Oft heißt es, Klettersteige würden wie Schwammerl aus dem Boden schießen. Aber irgendjemand muss sie schon bauen. Menschen wie Robert Span: Wir haben mit dem Stubaier Bergführer über seinen spannenden Nebenjob als „Klettersteigbauer“ gesprochen.
Wie entsteht ein Klettersteig? Sogar Axel Jentzsch-Rabl, unser SPORTaktiv- Experte für alle Fragen rund um den Trendsport Klettersteiggehen, wusste zunächst einmal keine klare Antwort. Aber der Tiroler Alpinprofi und Verfasser der umfangreichsten Klettersteigführer in Österreich, machte sich auf unsere Anregung hin auf die Suche – und traf auf
Robert Span, der Anfang Mai gerade mit Ausbesserungsarbeiten an einem Steig nahe Innsbruck beschäftigt war. Robert plante und baute seinen ersten Klettersteig 1984; dann immer wieder den einen oder anderen – bis sein „Nebengeschäft“ (hauptberuflich ist er Chef des Stubaier Bergführerbüros) in den letzten Jahren förmlich explodierte: „Plötzlich waren es vier, fünf oder noch mehr Projekte pro Saison“, erzählt er.
Aber nicht nur das Bauen, auch das Gehen auf den Klettersteigen, oder besser gesagt, das Führen von Gästen über die Eisenwege ist ein einträgliches Geschäft für die Bergführer geworden. Zum Klettersteigboom und zur regen Bautätigkeit in den Bergen kennt Robert Span natürlich auch die eine oder andere Anekdote: „Der ‚Fernau-Express‘, der einzige Stubaier Klettersteig mit dem extremen Schwierigkeitsgrad E, wurde einst bei uns in der Region heiß herbeigesehnt. Seit ein paar Jahren gibt es ihn – und seitdem wird er kaum genutzt.“ Und trotzdem, meint Robert, habe sich der Bau ausgezahlt, auch die Erhaltungskosten rentieren sich – „weil sich so ein Prestigeobjekt herumspricht und es die Berggeher zu den anderen Steigen in der Region zieht. Es ist wie beim Skifahren: Die meisten fahren auf roten und blauen Pisten, trotzdem kann es sich kein Skigebiet leisten, auf eine schwarze Prestigepiste zu verzichten“. So sind eben die Gesetze des Tourismus.
TOURISMUS ALS AUFTRAGGEBER
Doch zurück zur Ausgangsfrage. Wer die Hauptinitiatoren sind, wenn Stahlseil, Eisenleitern und Drahtstifte in Felswände getrieben werden sollen, wurde ja indirekt schon angesprochen: „Der Tourismus ist sicher der stärkste Initiator, aber auch Schutzhütten oder Bergbahnen haben ein Interesse daran, dass sich Klettersteige in ihrer Nähe befinden – bei dem großen Publikum, das sie derzeit anziehen.“
Eher nicht zu den Förderern des Trends zählen naturgemäß die „g’standenen“ einheimischen Kletterer – auch wenn es Robert Span eher für ein böses Gerücht hält, dass angeblich zahlreiche schöne und altehrwürdige Kletterrouten mit Eisenteilen verbaut und damit zerstört wurden: „Die Klettersteigbauer suchen ohnehinden Kontakt mit der Klettererszene und nehmen auf Einwände Rücksicht.“ Aber es bleibt trotzdem dabei: Freude haben die echten Kletterer mit einem künstlichen Gebilde, das auch weniger Geübten den Aufstieg in der Vertikalen erlaubt, in den wenigsten Fällen.
EISENHAKEN UND SCHIFFSTAU
Vor 170 Jahren war das noch anders: Einer der besten Alpinisten seiner Zeit war es, der persönlich den ersten Klettersteig der Welt initiierte, um – so ist es schriftlich überliefert – „das recht abscheuliche Klettern“ auf den Dachstein einfacher zu machen. Axel Jentzsch- Rabl weiß mehr darüber: „1842 suchte der Erstbesteiger Friedrich Simony unter vermögenden Bad Ischler Kurgästen Geldgeber. Mit einem Budget von 260 Gulden montierte sein Leibführer daraufhin Eisenzapfen, Handhaken und ein etwa 140 Meter langes Schiffstau als Steighilfen. Am 27. August 1843 war damit der allererste Klettersteig fertig.“
Statt einer Hand voll Gulden sind es heute gleich einmal 30.000 Euro und in Extremfällen sogar bis zu 100.000 Euro, die fällig werden, um einen neuen Eisenweg zu errichten. Dafür werden auch Fördertöpfe der öffentlichen Hand gern geöffnet – jene der Tourismusförderungen in den Bundesländern genauso wie zum Beispiel die „Interreg“-Töpfe der EU.
Bis aber mit dem Bau begonnen werden kann, sind Genehmigungen einzuholen, nicht selten auch Widerstände zu überwinden – und das kann dauern: „Gemeinde, Grundbesitzer, die Naturschutz- und Sportabteilung der Landesregierung und die Jägerschaft – alle reden im Verfahren mit. Die meisten Widerstände kommen erfahrungsgemäß von Grundbesitzern und Jägern“, weiß Robert. Und: „Von Anfang an sehr umstrittene Projekte haben eigentlich keine Chance auf einen positiven Bescheid“ – trotzdem hat es der Profi schon erlebt, dass man viele Jahre lang auf eine Genehmigung wartete.
ALLES IN HANDARBEIT
Der Genehmigungsbescheid ist da – wie geht’s dann weiter? „Man schaut sich die gewünschte Route erst grob mit dem Fernglas an – und dann seilt man sich an der geplanten Route ab oder klettert sie einmal durch.“
Depots werden geschaffen, wo die rund 1.000 Kilo Eisenmaterial, die ein mittellanger Steig benötigt, abgelegt werden. Ein Hubschrauber bringt das Material dorthin – alles andere ist aber, wie zu Pionierzeiten, schwere Handarbeit. Robert beschreibt den Ablauf: „Aus Sicherheitsgründen – die Steinschlaggefahr ist sehr groß – arbeiten höchstens eine Handvoll Personen gleichzeitig an einem Projekt. Die wichtigsten zwei sind der Mann an der zehn Kilo schweren Benzinbohrmaschine und sein Kollege, der mit einem Zwei-Komponenten-Kleber, einem Spezialzement, die Eisenteile in den gebohrten Löchern befestigt.“ Die exakten Positionen ergeben sich erst vor Ort – schließlich kann die Gesteinsbeschaffenheit erst beim Bohren bestimmt werden.
Das Ganze läuft auch hier in 8-Stunden-Tagesschichten ab – man kann sich ausrechnen, dass neben dem sicheren Beherrschen der alpinen Sicherungstechnik eine Menge Kraft und Ausdauer Grundvoraussetzung sind.
DIE HANDSCHRIFT DES ERBAUERS
Muskeln allein sind aber nicht genug – auch Hirn und Kreativität sind gefragt: „Der Routensetzer kann am Steig seine Handschrift hinterlassen. Einen guten Klettersteig erkennt man daran, dass er die natürlichen Felsgegebenheiten ausnutzt. Zum Beispiel sollte man erkennen, wenn ein natürlicher Tritt vorhanden ist und man so einen Eisenbügel einsparen kann.“
Gewisse Dinge werden aber auch vom Auftraggeber gewünscht: Der Trend zu immer spektakuläreren „Fun- Elementen“ wie Seilbrücken oder -rutschen ist in den letzten Jahren unübersehbar.
Und noch ein Wunsch wird in letzter Zeit oft geäußert – nämlich der nach einem möglichst schwierigen Einstieg. Sozusagen als erste Prüfung – damit Ungeübte schon am Start scheitern und nicht erst mitten in der Wand hängen bleiben. „Auch viele Umbauten gehen in diese Richtung, angeregt oft sogar von der Bergrettung.“
BEGEHEN AUF EIGENE GEFAHR
Bis zu zwei Monate wird gebaut, bis ein Klettersteig feierlich seiner Bestimmung übergeben wird. Gibt es dann eine Abnahme wie beim Häuslbauen, die sicherstellt, dass nicht gepfuscht wurde? „Vorgeschrieben ist eine solche nicht – bei geförderten Projekten kommt es aber vor, dass der Fördergeldgeber den Steig überprüft.“ Und wer haftet, wenn etwas passiert? Da gilt zwar die Regel „Begehen auf eigene Gefahr“ – „aber wenn grob fahrlässig gearbeitet und Richtlinien zum Klettersteigbau nicht eingehalten wurden, kann der Erbauer haftbar gemacht werden. Jeder Steig wird auch einmal jährlich auf Schäden überprüft“, erklärt Robert.
Zum Schluss kommen noch Alpinprofis wie Axel Jentzsch-Rabl ins Spiel, die mit einer Probebegehung den Schwierigkeitsgrad festlegen. Der wird zwar vorher vom Auftraggeber gewünscht (meist die Grade C und D) – ob die Erbauer diese Schwierigkeit wirklich „getroffen“ haben, entscheidet sich aber erst im Nachhinein.
Robert Span ist das fast immer gelungen – und das soll auch in Zukunft weiterhin noch öfter der Fall sein. Auch wenn sich der Naturliebhaber manchmal schon fragt, „ob es nicht langsam genug mit der Verdrahtung der Berge ist. Irgendwann ist eine Grenze erreicht – wie bei den Skipisten.“ Wenn man allerdings die Skigebiete als Vergleich hernimmt, dann werden die Klettersteigbauer wie Robert Span wohl noch lange nicht arbeitslos werden ...
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