark abgewinkelt. Richtig nach hinten durchschwingen. Der Beinabstoß beginnt (anders als beim asymmetrischen 2:1er) erst knapp nach dem Stockeinsatz.
1:1-TECHNIK. Je ein Beinabstoß pro Doppelstockschub – die Sprinttechnik.
DARAUF ACHTEN: „Entscheidend sind Beinschluss und Gewichtsverlagerung. Der Körper sollte in der Bewegung nicht hin- und herfallen, was Hobbysportlern oft passiert", weiß Christoph Sumann. „Gleichgewicht und Feeling für den Ski sind bei allen Techniken, aber vor allem beim Eintakter wichtig." Für beides helfen die folgenden drei Technikübungen.

Drei Technikübungen
Laufen ohne Stöcke / Bild: Thomas Polzer / SPORTaktivStöcke hinter dem Rücken / Bild: Thomas Polzer / SPORTaktivAuf einem Ski gleiten / Bild: Thomas Polzer / SPORTaktiv
LAUFEN OHNE STÖCKE. So lernst du am schnellsten, sicher auf dem Ski zu stehen, das Gleichgewicht zu halten und die Gleitphase auszunutzen. Auch der (Einsteiger-)Fehler, zu sehr aus dem Oberkörper zu laufen, wird vermieden.
DARAUF ACHTEN: Ski immer plan aufsetzen, Gleitphase nicht „abstechen", sondern maximal ausnutzen. Hände in der Hüfte stabilisieren den Oberkörper.
STÖCKE HINTER DEM RÜCKEN. Eine Variante für alle, die mit einem hin und her pendelnden Oberkörper zu kämpfen haben: Wer die Stöcke hinterm Rücken hält (wie im Bild zu sehen), verbessert den stabilisierenden Effekt noch.
DARAUF ACHTEN: Ansonsten wird die Übung gleich wie das „Laufen ohne Stöcke" ausgeführt.
AUF EINEM SKI GLEITEN. Für leichte Bergabstücke: Auf einem Ski zu gleiten schult das Gleichgewicht und das Gefühl für die Langlaufski, um die Gleitphase besser ausnutzen zu können.
DARAUF ACHTEN: Stöcke vorm Körper halten (siehe Bild), mit einem Bein abstoßen und auf dem anderen so lange, wie man es schafft, dahingleiten.



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