Ein Tretroller für Erwachsene als Sportgerät? Jurek Milewski lächelte belustigt, stieg trotzdem einmal auf – und kommt seitdem davon nicht mehr los. Jetzt krönte er sich zum Weltmeister.
Die Szene, als ein Freund dem Salzburger Jurek Milewski ein Kickbike präsentierte, hat sich vor fünf Jahren abgespielt. Erster Gedanke: „So ein Schmarrn." Und dann, nach der ersten Fahrt: „Unglaublich cool." Milewski präzisiert: „Als würde man mit jedem Kilometer jünger werden. Das Freiheitsgefühl auf dem Kickbike hat etwas Kindliches – im positiven Sinn. Fast wie Fliegen."
Der Salzburger ist heuer 60 geworden, von Beruf Schauspieler und zugleich Vollblutsportler. In seiner Jugend gehörte er zu den besten Nachwuchs-Rennradfahrern in Polen. In Österreich hat er später, etwas über 40-jährig, intensiv Rennrad- und Mountainbike-Marathons bestritten und Platzierungen unter den besten Zehn eingefahren. Heute ist er der erfolgreichste Österreicher im Kickbike-Sport und krönte sich im Juli in Holland sogar erstmals zum Weltmeister! Neben Gold im Kriterium holte er zwei Silbermedaillen in Sprint und Marathon. In Holland hat der Sport im Übrigen viel mehr Anhänger – noch mehr aber in Finnland und Tschechien, den beiden weltweiten Hochburgen.
Seine Trainingsrunden zieht Milewski fast täglich in und um Salzburg, klemmt sich dabei schon einmal Textbücher auf den Lenker. Er setzt den „Tretroller", wie das Kickbike von den Ausübenden auch liebevoll genannt wird, aber auch im Alltag ein, propagiert ihn als urbanen Autoersatz. Zu Auftritten reist er schon einmal über 100 Kilometer an. „Meine Frau hab ich auch schon überzeugt, dass das ein Supersport ist."
Rund 8000 Kilometer legt Milewski im Jahr auf seinen Kickbikes (er besitzt sechs) zurück. Etwas langsamer als einst auf dem Rennrad – 27 km/h sind im Marathon aber schon drin. Bergab erreichte der Salzburger einmal 104 km/h. „Da sollte man aber lieber nicht daran denken, dass etwas passieren könnte." Weil es kein Rahmendreieck gibt, lässt sich ein Kickbike nicht so steif wie ein Rennrad konstruieren.
Unzertrennliches Duo: Jurek Milewski mit seinem Kickbike. Der Salzburger Radsportler legt rund 8000 Kilometer jährlich auf seinem Tretroller hin.
Von Paris–Roubaix habe ich schon als junger Radsportler geträumt. Wunderbar, nur die Hände waren danach ein halbes Jahr taub.
"Hauptsache schnnell und weit"
Rekordverdächtig ist auch anderes, das Jurek Milewski am Kickbike schon unternommen hat – „Hauptsache schnell und weit", so sein Motto. 2016 fuhr er einen Tag vor dem Radklassiker Paris–Roubaix mit einigen Tschechen und seinem österreichischen Teamkollegen Guido Pfeiffermann die legendäre Strecke: 255 Kilometer, davon über 50 auf dem berühmten Kopfsteinpflaster. „Ein wunderbares Erlebnis, von dem ich schon als junger Radsportler geträumt habe. Aber die Hände waren danach ein halbes Jahr taub", lacht Milewski. Dabei eigne sich der Tretroller für lange Distanzen sehr gut. Eine 407 Kilometer lange Österreich-Durchquerung in 23:50 Stunden steht ebenfalls im Lebenslauf des Salzburgers. „Lange Fahrten spürst du weniger als mit dem Rennrad."
Dass er nach Hunderten Kilometern noch relativ locker absteigt, ist auch dem Fitnesszustand des 60-Jährigen geschuldet. Abgesehen von Ausdauer und Kraft hilft seine Beweglichkeit beim Durchziehen jener Kicks, die richtig Tempo bringen. Akrobatiktraining gehört zu seinem Beruf, zum Spagat („den hab ich mit 24 geschafft") fehlen ihm gerade einmal ein paar Zentimeter.
Ein großes Erfolgserlebnis durfte Milewski heuer auch schon vor der WM feiern: „Peter Groeneveld hat mir einen 1400 Gramm leichten Carbonrahmen gebaut." Der Holländer gilt als bester Rahmenbauer in der Szene, er fertigt eine Handvoll der edlen Teile pro Jahr und verkauft sie nur an würdige Kunden. Freilich: Einen, der die materialtechnische Würdigung mehr verdient als Jurek Milewski, wird auch ein Rahmenbau-Guru nur schwer finden. Mit oder ohne Weltmeister-Ehre.