Norwegen ist im Ausdauersport eine Macht. Das liegt auch an den Trainingsmethoden. Auch Hobbyläufer können, zumindest in Ansätzen, von der Norweger-Methode profitieren.
Nur etwa 5,5 Millionen Einwohner hat Norwegen, das als Sportnation in vielerlei Hinsicht Vorbild ist. Neben dem Volkssport Langlaufen sind die Skandinavier auch in den Sommer Ausdauer-Sportarten mittlerweile vielfach Weltklasse, stellen Olympiasieger wie Jakob Ingebrigtsen (Gold 5000 m in Paris 2024 und 1500 m in Tokio 2021) oder Kristian Blummenfelt (Triathlon-Olympiasieg in Tokio 2021), beeindrucken aber auch mit ihrer großen Zahl starker Athlet:innen. Nun hat diese Stärke gewiss mehrere Gründe, weiß Sportwissenschafter und Lauftrainer Herwig Reupichler. Es liegt aber auch am modernen Training, das etwa von Wissenschaftern am „Olympiatoppen“ Oslo ständig weiterentwickelt wird und das zurzeit weltweit eifrig kopiert wird – was freilich auf Spitzenniveau gar nicht so einfach ist. Vor allem sind die norwegischen Athleten, wenn die anderen dann einmal nachgezogen haben, meist schon wieder um entscheidende neue Erkenntnisse voraus, meint Reupichler.
Doch speziell ambitionierte Freizeitläufer und andere Hobby-Ausdauerathleten könnten sich von der „Norweger-Methode“ interessante Impulse holen. Sie versprechen nicht nur Trainingsfortschritte, sondern bringen auch Spaß und „Pepp“ ins Lauftraining. Die „Norwegian Method“ ähnelt grundsätzlich der polarisierten Trainingsmethode (Pol-Training), die in den vergangenen Jahren als besonders wirksam erkannt wurde. Aber es gibt doch Unterschiede.
Training mit On-off-Intervallen
Anstelle von gewohnten Intervallformen können ambitionierte Hobby-Läufer On-off-Intervalle versuchen, um so das Ziel im Training nach der Norweger-Methode, knapp unterhalb der anaeroben Schwelle zu bleiben, zu erreichen. Zum Beginnen eignen sich zum Beispiel 12 x 30 Sekunden mit je 30 Sekunden Trabpause dazwischen.
Die 30 Sekunden-Intervalle werden annähernd gesprintet, aber eben nur fast, mit gefühlten ca. 90 % möglichem Tempo. Dabei sollte die Herzfrequenz sich beim dritten oder vierten 30-sec-Intervall knapp unterhalb der anaeroben Schwelle einfinden und dort bleiben – aufgrund der Kürze von Belastung- und Entlastung –, ohne weiter auf- und abzusteigen. Also letztlich eine „gerade Linie“ knapp unterhalb der anaeroben Schwelle ergeben.
Wichtig: Dieses Training nur gut ausgeruht und aufgewärmt (einlaufen, mobilisieren) durchführen, weil die muskuläre Belastung durch die hohe Laufgeschwindigkeit sehr hoch ist.
„Nach dem ersten Versuch hat man aufgrund des ungewohnten muskulrären Reizes garantiert einen Muskelkater“, sagt Herwig Reupichler. Zugleich ist die Belastung jedoch nicht so hoch wie bei vielen gängigen Intervallformen. Muskeln und vor allem der Herzmuskel entwickeln sich, ohne Mitochondrien zu zerstören. Voraussetzung ist, dass man den gewünschten Belastungsbereich trifft, wofür man seine individuelle anaerobe Schwelle kennen muss, die Intervalle mit Herzfrequenz-Kontrolle durchführt und sich mit Gefühl ans Optimum herantastet.
Zum Start in die Methode reichen 1 x 12 Intervalle (=12 Minuten) mit ausgedehntem Einlaufen/Aufwärmen und Auslaufen. Später kann man auf 2 x 10 (3 min Pause zwischen 1. und 2. Block) bis zu 3 x 10 steigern.
Wie im Pol-Training kommt man an einem hohen Anteil im Grundlagenausdauerbereich nicht vorbei. Eher ist dessen Gewichtung im „Norweger-Training“ noch etwas höher. In diesen lockeren, geduldig absolvierten Einheiten werden die Mitochondrien gebildet, die für den Sauerstofftransport im Blut verantwortlich sind, es findet die wichtige Kapellarisierung, die Bildung kleinster Blutgefäße, statt und der Fettstoffwechsel wird optimiert, erklärt der Sportwissenschafter. Wer als Hobbyläufer dreimal in der Woche läuft, solle im Regelfall zwei Einheiten der Grundlage widmen, so die Empfehlung. Wir sprechen hier von Läufen an der aeroben Schwelle, bei etwa 70 % der maximalen Herzfrequenz. Gefühlt läuft oder bewegt man sich hier lockerer, als es der „Wohlfühlbereich“ diktieren würde. Für einen Halbmarathonläufer sollten die Grundlagenläufe „auf norwegische Art“ mindestens 90 Minuten dauern.
„On top“ kommt ein schnelles Training pro Woche. „Interessant ist an der Norweger-Methode, dass relativ viel Trainingszeit knapp unterhalb der anaeroben Schwelle, im sogenannten Entwicklungsbereich stattfindet“, sagt Reupichler. „Intervalltrainings werden gezielt in diesem Bereich absolviert, und kaum einmal richtig Vollgas.“
Intervalltrainings werden gezielt knapp unterhalb der anaeroben Schwelle absolviert.
Gerade hier würde von vielen leistungsorientierten Freizeitsportlern der Fehler begangen, Intervalle zu hart durchzuführen. Die verbeitete „No Pain, No Gain“-Mentalität sei aber überholt. Reupichler: „Wer im Training übersäuert, Intervalle zu hart trainiert, zerstört auch Mitochondrien, unter anderem in den Muskeln. Und das ist kontraproduktiv.“
Statt gängigen Intervallen wie „4 x 4“ oder 1500-m-Intervallen empfiehlt der Trainer etwa „On-off-Intervalle“ mit jeweils nur 30 Sekunden wechselnder Belastungs- und Erholungsdauer (siehe Kasten). Auch das ist natürlich ein hartes Training, zu Beginn vor allem auch muskulär. „Fast wie bei einer Stop- and-Go-Sportart“, sagt Reupichler. och das Ziel, mit den Intervallen knapp unterhalb der anaeroben Schwelle zu bleiben, und so den Herzmuskel zu entwickeln, ohne mühsam aufgebaute Mitochondrien zu zerstören, lasse sich damit besser erreichen.
Die „Dreifaltigkeit“ der Norweger-Methode lautet, noch mal zusammengefasst: „Mitochondrien aufbauen, Kapellarisierung und muskuläre Entwicklung, vor allem des Herzmuskels“, sagt Herwig Reupichler. Das alles erreicht man mit dem beschriebenen Trainings-mix. Der Zusatzbenefit: Die 30-Sekunden-On-off-Sprints machen vielen deutlich mehr Spaß, als es längere Intervallformen tun. Und wenn man bisher noch nicht auf diese Art Intervalle trainiert hat, ist es zudem wieder ein neuer, ungewohnter Reiz, auf den der Körper rasch anspricht.