Warum Faszientraining kein Allheilmittel, aber eine Faszienrolle dennoch ein feines Utensil für ­Sportliche ist, das man regel­mäßig nutzen soll: Mit unserem „SPORT­aktiv-Doc“ Robert Fritz widmen wir uns diesmal dem Bindegewebe.

Christof Domenig
Christof Domenig


So ändern sich die Zeiten: In den Anatomiekursen des Medizinstudiums wurde unserem (1977 geborenen) „SPORTaktiv-Doc“ Robert Fritz noch sinngemäß vermittelt: „Schneidet das Weiße rund um den Muskel weg, das braucht keiner“. Die Bedeutung des Fasziengewebes wurde tatsächlich erst nach der Jahrtausend-Wende nach und nach erkannt – bis heute sind manche Zusammenhänge nicht geklärt. „Wir wissen aber, dass Faszien sehr wichtige Aufgaben haben, dass die Fasziensysteme ineinanderfließen und von der Zehe bis zum Nacken eine Struktur bilden, die immer wieder die Muskel umgibt. Ein elastisches Gewebe, das mit der Spannung der Muskeln zu tun hat – und über die Faszien dürfte es auch passieren, dass der Muskel seine Aktivität richtig auslösen kann“, so die kurz gefasste Grundsatz-Erklärung des Sportmediziners.

Von der medizinischen Seite betrachtet dürften manche Probleme mit dem Bewegungsapparat mit Verklebungen der Faszien zusammenhängen. In ihrer ursprünglichen Form ist Fasziengewebe gut mit Flüssigkeit versorgt und geschmeidig. Bei mangelndem Gebrauch oder Überlastungen kommt es zu Verklebungen, die die Beweglichkeit einschränken und sich schmerzhaft auswirken können. Faszienmassagen, wie sie Physiotherapeuten anwenden, die das „Faszien Distorsions Modell“ (FDM) anbieten, können hier helfen und mitunter sehr gute Verbesserungen bringen. Man könne die Sache mit einem Schwamm vergleichen: „Presst man ihn aus, saugt er sich wieder mit Flüssigkeit an und das System ist wieder besser in Form.“ Allerdings, weiß Fritz, war der Hype um das junge Faszienthema im letzten Jahrzehnt oft etwas „überschießend“, in dem Sinn etwa, dass Patienten nach Faszienanwendungen verlangten, noch ehe eine Diagnose gestellt war. Doch Diagnose und Therapieoptionen müssten schon der Fachwelt überlassen bleiben. Nicht jedes Problem lässt sich über die Faszien lösen.

Es gibt auch Fälle, wo Faszienanwendungen zwar eine Verbesserung bringen, das Problem jedoch nicht an der Wurzel packen. Bei Rückenproblemen etwa, die von Muskelschwächen und -dysbalancen ausgelöst werden. Faszientraining soll und kann daher kein Krafttraining ersetzen, sondern nur ergänzen, so die Empfehlung.

Die Arbeit mit der Rolle
Faszienmassagen haben wir schon angesprochen – als Heimanwender greift man zu einer Faszienrolle. Eine harte Kunststoffrolle, mit der man im Prinzip das Gleiche mache wie ein Physiotherapeut, „bloß viel großflächiger und weniger punktuell. Was gescheit ist, weil die meisten von uns keine Anatomieausbildung haben“, sagt Fritz.

Wie und wo man am besten „rollt“, sollte man sich dennoch einmal von einem Physiotherapeuten, der auch die individuellen Problemzonen identifiziert, zeigen lassen.  Viel falsch machen kann man mit den Rollen nicht. Beine (etwa die hinteren Oberschenkel), der Rücken oder auch der Gluteus, also der große Gesäßmuskel: alles Stellen, die mit Faszienrollen sehr gut bearbeitet werden können. Problembereiche wie Verklebungen spürt man in der Regel am Schmerz beim Drüberrollen, da heißt es zu Beginn vorsichtiger ans Werk gehen, der Schmerz lässt typischerweise mit dem Ausrollen nach. 
 

Nicht mit der Brechstange rollen – lieber regelmäßiger mit weniger Druck anwenden und so zum Erfolg kommen.

Und auch wenn es der Hausverstand eigentlich sagt: „Es soll immer ein gut tolerierbarer Schmerz sein, nicht mit der Brechstange reingehen“, rät der Sportmediziner, „langsam reintasten und den Druck vorsichtig aufbauen. Je öfter ich es anwende, desto weniger schmerzt es, weil die Verklebungen der Faszien weniger werden. Man muss auch nicht in einer Session alles lösen: lieber regelmäßiger mit weniger Druck anwenden und so zum Erfolg kommen. Tut sich allerdings gar nichts, bleibt der Schmerz jedes Mal unverändert: dann bitte abklären lassen.“
Wichtig ist, nicht auf der Wirbelsäule zu rollen. Für den Rücken gibt es eigene Rollen in Form von zwei Kugeln mit einer Vertiefung in der Mitte, die die Wirbelsäule ausspart. Mit einer Faszienrolle vorsichtig sein sollten alle mit Venenerkrankungen, Blutgerinnungsstörungen oder bei einer Herzerkrankung. Wer aber gesund ist, kann nach einer professionellen Einführung bedenkenlos drauflosrollen.

Für alle, die Probleme mit einem „Läuferknie“ (fachsprachlich: „Ilio-tibiales Bandsyndrom“, kurz ITBS) haben, ist das Rollen an der Oberschenkelaußenseite ein guter Tipp. „Langsam reintasten, weil es zu Beginn sehr schmerzhaft ist. Man kann zu Beginn auch einen Finger nehmen und in beiden Richtungen ausstreichen und dann vielleicht nach ein paar Tagen mit der Rolle wieder drübergehen. Aber du wirst Tag für Tag merken, dass die Stelle geschmeidiger wird und immer besser funktioniert.“

Sinnvoll, aber kein „Zaubermittel“
Ob als Abschluss nach einem leichten Training oder einfach zwischendurch – „Faszienpflege“ ist eine gute Sache, resümiert diesmal unser Doc. Etwa auch in Verbindung mit Dehnen und Mobilisieren. „Man kann auch eine entspannte Atmosphäre schaffen, vielleicht auch mit der Partnerin, dem Partner gemeinsam rollen.“ Lohn bei regelmäßiger Anwendung: geschmeidige Muskeln – Verspannungen und Verklebungen, die sich mit der Zeit bilden, lassen sich mit der Rolle lösen. „Das ist überaus sinnvoll – aber es ist kein Zaubermittel, man kann nicht jedes Problem über Faszien erklären und lösen“, daran erinnert Robert Fritz noch einmal. Faszien und Kraft hängen eng zusammen – Krafttraining, das wir letztes Mal in dieser Serie thematisiert haben, ist nicht weniger wichtig.
 

Dr. Robert Fritz
Dr. Robert Fritz

Der Sport- und Ernährungsmediziner ist einer der Gründer und medizinischer Leiter einer Unit der „Sportordination“ in Wien und einer der bekanntesten Sportärzte in Österreich. Als „SPORTaktiv-Doc“ beleuchtet er kompetent in jeder Ausgabe ein Sport- oder Ernährungsthema.


Web: www.sportordination.com