Lebensretter LVS-Gerät und Lawinenrucksack: Darauf kommt es an, wenn’s drauf ankommt.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Lange galt die Lawinenausrüstung mit Schaufel, Sonde und LVS-Gerät als abgetan. Nicht nur bei Hersteller Mammut teilt man mittlerweile aber die Ansicht, dass „aus diesem Trio unbedingt die Fantastischen 4 werden sollten“, wie es Mammuts Product Manager Avalanche Safety Jacqueline Miler ausdrückt. Soll heißen: Der Lawinenairbag sollte in der modernen Ausrüstung das Basis-Trio ergänzen. Zwar schützt der Lawinenrucksack in erster Linie den Träger vor einer möglichen Verschüttung, er erspart oder erleichtert aber auch den Ersthelfenden eine Rettung. Daher gehört er für Miler zur Grundausstattung im Gelände. Womit wir auch schon mittendrin wären im komplexen Thema Lawinen-Ausrüstung. Neben Mammuts Jaqueline Miler stand uns Tim Kerti, Produktmanager bei PIEPS, dazu Rede und Antwort.

Das LVS-Gerät
„Als ich mir vor 15 Jahren mein erstes LVS-Gerät gekauft habe, fragte ich mich, worin sich die Geräte schon groß unterscheiden sollen – schließlich müssen alle dieselbe Norm erfüllen. Jedoch handelt es sich hierbei um Mindestanforderungen und natürlich ist man besser beraten, wenn die Geräte diese übertreffen“, klärt Tim Kerti zum Thema LVS, dem „Lawinen-Verschütteten-Suchgerät“, auf. Auch Angaben zur Reichweite, so seine Erfahrung, seien nicht einfach vergleichbar, da diese den Herstellern obliegen und unterschiedlich ermittelt würden, wodurch es in der Praxis dann oft zu Überraschungen kommen kann. Ebenso entscheidend ist die Signalqualität: „Was nützt ein frühes Anzeigen eines Signals, wenn dieses nicht stabil ist und den Suchenden in die falsche Richtung führt?“, gibt Kerti zu bedenken und empfiehlt Käufern als Orientierung für gute LVS-Geräte, die Tests von DAV/ÖAV heranzuziehen. Diese würden unabhängig und neutral von Fachleuten durchgeführt. Als klassische Empfehlungen nennt er eine hohe Reichweite und eine Markiertaste, um Mehrfachverschüttungen lösen zu können.

Aus Sicht von Mammut macht es beim Thema Lawinensicherheit auch keinen Unterschied, ob man ein Hobby-Tourengeher oder Profibergsteiger ist – „die eigene Sicherheit, das Wissen um die Verschüttetensuche und der Einsatz der Ausrüstung sind für alle, die ins freie Gelände gehen, gleicht wichtig“, betont Jaqueline Miler. Beispielsweise seien die Benutzerfreundlichkeit und die intelligenten Funktionen des neuen Mammut Barryvox S2 besonders für weniger erfahrene Retter von Vorteil – vom kompakten Design, dem unter allen Bedingungen gut ablesbaren Display, 70 m Suchstreifenbreite und vor allem der intelligenten Feinsuchführung mit Sondierindikation (eine animierte Führung durch die Feinsuche) profitierten aber auch Profis und sparten wertvolle Zeit in der Suche. Wichtig zu beachten: Das LVS gehört immer an den Körper, nie in den Rucksack. Ideal sind die mitgelieferten Gurte oder spezielle Taschen an Hosen und Bibs. Diese müssen aber dafür ausgelegt sein. Gewöhnliche Aufsatz-Taschen könnten in einem Lawinenabgang auf- oder abgerissen werden.

Probleme durch Interferenzen
Ein in letzter Zeit immer stärker thematisiertes Thema sind Störquellen, welche die Sende- und Suchfunktion von LVS-Geräten negativ beeinflussen. Dabei, so erklärt es Jaqueline Miler, unterscheiden sich passive Störquellen (Metalle jeglicher Art) von aktiven Störquellen (eingeschaltete Elektronik). Kerti und Miler nennen dabei Smartphones, Kameras, Heizsocken und Smartwatches, aber etwa auch elektronische Airbags sowie Energieriegel, Powergels oder Schokolade in metallischer Verpackung als mögliche Problemverursacher. Problematisch, so Miler, ist der elektrische Fluss und nicht ein Funksignal. Das Handy in den Flugmodus zu versetzen, bringt daher keinen Nutzen! Bei Mammut begegnet man dem Problem mit einem speziellen Interfence Guard, welcher vereinfacht gesagt bei Störungen die Sendeleistung des Barryvox S2 erhöht und dies im Suchmodus auch anzeigt, das Inferference Protection System im neuen PIEPS PRO IPS LVS-Gerät verspricht ebenfalls eine Störungs-Erkennung, -Warnung und aktive Anpassung der Sendeleistung. Die Experten empfehlen dennoch immer die Einhaltung der „20/50“-Regel – das LVS sollte demnach im Sendemodus mindestens 20, im Suchmodus mindestens 50 cm Abstand zu elektrischen Geräten und metallischen bzw. magnetischen Gegenständen haben.

Der Lawinenrucksack
Bei Lawinenrucksäcken gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Produkten mit elektronischen und mechanischen Systemen, wie Tim Kerti erklärt: „Mechanische Lawinenairbags werden durch eine manuelle Auslösung aktiviert, das bedeutet, dass der Träger an einem Zugseil ziehen muss, um mittels dieser Mechanik die Kartusche zu aktivieren, damit der Airbag sich entfaltet. Diese Systeme sind schon lange am Markt und man könnte argumentieren, dass Mechanik zuverlässiger ist als ein komplexes elektronisches System. Jedoch werden auch elektronische Airbags streng getestet und sind zertifiziert. Im Klartext: Es gibt keinen Unterschied, beide Systeme sind gleich zuverlässig.“ Das Thema der Interferenzen hat PIEPS am Jetforce-System mittels Softwareupdate minimiert.

Für ihn liegen die Vorteile elektronischer Systeme, bei denen ein elektronischer Schalter eine Hochleistungsturbine in Gang setzt, in der Möglichkeit, mehrfach (etwa für Nachlawinen) auszulösen, im tendenziell niedrigeren Gewicht und in der einfachen Möglichkeit, zu Hause „Testauslösungen“ durchzuführen. Letzteres ist mittels Test-Tool aber ohne tatsächliche Auslösung auch für einige mechanische Systeme möglich.

Mit dem PIEPS Jetforce-System nimmt man bewusst etwas mehr Gewicht in Kauf, erweitert die Elektronik-Features aber noch um ein weiteres Sicherheitsplus. Denn das System löst nicht nur aus, es bläst auch anfangs immer Luft nach, um etwaige Schäden am Airbag auszugleichen, und saugt die Luft nach 3 Minuten automatisch ab. Wurde man trotz Airbag verschüttet, entsteht so eine große Atemhöhle, welche die Überlebenschancen weiter erhöht. Bei Mammut setzt man hingegen auf Mechanik, betont bei seinen Systemen ebenso das in der Regel leichtere Gewicht gegenüber anderen Fabrikaten. Zusätzlich bietet das herausnehmbare RAS 3.0 System die Flexibilität, auf einen größeren oder kleineren Rucksack respektive auf „Sommerbetrieb“ umzubauen. Der hohe Druck der Kartuschen (bei Mammut übrigens kostenlos wiederbefüllbar) erlaubt es auch, die Airbags kompakter zu verpacken – dafür müssen diese nach der Auslösung anders als einige elektronische Varianten auch penibel nach einem Schema verpackt werden, wohingegen man etwa beim Jetforce einfach wieder „einpackt“. 

Tatsächlich haben beide Varianten ihr Für und Wider – am besten man macht sich damit einfach im nächsten Shop vertraut.