Die Besonderheit des Gravel-Radsports ist das Gefühl, dass hinter jeder Abzweigung neue Wege warten, die mit dem Rennrad nicht erreichbar sind. Neue Wege, die Sebastian Breuer, der Sieger des Badlands 2022, auch immer wieder eingeschlagen hat.
Ultradistanz-Radrennen sind etwas Besonderes für alle, die sich dieser Aufgabe stellen. In der Unsupportet-Kategorie ist unterwegs zudem jeder auf sich allein gestellt. Verpflegung, Kleidung und alles Notwendige für kleinere Pannen müssen die Fahrer selbst transportieren. Tage- und nächtelang allein auf der Straße unterwegs und dabei auf sich allein gestellt zu sein, klingt etwas verrückt – abseits befestigter Straßen wird diese Herausforderung zum regelrechten Abenteuer.
2022 sind rund 200 Teilnehmer dem Ruf des Gravel-Rennens Badlands nach Spanien gefolgt. Die Strecke führt über 780 Kilometer und 16.000 Höhenmeter durch die Wüsten Andalusiens und die Berge der Sierra Nevada – über Asphalt, Schotter und Tragepassagen. Abenteuerlich und eben etwas verrückt. Sebastian Breuer kam schließlich nach 43 Stunden und 36 Minuten im kleinen Bergort Capileira als Erster ins Ziel.
Rennrad statt Fußball
Einen Lehrsatz für Rennen wie das Badlands oder das Across Andes in Chile hat der heute 33-Jährige bereits aus seinen frühen Jahren im Radsport mitgenommen: „Ich habe gelernt, dass die Grenze hinter und nicht vor dem Horizont liegt.“ In Richtung dieses Horizonts war er lange Zeit auf befestigten Straßen unterwegs. Doch, wie für immer mehr, schien auch für ihn die Straße allein nicht zielführend zu sein. Über den klassischen Radsport und dessen Reformbedarf macht er sich heute noch Gedanken: „Der Straßenradsport hat mich auf Dauer mit seiner altmodischen, konventionellen Langeweile nicht mehr gereizt. Frischer Wind würde der ganzen Sache guttun. Derzeit sucht der Straßenradsport nach einer Veränderung, scheint diese aber nicht zu finden. Der Nachwuchs bleibt fern und schaut lieber Fußball im TV. Dieser Sport muss wieder attraktiv werden, davon sind wir derzeit leider noch sehr weit entfernt.“
Er selbst schlug einen anderen, einen steinigen Weg ein. Auf dem Mountainbike warteten neue Herausforderungen und mit dem deutschen Meistertitel und dem Europameistertitel auch neue Erfolge. Aber schließlich suchte und fand Sebastian Breuer zwischen Renner und Mountainbike, zwischen Straßen und Trails das Abenteuer auf dem Gravelbike.
Der Ruf der Wildnis
Das Besondere am Renner mit der eigenwilligen Dropbar und den breiten Reifen ist die Balance zwischen Sport und Abenteuer: „Beides reizt mich extrem. Aber sicher gibt es Tage, da steht die körperliche Belastung im Vordergrund, beispielsweise bei der Gravel WM, und an anderen Tagen das Abenteuer, zum Beispiel beim Across Andes in Chile.“
In sportlicher Hinsicht hilft ihm zweifellos seine Erfahrung aus den bisherigen Stationen seiner Karriere auch dabei, tagelang über Stock und Stein unterwegs zu sein. Die Tatsache, dass er dabei ohne die ständige Begleitung von Betreuern und Kollegen auf sich allein gestellt ist, sieht er aber nicht als eine neue Herausforderung. Eine gewisse Einzelkämpfer-Mentalität braucht man im Radrennsport sowohl im Peloton wie auch in der spanischen Wüste. „Auch wenn man immer sagt, der Straßenradsport ist ein Team Event, ist das in meiner Wahrnehmung nur teilweise richtig. Am Ende bist du auf dich allein gestellt. Ob bei Vertragsverlängerungen, im Training oder auf dem Weg zu einem Rennen. Sicher, im Rennen selbst fährst du im Optimalfall für dein Team. Aber Teamsport wie im Fußball ist es eher nicht. Die Tour gewinnt ein Fahrer, nicht das Team. Es ist eher wie Formel 1. Dementsprechend war der Umstieg für mich keine große Sache.“
Hobby zum Beruf gemacht
Während andere in der Einsamkeit der abgelegenen Wald- und Wiesenwege am Gravelbike versuchen, dem berüchtigten Hamsterrad zu entfliehen, hat Sebastian Breuer damit sein Hobby zum Beruf gemacht – und vice versa. Mit seinem Staatsexamen in Radiologie hat das aber nichts zu tun, auch wenn das, so der Liaison-Manager beim deutschen Reifen- und Schläuche-Produzenten Schwalbe, ein krisensicherer Job wäre: „Bock drauf hatte ich allerdings nie. Meinen Job bei Schwalbe kann ich hingegen aus voller Überzeugung ausüben und all meine Erfahrung von meinen Rennen mit einbringen.“ Zwischen Gravel-Rennen durch die Peripherie Andalusiens und der Arbeit mit Athletinnen und Athleten als Liaison-Manager Race bei Schwalbe gibt es aber auch bei ihm Momente, in denen er kein Rad braucht: „Zwar nur kurz, aber die gibt es. Ich kann sehr gut bei einem guten Abendessen oder einem guten Kaffee zusammen mit meiner Frau Christina abschalten. Auch mein Hund Lena hält mich gut auf Trab.“
Und für jemanden, der in seiner sportlichen und beruflichen Laufbahn stets seinen eigenen Weg gegangen ist, gibt es natürlich auch abseits des Radsports besondere Projekte: „Außerdem erfordert unser kleines Kaffeebohnen-Start-up „Lenas Coffee Brand“ auch etwas Zeit und Liebe.“ Es dreht sich also doch nicht alles im Leben von Sebastian Breuer ums Radfahren. Aber immerhin gibt es bei der eigenen Kaffeebohnen-Marke auch die „Biker’s Favorite“-Röstung.