Das Bikepacking erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Die Reisen mit dem Rad eröffnen eine vollkommen neue Perspektive.

Georg Michl


Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Wenn er sie mit dem Fahrrad tut, hat er noch mehr zu sehen. Oft hastet der Mensch selbst auf Reisen von einem Ort zum anderen. Die Feinheiten der Natur bleiben so oft unbemerkt und ungesehen. Lässt er sich aber auf eine Fahrradreise ein, erfährt der Reisende die Schönheiten der Umgebung aus einer wunderbaren Perspektive. Sofern er nicht zu sehr auf Radcomputer und das Stundenmittel schaut. 

Im Windschatten des jüngsten Booms, ausgelöst durch die Elektroräder und befeuert von der Pandemie, haben viele Menschen das Rad wiederentdeckt und auch das Spektrum der Möglichkeiten erkannt. Das reicht vom Sportgerät und Statussymbol über das tägliche Fortbewegungsmittel bis hin zum Reisegefährt. Bei den nicht motorisierten Velos haben sich die Gravelbikes oder Crosser etabliert und an Beliebtheit gewonnen. Als Nachkommen der klassischen Querfeldeinräder sind sie auf vielen Terrains einsetzbar und eignen sich hervorragend für das Reisen oder das Commuten (Pendeln). „Diese Räder sind vielseitig einsetzbar und funktionieren auf der Straße und Waldwegen gleichermaßen“, sagt Fachmann Hannes Fuchs von „Rad Fuchs“. Als Hybrid zwischen Rennrad und Trekkingbike „deckt es viele Bereiche ab. Durch die breiteren Reifen sind sie komfortabler als klassische Rennräder, rollen aber auch auf Asphalt sehr gut und sind gut übersetzt für Anstiege in den Bergen. Daher haben sie in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen“. Carbonrahmen haben sich auch bei den Crossrädern durchgesetzt, wodurch auch hier ein geringes Gewicht erzielt werden kann. Einige Hersteller haben bereits begonnen, auch Gravelbikes mit Elektromotoren auszurüsten.

Doch neben der Wahl des richtigen Rads beschäftigt eine Frage Pendler und Reisende gleichermaßen: Wohin mit dem (vielen) Zeug? Und damit aus dem Rad kein unhandlicher Draht- und Pack­esel wird, ist die Wahl der Taschen essenziell. „Auf Taschen muss man sich nicht nur bei mehrtägigen Tripps verlassen können: Sie müssen absolut wasserdicht und zweckmäßig sein“, sagt Taschenexperte Christoph Werner, Geschäftsführer von „Breineder Gibiser“ in Graz. Das Angebot an Taschen ist breit gefächert. Namensgebend ist der Ort der Befestigung: Lenker-, Rahmen- und Satteltaschen benötigen keine zusätzlichen Gepäckträger, sind aber vom Volumen her limitiert. Für einen Trip übers Wochenende reichen diese aus. „Bei Satteltaschen oder Seatpacks sollten es aber nicht mehr als elf Liter Volumen sein“, sagt Werner, „wenn es mehr wird, wird es vom Fahrgefühl her unangenehm. Da kann eine zusätzliche Rahmentasche mit 4 bis 6 Litern helfen.“ 

Prinzipiell gilt beim Packen allerdings: Weniger ist mehr. Manch einem reicht sogar ein kleines Täschchen für Handy und Kreditkarte. Wer die aber nicht (ver)glühen lassen will, muss eben packen. Die Erfahrung zeigt, dass tendenziell zu viel aufgeladen wird. Meist reichen eine (warme) Garnitur zum Wechseln, Regenzeug, Hygieneartikel und ein leichtes Outfit für den Abend samt Schuhen. Nicht vergessen werden sollten – je nach handwerklichem Geschick – ein Werkzeug (Multitool), Ersatzmaterial (Schlauch, Kettenschloss) und eine kleine Pumpe. Notfalls kann da wieder das kleine Täschchen mit Mobiltelefon und Karte hilfreich sein. Übrigens: Zusatzmotorisierte sollten, falls Adapter zum Laden benötigt werden, diese auf keinen Fall zu Hause liegen lassen. Wer dem Alltag vollkommen entfliehen will und in der Natur übernachtet, wird allerdings noch ein paar Kilogramm mehr auf das Rad packen: Zelt, Isomatte, Schlafsack, Gaskocher samt Geschirr sind auch in den Premium-Varianten wahre Stauraumfresser und spätestens hier empfehlen sich Gepäckträger. Die können relativ problemlos selbst auf Rennräder unkompliziert montiert werden und auch Scheibenbremsen und Steckachsen stellen da kein Problem dar. 

Profi-Tipps:

  1. Mit einem zweiten Satz Laufräder können Sie einen Crosser oder ein Gravelbike mit wenigen Handgriffen zu einem Rennrad umwandeln.
  2. Achte darauf, dass die ­Taschen reflektierende Elemente haben und man speziell bei Sattel­taschen ein Rücklicht montieren kann.
  3. Gerade wenn man sehr häufig und bei jedem Wetter mit dem Rad zur Arbeit fährt, sollten Sie darauf achten, dass die Taschen wasserdicht und hochwertig verarbeitet sind. Vor allem, wenn Laptops oder wichtige Dokumente transportiert werden.
  4. Das Öffnen eines wasserbeständigen Zipps braucht einen höheren Kraftaufwand. Leichtgängige sind meist nicht sonderlich dicht.

„Bei einigen Gravelbikes wurden durch die Hersteller zusätzliche Verschraubungsmöglichkeiten für Lichter, Halterungen oder auch Kotflügel angebracht“, erklärt Fuchs. Die Taschen mit einem Volumen von bis zu 20 Litern können ohne viel Werkzeug auf die Gepäckträger eingestellt und meist mit einem Handgriff mittels Schnellverschlüssen montiert und abgenommen werden. Doch beim Beladen des Rades ist es wie im Leben: Es muss alles in Balance sein. Denn mit gut gefüllten Taschen wandert der Schwerpunkt des Gefährts schnell nach hinten und das merkt man spätestens beim Anbremsen der ersten Kurve. Denn um das Gewicht eines Rennrades zu verdoppeln muss man nicht Zimmer, Küche, Kabinett einpacken. Da genügen schon zwei gut gefüllte Taschen ohne Gegengewicht auf der Hinterachse, um das Vorderrad etwas zu sehr zu entlasten. Wie beim Rahmenbau hat auch bei der Herstellung der Taschen längst Hightech Einzug gehalten. Die meisten Produkte zeichnen sich durch ein geringes Gewicht aus, sind aber dennoch wasserbeständig, wenn nicht sogar wasserdicht. Aber auch hier gibt es massive Qualitätsunterscheide. Allein bei der Verarbeitung. „Geschweißte Taschen halten einer wesentlich höheren Wassersäule stand als Verbindungen, die genäht und getapet oder gar nur genäht wurden“, erklärt Werner. Große Taschen werden meist mit Rollverschlüssen wasserdicht versiegelt. 

„Hier sollte man beim Kauf darauf achten, dass bei der Öffnung zusätzliche Dichtlippen eingearbeitet wurden“, erklärt der Taschenfachmann, „Wenn die Taschen gefüllt sind, sollte noch so viel Platz sein, dass man die Möglichkeit hat, das Ende zwei, drei Mal einzurollen.“ Hochwertige Modelle besitzen ein Ventil, durch das eingeschlossene Luft nach dem Rollen ausgelassen werden kann. Das Material sollte – ähnlich wie bei einer Regenjacke – außen möglichst glatt und insgesamt nicht so dick und steif wie eine gewöhnliche Plane sein, denn „durch das Rollen wird das Material sehr beansprucht und kann auf Dauer Schaden nehmen“. Um auf Dauer die Freude am Bikepacking zu erhalten, empfiehlt es sich, bei der Routenplanung den Ehrgeiz etwas hintenanzustellen. Sonst kann die Tour auch aufgrund des höheren Gewichts schnell zur „Tortour“ werden. Ob mit Taschen, Gepäckträger oder auch Anhänger, das Wichtigste ist aber, dass der Spaß mitfährt.