Nadja Prieling hat Schlagzeilen gemacht: Sie ist den Ötztaler Radmarathon innerhalb von zehn Tagen zehn Mal gefahren. Jetzt stellt sie ihr Training um, damit sie den Klassiker auch gewinnen kann. Eine Liebeserklärung an den Ötztaler, das Rennradfahren und die Symbiose zwischen Job und Hobby.
Mit einem Schmunzeln. So gelassen reagiert Nadja Prieling, wenn sie am Rennrad überholt wird. Was grundsätzlich ganz selten passiert, denn die Tirolerin ist eine der besten Radsportlerinnen in unseren Breiten. „Aber manchmal drängt es die Männer, zwei Gänge härter als sonst zu treten, damit sie an einer Frau vorbeikommen. Und immer öfter werde ich von E-Bikern überholt. Ohne Helm und mit Flipflops aufs Kitzbühler Horn rauf, da muss man ja lachen.“
Nadja Prieling, 36, hat die Ausstrahlung einer Frohnatur, sie ist aber auch eine ganz zähe Person. Überregionale Bekanntheit erlangte sie, als sie mit ihrem persönlichen Projekt „9 + 1“ reüssierte. Österreichs berühmtesten Rennradmarathon, den Ötztaler, fuhr sie 2016 im Vorfeld des Wettkampfs neun Mal an neun aufeinanderfolgenden Tagen, um dann am zehnten Tag auch noch den regulären Bewerb zu finishen. Wem es bei der Einfachvariante über Timmelsjoch und Co. schon die Tränen in die Augen treibt: 238 km und 5500 Höhenmeter multipliziert mit 10 sind 2380 km und 55.000 Höhenmeter. Und das 10 Mal mit Topzeiten um die 10:30 Stunden. Noch Fragen?
Was treibt diese Frau an?
Prieling stammt aus dem steirischen Murtal (Schöder) und war in jungen Jahren bei den Langläuferinnen im Kader. Mit 17 war Schluss, die berufliche Ausbildung war wichtiger, der Sport (ein bisschen Tennis und Fußball) geriet in den Hintergrund. „Party machen war wichtiger“, lacht Prieling. Doch irgendwann begann sie wieder mit Laufen. Wegen Kniebeschwerden versuchte sie Radfahren. Und siehe da, es gefiel ihr. 2007, als 26-Jährige, fuhr sie erste Rennen und setzte sich gleich ein ehrgeiziges Ziel: 2009 wolle sie den Ötztaler Radmarathon fahren. Aber nicht irgendwie auf Durchkommen, sondern mit Topzeit – was ihr mit 9:22 Stunden auch gelang. Bis zum heutigen Tag ist sie den Ötztaler übrigens 17 Mal gefahren.
Mir taugt total, wie sich in meinem Leben Sport und Beruf verbinden lassen.
Es kribbelt ...
Ihr Sportlerleben ist untrennbar mit dem Klassiker verbunden. Warum, ist rasch erklärt. „Ich kenne kein anderes Rennen, wo im ganzen Tal so ein Flair herrscht. Schon donnerstags, wenn wir anreisen, kribbelt es, überall hängen Trikots.“ Sie stockt. Während dieses Satzes schiebt sie die Ärmel des Pullovers hoch, Gänsehaut. „Der Lienzer Super Giro, den ich heuer fahre, ist schwieriger, aber beim Ötztaler fährst du neben 4000 anderen, Faszination pur.“
Wie schaut das Training für solche Distanzen aus? „Ich trainiere weniger als man annehmen würde“, lacht sie. Früher fuhr sie endlose Ausdauereinheiten, stundenlang, tagelang, monatelang. „Aber ich habe gemerkt, ich werde dadurch nicht schneller.“ Mit dem Höhepunkt des „9+1“ hat sie das Training umgestellt. Denn, obwohl sie in den letzten Jahren mehr als 60 Siege (darunter Klassiker wie Race Across the Alps, Glocknerman, Alpentraum, etc.) und 100 Podestplätze gefeiert hat, ein großes Ziel hat sie noch offen: den Sieg bei „ihrem“ Ötztaler. Zwei Mal als Zweite knapp dran, soll es mit mehr Speed einmal mit dem obersten Treppchen klappen. „Ich trainiere jetzt weniger, dafür intensiver und härter. Ich muss schneller werden.“ Ihr speziell aufgebautes Scott-Rennrad ist dazu bereit, es liegt mit 6,1 kg unter dem Gewichtslimit für UCI-Straßenrennen.
In harten Wochen oder im Trainingslager packt sie zwischen 15 und 25 Stunden Training in eine Woche, aber im Schnitt sind es nur acht Stunden. „Im Winter beim Skibergsteigen, Langlaufen oder auf der Walze.“ Um die Zeit noch intensiver nutzen zu können, trainiert Prieling auch in einem Höhentrainingsraum, im Juli traditionell drei Wochen in der Höhenluft von Livigno.
Die Motivation
Was wie ein Profileben klingt, ist keines. „Das war nie ein Thema, auch wenn es Angebote gab“, erzählt sie. Prieling ist selbstständige Shiatsu-Praktikerin und in dieser Arbeit geht sie genauso auf wie beim Rennradfahren. „Das gibt mir diese Erdung, Entspannung und Ruhe. Mir taugt total, wie sich in meinem Leben Sport und Beruf verbinden lassen.“ Und das ist für sie auch die große Motivation. „Klar freue ich mich über jeden Pokal, aber das Lob und die Anerkennung genieße ich noch mehr, und dadurch komme ich nach den Rennen am Montag wieder total geerdet zur Arbeit.“