Outdoor-Begeisterte kennen die Tage in der Natur, bei ­denen einem das Herz aufgeht, die ewig in Erinnerung bleiben. Fragt sich: Was ist eigentlich eine „Traumtour“ und wie findet man sie?

Christof Domenig
Christof Domenig


Die Besteigung des namhaftesten Gipfels einer Region, die Jagd auf magische Höhengrenzen? Der zugeraunte Geheimtipp, wo selbst in der Hochsaison die Einsamkeit der Bergwelt erlebbar bleibt? Oder was sonst ist eigentlich eine Traumtour? Als regelmäßiger Berggeher kennt man jedenfalls das Gefühl einer Unternehmung, die einem ein „hach, ist das schön“ entlockt, die unter allen besonderen Touren noch einmal hervorsticht. Ja, es gibt sie, die Traumtouren oder Traumtourentage. Wir haben uns gemeinsam mit drei Kennern, die schon unzählige Wanderungen und alpine Unternehmungen in den Beinen haben, an einer Annäherung versucht.

„Für mich ist eine Tour dann schön, wenn sie all meine Sinne anspricht“, meint Siegi Bertha, Bergwanderführerin aus Saalfelden-Leogang. „Den Sehsinn – ich habe ein Traumpanorama oder einen unglaublich romantischen Wald, wo die Spinnweben im Reif glänzen. Dazu die Pflanzen, die ich in der Stadt nicht habe, der Wurzelweg. Und dazu der Geruchssinn – ich gehe an einem Holzstapel vorbei und rieche das Holz, dahinter duftet die frisch gemähte Wiese.“ Aber was Bergfexe beim Wandern anspricht, sei zugleich ganz individuell, weiß Bertha. „Manche finden ihr Glück über die Anstrengung, dass man wieder einmal rauskommt und sich selbst spürt, den Herzschlag, das Schwitzen, da schütten sie ihre Glückshormone aus. Andere wiederum dann, wenn sie sich entspannt fühlen – durch die Gerüche, den Wind in den Haaren und das Panorama.“

Die Aus- und Einblicke in die Landschaft, eine „stimmige Wildheit der Natur“ oder besondere Natur-Formationen – „Felsenfenster, Karstlöcher, Höhlen, kleine Bergseen“: Das wären für Marc Horbal, Bergwanderführer der Region Villach – Faaker See – Ossiacher See, beispielhafte Zutaten, die potenziell eine „Traumtour“ ermöglichen. Zugleich sollte etwa Orientierungssicherheit gegeben sein und die Tour nicht überlaufen sein.
Andreja Jurkovicˇ vom Tourismus der Region Sočatal in Slowenien, wo der tiefgrüne Fluss in Verbindung mit dem schroffen Fels für eine ganz eigene Stimmung sorgt, findet ebenfalls, dass die Kombination aus mehrerem das Besondere ausmacht: „Ein schöner, friedlicher Weg, mit entspannenden Geräuschen – Flussrauschen, Vogelgezwitscher, Blätterrauschen. Ein außergewöhnliches Ziel – zum Beispiel ein endloser Ausblick aufs Tal, ein mächtiger Wasserfall. Aber auch die Qualität der Verpflegung in der Hütte kann zum außergewöhnlichen Erlebnis beitragen.“

Eine Traumtour kann, muss also aber nicht mit einem „höheren“, sportlich besonders herausfordernden Ziel verbunden sein. „Seine Traumtour kann jeder auf seinem ganz individuellen Niveau finden“, ist Horbal überzeugt. „Das Erreichen persönlicher Grenzen und die damit verbundene Anspannung sowie das Nachlassen der Anspannung danach, wenn es geschafft ist: Das kann eine Tour zu einem besonderen Erlebnis machen.“ Eine solche „Grenzerfahrung“ könne auf der sportlichen Ebene – etwa die Distanz oder eine technische Schwierigkeit –, aber genauso auf der spirituellen Ebene erlebt werden: „Das Erleben von Flora und Fauna, Stille und Weite oder Ausgesetztheit“, so der Kärntner.

„Oft herrscht die Meinung, es ist erst ab einer gewissen Höhenmeterzahl eine Supertour“, weiß Bertha, „ist es aber überhaupt nicht. Es bringt gar nichts, wenn ich meine Gäste wo raufscheuche – wenn ich sie überanstrenge, ist die Tour verhaut. Oft ist es viel mehr das Reduzieren, das einen superpositiven psychischen Effekt hat.“ Man ist gegangen, weder über- noch unterfordert, hat sich ein schönes Platzerl für die Jause gesucht. Ein Highlight auf Tour sei letztlich, „was dich anspricht, dich genau dort abholt, wo du bist“, sagt die Saalfeldner Bergwanderführerin. Zu deren Aufgabe es folglich auch gehört, ihre Gäste vorab richtig einzuschätzen, um mit ihnen gemeinsam das individuell perfekte Erlebnis zu finden.

Sorgfältige Planung als Schlüssel
Ein namhafter Gipfel, den man schon lange auf der Bucket List hat („einmal im Leben auf den Glockner“): Das kann für viele eine Traumtour sein. Dass man das Gipfelerlebnis dabei nicht alleine genießen wird, ist ein Faktum, dessen man sich bewusst sein sollte. „Für mich als Privatperson definitiv ein Punkt, weswegen ich mir lieber unbekannte, nicht so begehrte Gipfelziele suche“, sagt Horbal, „was entsprechende Eigenkompetenz wie Orientierungsfähigkeit oder technische Fähigkeiten voraussetzt.“

Was uns zu einem wichtigen Punkt bringt: Auch zu einer Traumtour gehört eine sorgfältige Tourenplanung. Für den Genuss ist das Planen, um Unvorhergesehenes möglichst auszuschließen, sogar ein Schlüssel. Das korrekte Einschätzen der eigenen Fähigkeiten gehört dazu, das Recherchieren von Wegstrecke, Höhenmetern und Schwierigkeiten am Weg ebenso  wie ein genauer Check der Wetterprognose. Je anspruchsvoller das Tourenziel ist, desto sinnvoller auch, sich für sein persönliches Highlight einen kompetenten ­Guide, einen Bergwanderführer oder, sobald gesichert werden muss, einen Bergführer zu engagieren.

Grenzen der Planbarkeit
Womit wir beim Finden der Traumtour angekommen wären. Die Suche danach darf man nicht erzwingen, ist individuell wie jene nach dem Traumpartner. Und natürlich kommt es auf die jeweiligen Tagesverhältnisse an. Unsere 20 Tourentipps, die wir gemeinsam mit Kennern der jeweiligen Region ausgesucht haben, hätten alle das Potenzial, zu begeistern. Bleibt die Frage: Kann man einen Traumtourentag wirklich akribisch planen oder passieren die besten Tage einfach? „Man kann schon vieles planen“, so Siegi Bertha, „zunächst muss man sich im Klaren sein, was einen selbst anspricht. Was möchte ich erleben, nach welcher Landschaft suche ich, versteckt sich ein Naturschauspiel oder Wasserfall auf der Tour, warten dichte Latschengürtel darauf, durchwandert zu werden? Auf diese Dinge kann man Einfluss nehmen.“

Zugleich hat die Planbarkeit auch Grenzen. „Das Schöne an den Bergen ist auch, dass jeder Tag ein wenig anders ist. Da kommen oft kurzfristig Situationen, mit denen du nicht gerechnet hast: Die vorbeiziehenden Nebelschwaden am Morgen, die Sonnenstrahlen, die abends mystisch durch die Wolken blinzeln“, so Siegi Bertha. Für solche „Wow-Momente“ muss eben alles passen, dazu braucht es Glück und Geduld. Umso schöner, wenn sie dann passieren. Aufbrechen? Besser jetzt als später!

Mag. Sieglinde Bertha

ist Sportwissenschafterin und Bergwanderführerin in Saalfelden-Leogang.

www.alpinskischule.at
www.saalfelden-leogang.com

Marc Horbal

ist Bergwanderführer und Projektentwickler Wandern der Region Villach – Faaker See – Ossiacher See.

www.visitvillach.at

Andreja Jurkovič

leitet das Marketing beim Tourismus­verband Sočatal in Slowenien.

www.dolina-soce.si