Es kann sein, dass ich bereits das eine oder andere Mal in meinen skurrilen Schreibereien erwähnt hatte, dass Ausdauersport in der Vergangenheit nicht zwingend einen Platz in meinem sportlichen Portfolio einnahm. Nicht nur das eine oder andere Mal, sondern jedes Mal, wenn ich das Hallenbad betrete oder meine Radschuhe schließe, ärgere ich mich darüber.
Von Nicole Weiss / unicorn-racing.com
Hätte ich doch mal als Kind schwimmen gelernt und nicht erst als Tante in einem Alter, in dem man nicht mal mehr für ein Casting bei „Germanys Next Topmodel" zugelassen wird. Hätte ich mich doch mal öfter auf ein Rad gesetzt, nicht nur in der Schulsportwoche 1999 (true Story!). Dann gibt es aber auch Rennen, bei denen ich froh bin, dass Eishockey meine sportliche Basis bildet.
Ob es jetzt in manchen Situationen so klug war oder auch nicht: In fast 15 Jahren Eishockey auf recht hohem Niveau lernt man, mit Schmerzen umzugehen. Da war schon mal die Schulter nach einem Check kaputt, aber es waren Playoffs, also spielt man mit der höchstzulässigen Dosis an
Schmerztabletten intus weiter. Oder man ignorierte auch schon mal ein angerissenes Band im Knöchel und steht damit noch ein paar Wochen am Eis, weil man ja die Saison noch fertig spielen muss. Abgebrochene Fingernägel nahmen in der Liste der schmerzlichen Ereignisse dennoch auch eine Position weit oben ein – die Psyche und das modische Auge mussten das ja erst mal verkraften.
PLAN B MIT LÜCKEN
In den Tagen vor dem Faaker See Triathlon, der gleichzeitig auch die Kärntner Landesmeisterschaft auf der olympischen Distanz bedeutete, waren zwar die Fingernägel in Topform (Braunhirse sei Dank), jedoch machten die Kniegelenke Probleme. Seit dem Halbmarathon bei „Kärnten läuft" ein Wochenende zuvor sahen meine Bewegungsabläufe trauriger als jene meiner Oma aus – und diese ist über 90 Jahre. Es ging sogar so weit, dass mir Oma etwas von ihrer Bio-Gelenkssalbe aufdrängte. Die Zeichen vor dem Rennen standen also eindeutig auf Sieg. Zumindest die Rad- und Schwimmeinheit konnte ich vor dem Renntag schmerzfrei über die Bühne bringen, was mir angesichts meiner unfassbaren Stärke in diesen beiden Disziplinen ja nicht viel brachte.
Um zu entscheiden, ob es überhaupt zu einem Start kommen sollte und aus Traditionsgründen (sie macht das ja immer so), versuchte ich einen kleinen Lauf am Abend vor dem Rennen. Nach vier Kilometern und einer atemberaubenden Pace von 06:08 war Schluss. Knieschmerzen, Rückenschmerzen, Krämpfe. Sollte ich so überhaupt zum Rennen fahren? Bringt das in diesem Zustand überhaupt etwas? Natürlich fahr ich da hin! Warum tust du das denn? Weil ich einen Dachschaden habe. Irgendwie würde ich die knapp zehn Kilometer auf der Laufstrecke schon über die Bühne bringen, jedoch musste ich meinen Raceplan adaptieren. Ja, das kopflose Hendl hat meistens sogar einen Plan. Tendenziell sieht der Plan für jedes Rennen wie folgt aus: „Jajaaaa, lacht mich nur aus. Wartet nur, bis es ans Laufen geht!". Mit angeschlagenen Gehfäden konnte ich diesen Plan aber in die Tonne treten, der neue sah also dies vor: „Stark schwimmen – am Rad Tempo machen – an die Eishockeytugenden denken und das Laufen überleben". Ja ok, der Plan hatte Lücken.
NERVOSITÄT AM RACEDAY
Selten hatte ich vor einem Rennen so ein schlechtes Gefühl und ich war auch ziemlich nervös. In anderen Worten: Ich war schon mal entspannter. Ich mag das Rennen am Faaker See sehr gerne – und immerhin wollte ich bei der Kärntner Meisterschaft zumindest irgendwas abliefern. Die Badehaube ließ eine starke Schwimmzeit vermuten, denn sie war orange. Das ist ja so gar nicht meine Farbe und meine Idee war es daher, so schnell wie möglich zu schwimmen, um das Teil so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Beim Einschwimmen war ich auch noch fest davon überzeugt, dass das auch so funktionieren würde. Im Rennen selbst sah es dann natürlich anders aus. Vom Start weg schwamm ich zunächst gut mit, beschloss dann aber (warum auch immer), einen anderen Kurs zu schwimmen. Wer folgt schon akkurat dem Dreieckskurs, wenn man auch ein Heptagon schwimmen kann. Kurzum, das Schwimmen war ob meiner Inkonstanz („Ich mag nicht mehr, lass uns eine Runde chillen!" und „Geht schon, Vollgas!" wechselten sich stets ab) und einer inferioren Linie einfach schlecht und vier Minuten langsamer als im Vorjahr. Ich hatte mich also schon mal toll an den Raceplan gehalten.
Am Rad lief es für meine Verhältnisse dann wirklich gut. Das Knie merkte ich kaum und das Lebensgefährt rollte brav dahin. Natürlich, angesichts der Zeiten der Damen, die das richtig gut können, war meine Zeit zu belächeln, aber für mich bedeutete es eine deutliche Steigerung zum Vorjahr. Dies hielt ich mir vor Augen, denn ein weiser Mann sagte mal zu mir: „Vergleiche dich nie mit anderen, nur mit dir selbst ... und mit Jan Frodeno." Ich hätte in der Tat härter fahren können, doch das Hirn bremste den jugendlichen Leichtsinn, das Knie musste ja noch bis zur Ziellinie halten und die war bekanntlich noch nicht in der Wechselzone. Wie hätte das auch ausgesehen, wenn ich mich robbend Richtung Laufstrecke geschleppt hätte ... wie der Terminator beim Showdown im Stahlwerk. So fernab jeder Ästhetik hätte ich ja gleich die orange Badehaube anlassen können.
Auf das Laufen freue ich mich standardmäßig bei jedem Rennen. Diesmal nicht. Ich war mir nicht sicher, ob es eher ein Wandertag werden würde oder überhaupt ein „DNF". Nein, Letzteres war definitiv keine Option, ich hätte es in Terminator-Manier kriechend durchgezogen (ja, ok ... im Nachhinein hat man leicht reden). Aus der Wechselzone raus ging es schon mal sehr gut und schmerzfrei. Wahrscheinlich hatten die Gehfäden einfach noch nicht bemerkt, dass ich nicht mehr am Rad saß. Dann begann aber der wahre Spaß. Jeder Schritt versetzte dem Knie ein Stechen, der Rücken verkrampfte, das rechte Bein machte zu. Wer die Laufstrecke am Faaker See kennt, weiß, dass es hier auch mal bergab geht, auf einem mehr oder weniger befestigten Waldweg mit vielen dekorativen Steinen. Ja, jener Abschnitt war diesmal eher die Hölle als Gaudium. Eigentlich hatte ich nach einer Runde keinen Bock mehr und die Pace war auch schlechter als in meinen beiden Ironman 70.3 in dieser Saison. Aber ok, das Distanzpony lahmte ja auch irgendwie dahin.
Auf der zweiten und somit letzten Runde hatte ich vor, zumindest den letzten Kilometer ansprechend zu laufen, egal wie schmerzhaft. Schon alleine, um halbwegs cool vor den Zuschauern auszusehen (funktioniert generell nicht mit hochrotem Kopf und Doppelkinn, aber der Versuch ist stets da). Mit einer Pace von 04:30 ging es Richtung Ziel, dann kam ich immer näher an Markus heran. Ich habe keine Ahnung, wer dieser Athlet Markus war, aber er hatte einen großen Fanclub, dem meine Dankbarkeit gilt. Als ich auf gleicher Höhe mit jenem Herrn war, schrie sein Fanclub „Gemma Markus, de Oide mochst hin!". Ja, das war genau die Motivation wie in den guten alten Eishockeytagen. Man mag es kaum glauben, wie psychologisch wertvoll solche Statements sein können. Da huschte mir ein Lächeln über das Gesicht und ich dachte mir nur: „Nein Markus, wirst du nicht!". Dank umgekehrter Psychologie hatte ich einen Energieanfall und schraubte die Pace mal auf 03:55 – wie auch immer ich das schaffte. Ciao Markus – hello Ziel!
GRUND ZUM STRAHLEN
Ja, ich sah im Ziel schon mal fresher aus. Ein Glück, dass ich davon kein Bild habe. Grund zum Strahlen gab es dann aber trotzdem, denn der Blick auf die Ergebnisliste verriet eine echte Überraschung: Platz drei in meiner Altersklasse und der dazugehörige Landesmeistertitel gehörten mir. Yeey! Selten hatte ich mich so gefreut, denn ich wollte irgendwann mal bei dem Rennen, das ich so mag und das immer so wehtut, auf dieses Altersklassen-Podium. Mission accomplished. Glücklicherweise war es auch Platz drei, denn auf die höheren Podeste hätte ich es mit den lädierten Extremitäten wohl nicht mehr geschafft. Maximal mit Treppenlift. Der Pokal erhält auch einen Ehrenplatz ... vorne im Körbchen am Rollator.
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