Kletterer und Abenteurer Stefan Glowacz hat in seinem Projekt „The Wallride“ die Bikeanreise in die Berge in den Mittelpunkt gestellt.

Christof Domenig
Christof Domenig

„Eine Sauschinderei“, fällt dem 57-jährigen Profi-­Bergsportler und Kletterpionier in bayerischer Diktion als Erstes ein, wenn er an sein Projekt „The Wallride“ aus dem Sommer 2021 zurückdenkt. In knapp drei Monaten legte der von Marmot unterstützte Stefan Glowacz mit Tourenpartner Philipp Hans 2500 Kilometer und 50.000 Höhenmeter mit Mountain­bikes zurück, mit jeweils einem Anhänger und rund 50 Kilo Gepäck drauf: Kletterausrüstung, Zelt, Verpflegung. Um am Ende zwei gelungene Erstbegehungen in den Alpen durchzuführen. „Ab einer gewissen Steilheit ist es mit den Bikes in eine brutale Schinderei ausgeartet“, erzählt Glowacz, „Schieben und Tragen war unser täglich Brot.“ Er fügt aber hinzu: „Das ist es auch, worum es geht. Wenn du dich aus deiner Komfortzone herausbegibst, ist das unglaublich befriedigend. Du freust dich über Kleinigkeiten. Wenn wo eine Hütte ist und du einen Kaiserschmarrn essen kannst, nimmst du das ganz anders wahr.“

Außerhalb der Komfortzone hieß auch: Start vor der Haustür. Sich die gekletterte Wand mit einer CO2-neutralen Anreise verdienen. „Wir haben in den letzten Jahren stets Projekte ‚by fair means‘ gemacht – also vom letzten Zivilisationspunkt weg aus eigener Kraft ins Zielgebiet und wieder zurück“, erklärt Glowacz. Mit der Rad-Anreise erreichte diese Philosophie die reinste Form. Der Profi möchte damit auch Freizeit-­Bergsportler anregen: „Die Problematik für uns Outdoorsportler ist, dass wir in einem Widerspruch leben. Auf der einen Seite wollen wir die Natur so wenig wie möglich belasten, weil wir mit eigenen Augen sehen, welche Zerstörung sich auch durch die Klimaerwärmung vollzieht. Auf der anderen Seite nehmen wir uns das Recht heraus, jedes Wochenende irgendwohin zu fahren und unserer Leidenschaft nachzugehen.“

Glowacz und Hans ließen sich vom Bike-Experten Peter Brodschelm eine Route zusammenstellen. Vorgabe war eine Alpenüberquerung mit hohem Trailanteil möglichst oben in den Bergen. Auch daher die „Schinderei“ – die Strecke bedurfte unterwegs auch einiger Abänderungen. Fixpunkte waren die Croda Bianca („Weiße Wand“) in den Dolomiten, das Wetterhorn in der Schweiz und der Pic de Bure in Frankreich, wo drei Erstbegehungen geplant waren. Jene in den Dolomiten und in Frankreich gelangen – was angesichts der Radanreise fast zu wenig Beachtung fand. Für Glowacz ist das aber auch in Ordnung, er selbst hat gerade mit der erstmals gekletterten Croda Bianca im achten Schwierigkeitsgrad, wo er und Hans ein kurzes Wetterfenster nutzen konnten, riesige Freude.

Ein Highlight sei aber schon gewesen, dass der Start überhaupt möglich war: Glowacz unterzog sich im Frühling 2021 einer Herz-Operation, kämpfte sich in kurzer Zeit zurück auf den nötigen Leistungsstand. In der ersten Woche ging es ihm körperlich noch nicht sonderlich gut, erzählt er, aber es sei immer besser geworden. Und auch, „dass wir durchgebissen haben, nach fast drei Monaten auseinandergingen und jeder sagte: ‚Schade, dass es schon vorbei ist‘“, war für den Bergprofi eine großartige Erfahrung.

Wir Outdoorsportler leben in einem Widerspruch zwischen Naturschutz und an jedem Wochenende in die Berge fahren.

„The Wallride“ kann man als Buch wie als Film nachvollziehen – der Film läuft unter anderem beim Bergfilmfestival am Arlberg (24.–27.08.). Im Sommer 2022 gibt es in modifizierter Form ein „Revival“ für das Duo Glowacz/Hans: „Wir werden in die Schweiz radeln und noch einmal versuchen, am Wetterhorn eine Erstbegehung zu klettern. Mit dem Unterschied, dass wir diesmal E-Bikes verwenden.“ Aufgrund der Ladesituation haben beide im Vorjahr auf E-Bikes verzichtet. „Mit einem E-Motorenhersteller bauen wir an einer Möglichkeit, im Hänger eine Solarladestation zu deponieren, um die Reichweite deutlich zu erhöhen.“ 

Aufs E-Bike hält Glowacz generell große Stücke, damit sei eine starke Veränderung des Bergsports denkbar: „Kommt man einmal 100, 150 Kilometer auch mit Steigungen mit dem Bike, würden viel mehr Menschen das Rad einsetzen, um damit in die Berge zu gelangen.“