Kinder-E-Mountainbikes sind ein nicht mehr ganz neues Phänomen, das den rasanten, fast unbegrenzten Verkauf von E-Bikes begleitet, aber auch polarisiert. Für die einen ist es undenkbar, Kinder auf E-MTBs zu setzen, die anderen sehen viele Vorteile und probieren es einfach. Fahren Mama und Papa E-MTB, hat der Junior oft keine Lust, daneben herzustrampeln, bzw. sind die Kinder schon im Bereich der Laufradgrössen 20“/24“/26“, wird laut Fachhandel beim E-MTB-Kauf der Familie immer öfter auch ein Kinder-E-MTB dazugekauft. Auch Hoteliers, die neben Erwachsenen- auch Kinder-E-MTBs für die Zeit des Urlaubs im Verleih haben, berichten über eine gestiegene Nachfrage (siehe Interview Kurt Resch).
Mechanische Nachziehlösungen wie „Follow Me“, wo das Kinder-Bike eingehängt und nachgezogen wird, sind zwar auch beliebt, aber machen das Bike von Mama und Papa für den Geländeeinsatz untauglich und sind nur für Forstwege geeignet. Also wird dann doch gleich ein Kinder-E-MTB angeschafft. Doch ist das wie ein Bike für Große ausgestattet? „Nein, auf keinen Fall, alle Bauteile und auch der Rahmen und das Gesamtgewicht sollten an das Kind angepasst sein. Ein Kinder-E-MTB sollte nicht 20 oder 25 kg oder mehr wiegen, sondern die Hälfte. Dann hat das Kind das Bike gut im Griff“, sagt Robin Krichel. Er muss es wissen, denn er ist der Gründer der Firma Ben-E-Bikes, die einen beispiellosen Raketenstart hingelegt hat. Zuerst baute der Dipl.-Elektro-Ingenieur vor ein paar Jahren für seinen Sohn Ben aus zugekauften Teilen mit einem 250-Watt- Heckmotor ein kleines, leichtes 20-Zoll-Kinder-E-MTB-Hardtail mit 10 kg, dann, beim 24-Zoll-Bike angekommen, verfeinerte er dies mit einem von ihm speziell programmierten 250-Watt- Hecknabenmotor, leichter und vor allem sensibel ansprechender Federgabel und leichten Anbauteilen – immer noch unter 12 kg Gesamtgewicht.
Fertig war das Ur-„Ben-E-Bike“, auch genannt „Benni-Bike“, und im Bekanntenkreis machte das Leicht-Konzept schnell die Runde. Für den Freundeskreis baute Robin ein paar weitere Custom-Benni-Bikes, bis aufgrund des Erfolgs bei den Kids und den Eltern die Nachfrage schlagartig so groß wurde, dass der Ingenieur neben der eigenen Elektronik-Firma eine eigene Firma für Ben-E-Bikes gründen musste. Heute, fünf Jahre nach dem Start des Projekts, ist Ben-E-Bike fast permanent ausverkauft, und kommt mit dem Liefern kaum hinterher. „Die Bikes machen einfach so viel Spaß, die Kinder wollen gar nicht mehr vom Bike herunter. Ein super Familienerlebnis auf Tour ist garantiert, aber auch das Auto stehen zu lassen und von Zu Hause auf Tour zu gehen, hat einen großen Wert“, erklärt Krichel. Die absolut irren Boomjahre der Firma haben ihre Spuren hinterlassen, es wurde zu viel. Heute hat Krichel die Firma verkauft, ist aber als Berater nach wie vor dabei. .
Die Bikes machen einfach so viel Spaß, die Kinder wollen gar nicht mehr vom Bike herunter.
Das Thema polarisiert, aber mit Kinder-E-Mountainbikes sind entspannte Touren im Familienverbund möglich.
Einer, der in den Bergen lebt und das Thema Kinder-E-MTB aus eigener Erfahrung als Familienvater kennt, ist Patrick Ribis. Der Bergführer und Simplon- E-MTB-Factory-Teamfahrer ist E-Enduro-Biker aus Passion. Er hat beruflich auch viel mit Kindern zu tun. Für die Gratis-Bike-Camps „Bike How“ der Tiroler Landesregierung hält er Bike-Fahrtechnikkurse für Schulklassen. In der Freizeit ist für Patrick Quality Time am Bike angesagt, viele Singletrail-Touren mit Freunden aber auch der Familie stehen am Programm. Da war das E-MTB für Kinder eine logische Ergänzung. Denn Patricks Bub Jakob ist sieben Jahre alt und ein Energiebündel. „Ein guter Freund von mir hat in seinem Bike-Hotel in Mutters (Anm.: Bike Hotel Seppl, Mutters bei Innsbruck) seit zwei Jahren Ben-E-Bikes im Verleih und ich habe mir immer mal wieder eins für den Buben ausgeliehen. Denn Jakob fährt beides gerne: im Bikepark ein klassisches Hardtail und auf Tour mit uns das Benni-Bike. So habe ich dieses Jahr zugeschlagen und ein Benni-Bike gekauft.
„Es hat sich bewährt und die Qualität der Familienausflüge einfach massiv gesteigert. Darüber hinaus gewinnt Jakob einen neuen Zugang zur Mobilität. Egal, ob wir gemeinsam eine Tour machen oder ob wir in der Stadt etwas zu erledigen haben, das E-Bike ist immer dabei und reduziert die Anstrengungen wie z.B. Hitze auf dem Rückweg vom Kindergeburtstag oder den Gegenwind bei der Familientour. Es bleibt somit mehr Energie und Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr oder aufkommende Schwierigkeiten bei der Abfahrt.“
Auch der Autor dieser Zeilen hat mit seiner Tochter Elena, zehn Jahre, ähnliche Erfahrungen gemacht. Tirol ist einfach gebirgig und selbst kleinere Touren waren für Elena meist recht bald eine „Tortur“. Sofort geht es vom Mittelgebirge oder vom Inntal mehrere Hundert Höhenmeter ins Karwendel oder die Tuxer Voralpen, gemeinsame Touren auf Almen waren nicht ohne Weiteres möglich. Ein Zugseil war auf Dauer keine Lösung, das Benni-Bike jedoch schon. Zuerst mit 20“, dann mit 24“ sind so gemeinsame Bike-Touren mit der Familie machbar geworden. Erstaunlich ist auch der Werterhalt der Benni-Bikes, im Bekanntenkreis war das 20“ Benni sofort mit wenig Abschlag weiterverkauft. Natürlich ist ein Kinder-E-MTB auch eine geografische Sache: In der norddeutschen Tiefebene wird ein Kinder-E-MTB im Familienrat schwerer zu argumentieren sein als in Mittelgebirgs- oder generell gebirgigen Regionen.
Natürlich wird das Thema auch weiterhin polarisieren und man darf sich sogar die eine oder andere Nettigkeit anhören. Uns ist diese Diskussion aber mittlerweile ziemlich egal. Was gibt es Schöneres als mit den Kids gemeinsam auf eine Alm oder Hütte zu fahren und die Natur zu genießen, vielleicht auch einen leichten Trail mitzunehmen? Etwas, was mit klassischen Kinder-MTBs so nicht möglich wäre.
Kurt Resch
Biohotel & Bikehotel Steineggerhof
www.steineggerhof.com
Kurt, wie haben Kinder-E-Bikes deine Verleihsituation verändert?
Seit wir Ben-E-Bikes bei uns im Verleih haben, kommen öfter Familien zum Biken zu uns. Aber auch die Einheimischen leihen die Kinder-E-Bikes gerne aus, weil Familientouren mit normalen Mountainbikes schwer möglich sind. Dazu ist es bei uns in Steinegg viel zu steil und man müsste mit dem Auto erst einmal 400 hm hinauffahren. So geht die Tour gleich vom Hotel los.
Du hast mehrere Guides angestellt und bist auch selber gerne mit deinen Gästen auf Tour unterwegs. Wie haben Benni-Bikes die Touren verändert?
Es kommt selten vor, dass Kinder bei den geführten Touren mitfahren. Wenn, dann sind es Familien, die einen Guide buchen, meist in Kombination mit Fahrtechnik-Einheiten. Aber wir sehen schon, dass Biker-Stammgäste jetzt vermehrt mit der Familie kommen, weil sie wissen, dass die Kinder auch mal eine Tour mit den Eltern mitfahren können.
Hast du jetzt mehr Familien-Guidings oder fahren Gäste einfach mal so 500 hm wohin?
Familien-Guidings haben wir sehr selten, auch weil unsere Guides meist gut ausgelastet sind. Mit Familien muss man eigene Touren fahren, denn hier zählt vor allem, dass sich die Kids wohlfühlen und Spaß haben. Auf keinen Fall darf man die Kinder überfordern, Pausen und eine tolle Einkehr sind wichtig.
Wo siehst du die Vorteile? Und gibt es Nachteile?
Der Vorteil vom Ben-E-Bike ist, dass die Kinder ohne Kondition ein schönes Erfolgserlebnis haben. Besonders hier in den Bergen sind Touren ohne Motor fast nicht möglich, da kippt die gute Laune schnell und die Kinder sind dann frustriert, was sich dann auch auf die Eltern auswirkt. Ein Nachteil ist, dass es bei uns recht steil ist und somit die Reichweite leidet. Kinder wollen schneller sein als Mama und Papa, daher fahren sie hier meist in der höchsten Stufe. Aber wenn man das Ladegerät mitnimmt, dann kann man auf der Hütte laden und kommt so gut nach Hause. Aber Achtung: Die Kinder sind sehr schnell angefixt von den Ben-E-Bikes und sie wollen dann auch zu Hause eines haben. Der Urlaub könnte also teure Nachwirkungen haben.
Was taugt den Kids so?
Schon nach wenigen Metern leuchten die Kinderaugen und sie wollen dann oft jeden Tag fahren. Das freut die Eltern, denn normalerweise sind sie es nicht gewohnt, dass Kinder ohne zu jammern mit ihnen Rad fahren. Kinder wollen schneller sein als Mama und Papa, das höre ich oft. Aber auch sonst machen die E-Bike-Touren den Kids so viel Spaß, dass man sie fast nicht mehr vom Ben-E-Bike runterkriegt. Die Kinder fahren oft noch vor dem Haus einige Runden, bis die Akkus leer sind.
Kinder E-MTBs - was ist zu beachten:
Motor-Sensibilität: Der Motor sollte sensibel genug sein, die Pedalkraft eines Kindes zu erkennen. Gesetzlich werden Kinder-E-Bikes bei 20 km/h abgeriegelt.
Gewicht: Kräftige Kinder können auch schwerere Kinder-E-MTBs fahren, diese liegen auch bergab „satter“ auf der Forststraße. Dennoch machen leichtere Bikes den Kindern mehr Spaß, da sie klassischen MTBs im Fahrgefühl viel stärker ähneln.
Reichweite/Höhe: Trotz des geringeren Gewichts eines Kindes muss das nicht mehr Reichweite/Höhe bedeuten, wenn das Kinder-E-MTB auch einen kleineren Akku hat. Im Zweifelsfall: zweiter Akku.
24/26“ und 26/27,5“: Ein Vorteil der Ben-E-Bikes ist, dass man die Laufradgrößen mixen kann. Ins 20“- Modell passt vorne ein 24“-Laufrad, ins 24“-Modell vorne ein 26“-Laufrad usw. So kann das Bike noch eine Weile länger verwendet werden, bis es dann zu klein ist.
Auf Tour: Man kann mit Kindern 400 bis 800 hm auf eine Hütte fahren, hier sind aber immer Pausen wichtig. Auch ein Kinder E-MTB tritt sich wie ein Erwachsenen-Bike nicht von alleine und ist durchaus anstrengend. Deshalb: Pausen machen, Landschaft genießen, eine Jause zelebrieren, und Spaß an der Sache haben.
Weitere Infos:
www.ben-e-bike.net
https://woombikes.com
www.steineggerhof.com
Woom UP 5 und 6
Neu vom österreichischen Kinderbike-Spezialisten Woom ist das Woom UP 5 (24“) und UP 6. Es basiert auf dem sehr moderat zu fahrenden Fazua-Motor aus Bayern, der sehr einfach komplett entfernt werden kann, sodass das UP 5 und 6 einem klassischen MTB entspricht.