Kaum ein Thema interessiert Hobby- und Leistungssportler zurzeit mehr: Was muss ich essen und trinken, um a) gesund zu bleiben und/oder b) meine Leistungsfähigkeit zu steigern? In Graz nahmen unlängst Wissenschafter die Sporternährung unter die Lupe – und lieferten uns neue Erkenntnisse zur Nahrungsergänzung im Sport.


Wer einmal bei einer Laufmesse war oder sich mit anderen Sportlern vor dem Wettkampf unterhalten hat, wird merken, dass Sporternährung, Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel boomen. Das Angebot an Pulvern, Gels, Riegeln und Getränken wird immer unübersichtlicher. Zugleich stellt sich einmal mehr die Frage, welche Mittel überhaupt sinnvoll sind und welche womöglich negative Effekte auf die eigene Gesundheit haben. Ein Erfahrungsaustausch mit gleichgesinnten medizinischen Laien unter dem Motto: „Und was nimmst du?“, ist da wenig hilfreich. Das Frühjahrssymposium der ÖGE, der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Süd, ging deshalb vor einem strikt wissenschaftlichen Hintergrund diesen Fragen nach. Im Mittelpunkt standen die beiden wichtigsten Ziele jedes Sportlers: die Leistungs- und die Gesundheitsoptimierung. Auch interessant: Protein und Reparaturprozesse: Der Sinn von Eiweißshakes.

Nahrungsergänzung im Sport: Ausreichend Flüssigkeit ist Grundlage für sportliche Höchstleistungen / Bild: KKGRUNDREGELN DES TRINKENS
Beginnen wir die Aufklärungsarbeit gleich mit dem Trinken. Jeder weiß, dass man darauf nicht vergessen sollte, aber kaum jemand betreibt es wirklich systematisch (siehe auch: Richtig trinken, auch in der Erholungsphase!). Helga Klein vom Institut für Medizinische und Sportwissenschaftliche Beratung aus Maria Enzersdorf zeigte in ihrem Vortrag, dass schon rein physisch starke Unterschiede zwischen Sportlern existieren: Gut trainierte Athleten transpirieren deutlich mehr – sie können bis zu 3 Liter Schweiß pro Stunde produzieren, während Untrainierte kaum ein Drittel davon schaffen. Damit geht auch einher, dass sehr ambitionierte Hobbysportler und Profis eine bessere Toleranz für Flüssigkeitsverlust entwickeln.

Fakt ist und bleibt: Damit der „Motor“ eines Sportlers nicht überhitzt, ist richtiges und rechtzeitiges Trinken extrem wichtig. Wer das nicht beherzigt, wird müde, schwindlig, spürt Kopfschmerzen und einen deutlichen Leistungsabfall. Die Expertin rät: „Schon mehrere Stunden vor dem Training oder Wettkampf sollte man mit dem Trinken beginnen. Ideal sind Getränke, die rasch wieder aus dem Magen-und Darmtrakt gelangen (siehe auch: Kohlenhydrate, Elektrolyte & Co.: Was ein wirksames Sportgetränk tatsächlich können sollte ...). Ist die erwartetekörperliche Belastung länger als zweieinhalb Stunden, sollte das Getränk zudem Fruktose enthalten. Eine Zufuhr an Kohlenhydraten und vor allem auch an Natrium ist ebenfalls anzuraten, wenn die sportliche Aktivität längere Zeit andauert.“ Und weil man nicht oft genug daran erinnert werden kann: Auch an Tagen ohne Sport sollte immer gezielt getrunken werden! 35 bis 40 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht lautet hier die Faustregel.

Aber nicht nur vor, sondern auch während der sportlichen Belastung sollte ausreichend Flüssigkeit zugeführt werden: „Alle 15 bis 20 Minuten“ empfiehlt die Expertin diesbezüglich die Zufuhr von 150 bis 200 Milliliter Flüssigkeit. Seien wir ehrlich: Welcher Hobbysportler denkt wirklich immer an diese Pflichtaufgabe, wenn er mit den Laufschuhen oder dem Bike unterwegs ist?

Besonders wichtig ist das Wiederauffüllen des Flüssigkeitshaushalts nach dem Training. Wenn du es ganz sicher richtig machen willst: Stell dich vor und nach dem Training auf die Waage, ermittle so die Gewichtsdifferenz und achte dann darauf, diese Menge zu 150 Prozent noch am selben Tag durch Flüssigkeit auszugleichen.

KOHLENHYDRATE UND MEHR
Während man beim Trinken mit dem gesunden Hausverstand noch relativ weit kommt, ist das beim Thema Ernährung und Nahrungsergänzung mittlerweile anders. Manfred Lamprecht vom Institut für Physiologische Chemie an der Med-Uni Graz ging in seinem Vortrag daher zuerst auf Kohlenhydrate ein. „Durch ihre gezielte Zufuhr kann der Athlet Glykogenspeicher aufbauen, die intensives Sporteln für 90 bis 120 Minuten möglich machen. Alles was darüber hinaus geht, erfordert eine zusätzliche Aufnahme von Kohlenhydraten“, sagte Lamprecht, „denn sonst bedient sich der Körper an den eigenen Quellen, an freien Fettsäuren, Laktat und anderem.“

Aber auch auf die Proteine muss geachtet werden. Lamprecht stützt sich auf Studien, die bei Extremausdauersportlern eine Bedarfsmenge von bis zu 3 Gramm pro Kilo Körpergewicht ermittelten. Lamprecht: „Sollte man allerdings keine Triathlons auf der Langdistanz bestreiten oder gar erfolgreicher Radprofi sein, muss die Menge entsprechend reduziert werden. Die Bilanz zwischen der Aufnahme von Protein und dessen Ausscheidung sollte freilich auch im Hobbysportbereich zumindest ausgeglichen sein.“

Als „geniales Team“ sieht Nahrungsexperte Manfred Lamprecht die Kombination aus Proteinen und Kohlenhydraten. „Um positive Wirkungen zu erzielen, muss dabei der Anteil an Kohlenhydraten jedoch meist höher sein als der Anteil an Proteinen.“ Ein Fragezeichen betrifft noch das Kreatin. Es wird für hochintensive Belastungen benötigt, „allerdings ist nur rund die Hälfte der Sportler überhaupt in der Lage, die erhöhte Aufnahme auch positiv zu verwerten. Wer Kreatin zu sich nimmt, braucht davon übrigens nicht allzu viel: 3 bis 5 Gramm pro Tag eines hochwertigen Kreatinpräparates reichen aus.“

Zum Abschluss seines Vortrags ging Manfred Lamprecht noch auf das Thema Koffein ein. Es gilt ja seit 2004 nicht mehr als potenzielles Dopingmittel – und nicht wenige Hobbysportler schwören darauf. Der Wissenschafter bremst allerdings die Euphorie. „Klar ist, dass Koffein in geringen Mengen wach hält, was eine Leistungssteigerung mit sich bringen kann. Zu viel Koffein aber kann zu Koordinationsstörungen führen.“ Und wie jeder Läufer und Radler weiß: Kaffee wirkt sich ungünstig auf die angestrebte Rennzeit aus, denn der Harndrang steigt in den ersten Stunden nach dem Koffeinkonsum bei vielen Menschen an.

PROBIOTIKA IM AUSDAUERSPORT
Ein eher neues Argument der Ernährungsindustrie sind Probiotika. Studien haben mittlerweile bewiesen, dass sie sich positiv auf zwei typische Probleme von Sportlern auswirken: auf die Anfälligkeit für Verkühlungen und auf Probleme mit Magen und Verdauung. Gerhard Ernst Steyer, Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Probiotische Medizin aus Graz, berichtete im Rahmen des ÖGE-Symposiums zuerst von typischen Krankheitsbildern im Bereich der Darmwand und bei der Anfälligkeit für Infektions- und Autoimmunerkrankungen. Sein Resümee aus zahlreichen Studien: „Probiotika können immunstabilisierend wirken. Bei Ausdauersportlern ist ein gezielter Einsatz von wissenschaftlich getesteten Produkten eine sinnvolle Möglichkeit, um die mittlerweile bekannten häufigen Probleme mit der Darmwandfunktion zu mindern.“

Der Wissenschafter rechnet damit, dass die Forschung auf dem Gebiet der Probiotika in nächster Zeit weitere Erkenntnisse mit sich bringen wird, die Ärzten, Sportwissenschaftern, Trainern und Sportlern noch klarere Handlungsanleitungen geben.

DAS BLAUE VOM HIMMEL
Apropos Forschung: Eines zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung, nämlich die Aussage, dass nur „Testings on the product“ ernst zu nehmen sind. Viele Hersteller scheinen das außer Acht zu lassen und versprechen lieber das Blaue vom Himmel. Seriöse Behauptungen sind daher für den Laien leider kaum zu unterscheiden von marketingtauglichen Spekulationen. Umso wichtiger ist für den Sportler ein Gespräch mit dem Arzt oder einem anderen Experten mit wissenschaftlichem Hintergrund, bevor man zur unkontrollierten Einnahme irgendwelcher Wundermittel schreitet.

Sandra Wallner-Liebmann vom Institut für Pathophysiologie und Immunologie der Med-Uni Graz hatte erst kürzlich in den Medien kritisiert, dass „viele Hobbysportler nach eigenem Gutdünken oder auf Grund wenig vertrauensvoller Quellen mit Pulvern und Drinks experimentieren“, statt sich fachlich beraten zu lassen. Beim Symposium in Graz konzentrierte sich die Wissenschafterin allerdings auf einen weiteren interessanten Aspekt im Zusammenhang von Sport und Ernährung: Sie belegte, dass intensivere sportliche Aktivität Auswirkungen auf unser Geschmacksempfinden hat. „Die leider nicht gerade seltenen Magen- und Darmprobleme verändern unser ,Nutrient Sensing‘. Es ist daher bei Weitem nicht immer so, dass uns angeblich der Körper ohnehin die richtigen Signale senden würde, was an Ernährung für uns gut ist.“ Auch hier erwartet sich die Expertin in nächster Zukunft neue Aufschlüsse, die bessere Lösungen im Hobby- und Profisport möglich machen.

Nahrungsergänzung im Sport: Das Internet als Ausrede / Bild: KK„SCHMUTZIGES“ INTERNET
Es klingt in unseren Ohren meist wie eine Ausrede, wenn „ertappte Dopingsünder“ behaupten, es könnten nur verunreinigte Sportnahrungsmittel für ihren positiven Testbefund verantwortlich sein. Peter Prock von der European Nutraceutical Association aus Basel allerdings wies beim Grazer Symposium nach, dass das Problem tatsächlich ein weit verbreitetes ist. „Unkontrollierte Produkte, die besonders leicht und einfach über das Internet zu beziehen sind, sind sehr oft betroffen – bis zu 25 Prozent reicht hier die Wahrscheinlichkeit für eine Verunreinigung.“ Schon kleinste Mengen reichen übrigens aus, um den getesteten Sportler in Misskredit zu bringen.

Aber selbst Zertifizierungen oder der Bezug durch an sich vertrauenswürdige Quellen reichen nicht aus, um das Risiko gegen null zu senken. Prock appellierte daher an Sportler und Betreuer, ausschließlich Mittel anzuwenden, die hinreichend getestet wurden. „Einerseits gibt es Produkte, deren geprüfte Charge im Internet auffindbar ist, andererseits ist aber auch die Eigenverantwortung zu betonen. Entweder fordert man Analyseergebnisse selbst an oder man verwendet nur Produkte, die etablierte Risikomanagementprogramme durchlaufen haben.“ In England zählt das Programm „Informed- Sport“ dazu, in den USA „Informed-Choice“, in Frankreich gilt „Wall-Protect“ als Zeichen für eine Risikominimierung.


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