Wer Wandern als bloßes Dahinmarschieren qualifiziert, der kennt sie nicht – die „Zipfel-“ oder „Korkenzieherwege“, den Hexenwassersteig oder die Geisterklamm. Die Rede ist von den „Themenwanderwegen“, die speziell vom Tourismus immer stärker forciert werden. Sie sind lehrreich, wollen zum Nachdenken anregen oder vermitteln einfach Spaß. Wir gehen dem Boom der „G’scheiten Wege“ auf den Grund – und haben aus Hunderten Angeboten 10 Exemplare herausgesucht.


Neu ist die Idee, einen Weg mit Information aufzurüsten und den Wanderern unterwegs Futter fürs Hirn (oder einfach Unterhaltung) zu bieten, keineswegs. Schließlich gab es schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts„ Lehrpfade“. Neu ist aber die Intensität, mit der vor allem die Touristiker diese sogenannten „Themenwanderwege“ bewerben. Und laut Günther Steininger, Wanderexperte bei Steiermark Tourismus, ist das so, „weil sich die Qualität der Themenwege und Erlebnispfade in den letzten Jahren stark gewandelt hat. Ein paar in die Landschaft gestellte Schautafeln reichen heute nicht mehr aus, der Anspruch der Wanderer und Urlaubsgäste ist längst ein anderer. Wem es allerdings gelingt, ein Thema originell, mit Geist und Witz aufzuarbeiten, der kann mit großem Zuspruch von Gästen rechnen.“

QUALITÄT IST SUBJEKTIV
Was „Qualität“ allerdings in diesem Zusammenhang ganz genau bedeutet, da gibt es doch erhebliche Auffassungsunterschiede (wie auch aus unseren 10 Empfehlungen weiter unten). Für Tourismusprofi Steininger kommt es jedenfalls nicht auf den betriebenen Aufwand an, ob ein Themenweg bei der Masse ankommt oder nicht. Obwohl dieser Aufwand oft beträchtlich ist: Investitionsvolumen im sechsstelligen Bereich sind keine Seltenheit. Bei Projekten dieser Größenordnung sind in der Regel der Tourismus und die regionale Wirtschaft mit an Bord, um solche Summen aufzustellen – und dazu gibt’s oft auch Förderungen von Land, Bund und sogar EU. Umgesetzt wird ein Projekt dann meist von einem örtlichen Verein oder Verband, der den Weg später auch erhält.
Aber noch einmal: „Entscheidend ist“, sagt Günther Steininger „oftmals gar nicht so sehr der finanzielle Aufwand. Das Thema, das gespielt wird, muss einfach in die jeweilige Landschaft passen. Bestes Beispiel: Künstliche Erlebniswelten, die mit der Region nichts zu tun hatten, wurden in der Vergangenheit zwar teilweise versucht, aber waren nicht erfolgreich.“

AKTIVITÄT IST GEFRAGT
Deshalb werden nach wie vor klassische Themen wie „Natur“, „Umwelt“ oder „Geologie“ gern für die Themenwege gewählt; im Zunehmen begriffen ist das auch das Eingliedern von Kunst und Kultur in den Naturraum. Und vielfach wird natürlich auch danach gestrebt, speziell den Familien Abwechslung am Wegesrand zu bieten, damit den Kindern das Marschieren schmackhaft zu machen.
Ebenfalls am Puls der Zeit: „Im Unterschied zu früher darf und soll man sich heute auch aktiv einbringen – das erwarten die Menschen sogar.“ Simple Schautafeln mit Informationstexten allein reichen da nur mehr für verhaltenen Applaus – geworben wird oft mit den Schlagworten „Erlebnisstation“, „interaktiv“ oder „Mit allen Sinnen erlebbar“. Ein derzeit beliebtes Beispiel sind „Barfußwege“ zum Erspüren unterschiedlicher Untergründe.

EIN SYMPTOM DER ZEIT
Selbstverständlich könnte man manches kritisch hinterfragen – etwa: Reicht die pure Natur allein den Wanderern von heute nicht mehr aus? Muss es stattdessen unbedingt immer ein (vielleicht sogar actionreiches) „Mehr-Erlebnis“ sein? Sind Themenwege ein Symptom der schnelllebigen, auf Unterhaltung und vielfältige Reize getrimmten Zeit?
Regina Hrbek, Leiterin der Abteilung Natur- und Umweltschutz bei der Naturfreunde-Bundesorganisation, ist in dieser Frage zwiegespalten: „Es kommt sicher darauf an, wie stark in die Natur eingegriffen wird. Themenwege können in jedem Fall sinnvolle und schöne Einrichtungen sein – aber man muss dabei bestimmt nicht alles mit Stationen und künstlichen Bauten zupflastern.“
Die hauptberufliche Naturschützerin verweist auf die von den Naturfreunden bundesweit eingerichteten „Natura Trails“ (www.naturatrails.net), die sogar ganz ohne künstliche Infrastruktur auskommen und reine natürliche Gegebenheiten zu einer thematisch zusammenhängenden Wanderung ver binden. Vermittelt werden die Informationen mit einem gedruckten Folder, der gleichzeitig der Orientierung dient.
So oder ähnlich naturschonend ausgeführt, kann Hrbek den Themenwegen nur Positives abgewinnen: „Viele Menschen haben es heute verlernt, einfach nur so die Natur, die Stille oder die Geräusche des Waldes wahrzunehmen und zu empfinden. Andererseits herrscht eine große, unbestimmte Sehnsucht nach einem Gegenpol zu Stress, Laptop und permanenter Erreichbarkeit“, vermutet Regina Hrbek als Hintergrund für den Boom bei den Themenwege.
Wer Wanderern also eine umweltverträgliche und ressourcenschonende „Gebrauchsanweisung“ zum intensiven Naturerleben mitgebe, trifft durchaus den Nerv der Zeit, glaubt die Naturfreunde- Expertin.

MIT HERZ UND HIRN
Mit so wenig Infrastruktur wie die „natürlichen“ Naturfreunde-Trails kommen freilich viele Themenwanderwege nicht aus. Deshalb wollen wir uns bei unseren 40 aufgelisteten „G’scheiten Wegen“ ganz bewusst jeder Form von Wertung enthalten und es lieber jedem selber überlassen, welches Konzept einen am besten anspricht. Die Reihenfolge ist daher auch willkürlich zu sehen und soll keine „Hitliste“ darstellen. Auch logisch: Die Einteilung in vier Kategorien dient nur einer groben Orientierung – viele dieser Wege hätten genauso in eine andere Kategorie gepasst.
Sehr unterschiedlich ist auch der sportliche Anspruch der Themenwanderwege: Vom einige Kilometer langen Familienpfad (da allerdings meist mit viel Erlebniswert und Stationen, an denen man sich länger aufhalten kann) bis zur mehrtägigen Hochgebirgstour für erfahrene Alpinisten reichen die angebotenen Themenwanderungen. Und was letztlich ebenfalls nicht unerwähnt bleiben soll: Bei nicht allen, aber doch vielen der neuen Themenwege stecken neben dem großen Aufwand doch offensichtlich viel Originalität, Herz und Hirnschmalz drin. Wer sich von einem Themenweg also grundsätzlich angesprochen fühlt, sollte sich nicht lange bitten lassen!


SPORTaktiv Tipp: NATIONAL GEOGRAPHIC WANDERWEG WILDE WASSER, Schladming (St)
Von Schladming aus an 14 Stationen vorbei zum 140 Meter hohen Riesachfall, der vom Alpinsteig „Wilde Wasser“ (mit 50-Meter-Hängebrücke) erschlossen wird. Der 14,5 Kilometer lange preisgekrönte Weg kann in Etappen oder am Stück (ca. 6 Stunden) gegangen werden.

SPORTaktiv Hotel in der Region:
Hotel Schwaigerhof

Infos zur Region:
Schladming-Dachstein

9 weitere WEGE MIT SCHAUFAKTOR
Außergewöhnliche, originell und aufwändig...

GAUERTALER ALPKULTOUR, Tschagguns-Latschau (V)
Der künstlerisch inszenierte 12,5 Kilometer lange Themenweg liefert ungewohnte Einblicke ins alpine Leben. 13 Stationen, vom Künstler Rupert Haas gestaltet, laden zum Staunen und Nachdenken ein – zum Beispiel mit dem „Mythenbaum“, einer auf den Kopf gestellten Fichte.

BAUMZIPFELWEG, Saalbach -Hinterglemm (S)
Der Wipfelwanderweg am Talschluss des Glemmtals bietet als bautechnisches Highlight die 200 Meter lange und bis zu 42 Meter hohe „Golden Gate Bridge der Alpen“. Nach zwei Kilometern ist man wieder am Ausgangspunkt.

KORKENZIEHER THEMENWEG, Ahrenberg (NÖ)
Schräg: Der 15 Meter hohe Aussichtsturm mit der Form eines Korkenziehers ist das Highlight der sieben Kilometer langen Wanderroute mit Stationen zum Thema Traisentaler Weinbau.

GRÜNER RING in Lech -Zürs (V)
25 Stationen, vom Bildhauer Daniel Nikolaus Kocher und der Schriftstellerin Daniela Eggergestaltet, auf einer dreitägigen Tour. Rasten in der Hüttenbibliothek und Übernachten im Biwak gehören dazu.

WILDE WASSER-WEG, Stubai (T)
Mit Preisen ausgezeichnet und sportlich wertvoll: Der Rundweg in vier Tagesetappen stellt, als Teil des „Wilde Wasser Parks“, die Kraft des Wassers in den Mittelpunkt und lässt die Natur sprechen.

WIPFELWEG, Rachau (St)
Bis zu 20 Meter hoch ist die Lärchenholzkonstruktion in den Wäldern von Rachau. Auf dem „Turm der Herzen“ werden romantische Picknicks für zwei angeboten.

KLANGRAUM-STEIN-WEG, Großes Walsertal (V)
Ein Weg mit „Hörfaktor“: Das interaktive Projekt im Großen Walsertal setzt sich mit „Klanglandschaften“ der Natur auseinander. Künstlerische Installationen (nicht nur akustischer Natur) begleiten Wanderer.

HOLZWEG des Tiroler Holzmuseums, Auffach (T)
Dieser Themenweg mit seinen 13 Stationen ist die wanderbare Zugabe zum Holzmuseum des Schnitzkünstlers Hubert Salcher mit über 3.000 Schaustücken.

BAUMKRONENWEG, Kopfing (OÖ)
Unterwegs auf Stegen und Aussichtsplattformen, 30 Mitmach-Stationen für alle fünf Sinne, übernachten im Baumhotel: Auch im Innviertel kann man auf Augenhöhe mit den Baumkronen wandern.


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